Blue Table - Das Interview

Mitarbeitersuche: der Spirit ist entscheidend

Blue Table – Das Interview

Heute am Tisch: Steffen Schillinger und Martin Keppler, Haupt­geschäfts­führer der Industrie- und Handelskammer Nord­schwarz­wald

Herr Schillinger, obwohl Sie einige Jahre beruflich auf nationalem wie internationalem Parkett unterwegs waren, sind Sie schließlich doch wieder in Ihre Heimat und den Fa­milien­betrieb zurück­gekehrt. Was hat Sie dazu bewogen?
Als Kind wollte ich immer Kampfpilot werden, später Architekt oder Medien­designer. Als Hotelier habe ich das jetzt irgendwie alles unter einen Hut gebracht. Die Weiter­entwicklung hört ja bekanntlich nie auf. Auch im FRITZ plane ich noch weiter. Das Appartement 47 soll eine an­sprechende Suite unterm Dach des alten Gebäude­teils werden. Die Hotellerie hat anderthalb schwierige Jahre hinter sich. Zwei Lockdowns, Beherbergungsverbot, Hygiene- und Abstandregeln. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Im ersten Moment war das für uns schon ein Schock. Bei allem Schimpfen muss ich allerdings ehrlicherweise sagen: Ohne die Unter­stützung durch die Politik, die wirklich wichtig für unsere Branche war, wäre das recht schwierig geworden.
Sie sind 2019 mit dem neuen Hotel FRITZ an den Start gegangen und mussten es, kaum eröffnet, pandemie­bedingt gleich wieder schließen. Wie sind Sie als Familien­unter­nehmen klargekommen?
Es ging ja nicht nur um die Investition und den Profit. 150 Mitarbeitende wollten am Monats­ende ihr Gehalt. Gut war, dass wir in der relativ kurzen Startphase von knapp einem Jahr schon erste Erfahrungen mit der Belegung sammeln konnten. Damit konnten wir zumindest den Banken beweisen, dass unser Konzept aufgeht. Wir haben die Corona- Zeit effektiv genutzt durch die intensive Weiterbildung unseres Teams.
Was war die größte Herausforderung?
Das war in der Tat die Wieder­eröffnung. Das ist, wie wenn man einen Oldtimer 40 Jahre in der Garage stehen hat. Und plötzlich soll man mit ihm über die Autobahn brettern. Ich vergleiche das auch gerne mit der körperlichen Fitness: Wenn man kaum trainiert, kann man nicht von einem Tag auf den anderen Marathon laufen. Unsere Mitarbeiter­innen und Mitarbeiter saßen praktisch über Monate zuhause. Da wird man zwangsläufig bequemer. Außerdem hatten sich viele bereits einen Zweitjob gesucht. Als es wieder losging, war der Laden bei 99 Prozent Auslastung gleich richtig voll. Wir haben bis zu 140 feste Reser­vierungen pro Tag geschrieben. Da wurde mir klar: Es war die richtige Entscheidung, unsere Rezeption auch während des Lockdowns ausreichend besetzt zu halten. Schon im Mai dieses Jahres konnten wir spüren, dass Bewegung in die Buchungen kam.
Wie haben Sie den Lockdown als Unter­nehmer empfunden?
Mir persönlich hat der Lockdown ultra gut getan. Ich war mit einem Mal entschleunigt, hatte viel mehr Zeit, die ich für mich nutzen konnte. Denn ab 2014 hatte ich, zunächst in der Berghütte und dann mit dem Umbau des FRITZ, ständig Vollgas gegeben. Nach der Eröffnung des FRITZ in 2019 wollte ich mir ohnehin eine kleine Auszeit gönnen. Dass mir ausgerechnet Corona das Sabbatical bescheren würde, konnte ich da noch nicht ahnen.
Das größte Problem ist für viele Unternehmen in der Tourismus- und Veran­staltungs­branche der Fach- und Arbeits­kräftemangel. Leiden Sie auch schon darunter? Gibt es ein Rezept dagegen? Was kann ein Hotelier im Schwarzwald tun?
