IHK-Energietour Teil 3

Energie- und Mobilitätswende: Mehr Vielfalt statt Einfalt

Mobilität und Wärmeversorgung im Fokus beim Energielieferanten Wahr in Nagold

Nagold, 17.02.2023. Mehr Technologieoffenheit würde die Diskussion um die Mobilitätswende und die Energieversorgung gerechter machen. Darin sind sich Experten der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald mit den Führungskräften des Energielieferanten Wahr in Nagold einig.
„Um