Auch wir spüren den Fach­kräfte­mangel schon enorm. Es ist schwierig, gute Leute zu finden. Das wirkungs­vollste Rezept ist, sich darüber klar zu werden: So wie du mit deinem Team umgehst, baust du dir deinen eigenen Stil auf, der dein Team prägt. Da wir schon immer gute Gehälter gezahlt haben, wissen wir auch: Das Geld spielt nicht die zentrale Rolle. Ein Hotelbetrieb ist wie eine große Familie. Man arbeitet zusammen, unternimmt auch mal was gemeinsam. Es macht den Spirit aus, den man vorlebt. Da entwickeln sich Freundschaften, die man pflegen muss. Deshalb sind wir schon ein bisschen stolz darauf, dass wir über die Pandemie alle halten und weiter­qualifizieren konnten. Da hat unsere Lauterbad Akademie mit Unter­stützung der IHK einen großen Anteil dran. Wobei wir vieles auch selber organi­siert haben. Die Lauterbad Akademie wurde bereits 2016 gegründet. Bei den ersten Schritten hat Sie die Tourismus Akademie der IHK unterstützt.
Wie ging es weiter? Was sind Ihre Ziele? Wie sieht das Programm aus, was wollen Sie trainieren?
Unsere Akademie wächst inhaltlich ständig weiter. Das Angebot reicht von Organi­sations­planung, über Persönlichkeitsentwicklung und Gästebetreuung bis zur Produkt­schulung. Event­planung und Software sind wichtige Themen. Für unsere Auszu­bildenden ist das Schulung­sangebot Pflicht. Für alle anderen ist die Teilnahme freiwillig. Regelmäßig fördern wir zudem Stipendiaten.
Seit vielen Jahren sind sie als Prüfer bei der IHK aktiv, aktuell sogar Vorsitzender des Prüfungs­ausschusses für die Hotel­kaufleute. Warum engagieren Sie sich?
Ich kann was zum Allgemein­wohl beitragen. Das ist mir wichtig, und deshalb mache ich das gerne. Außerdem macht es mir Spaß, die Leistungs­steigerung der Auszubildenden mitzuerleben. Es ist schön zu sehen, wie junge Leute in die Berufswelt einsteigen und sich bewähren. Dabei ist es mir auch wichtig, bei den Prüfungen für Ent­spannung zu sorgen, damit niemand mit Prüfungsangst vor uns sitzen muss.
Verraten Sie uns noch etwas über Ihr jüngstes Projekt „Black Forest Finest“? Das klingt zwar wie ein Gin aus dem Schwarzwald, doch was verbirgt sich tatsächlich dahinter?
Bei den Jobbörsen in den Schulen bin ich, vor allem in den Elterngesprächen, des Öfteren damit konfrontiert worden, wie schlecht eigentlich der Ruf der Gastro-Berufe ist. Dem müssen wir etwas entgegensetzen. Warum sollten wir nicht da ansetzen, wo auch die Industrie erfolgreich ist? Also habe ich mir ein Event für Schülerinnen und Schüler in unserer Berghütte überlegt, wo junge Leute mit unserer Unterstützung eine Veranstaltung planen und Gäste umsorgen. Damit wollte ich zeigen, wie schön und erfüllend Berufe in unserer Branche sein können. Die jungen Teilnehmer­innen und Teilnehmer sollten den Waren­einkauf, den Service und auch das Marketing übernehmen. Angedacht war zudem, dass sie alle zwei Wochen in einem Gastro­betrieb den beruflichen Alltag erleben. Viele Hoteliers haben sich hierbei beteiligt, doch dann hat uns Corona leider einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir haben das Projekt erstmal auf Eis gelegt und planen im nächsten Jahr einen Neuanfang. Ich bin ohnehin überzeugt davon, dass es besser wäre, wenn junge Leute vor dem Einstieg ins Studium eine Ausbildung absolvieren. Das würde nicht nur den Jugendlichen, sondern auch den Betrieben helfen.
von Werner Klein-Wiele

Hotelier Steffen Schillinger

Steffen Schillinger entstammt einer Hoteliers­familie im Freuden­städter Wellness­dorf Lauterbad. Seine Mutter führt dort seit vielen Jahren ein Wellness­hotel. Der 38-Jährige hat an der Dualen Hochschule in Ravensburg Hotel­manage­ment studiert und ist nach einem Ausflug in die internationale Hotellerie in den Familien­betrieb zurückgekehrt. 2016 ergab sich die Möglichkeit, das Zollern­blick zu erwerben, aus dem er ein modernes Design­hotel entwickelt hat. Für Steffen Schillinger, der auch die Berghütte Lauterbad führt, sind Wert­schätzung und Qualifizierung seiner Mit­arbeiten­den und der Auszu­bildenden ein wichtiges Anliegen.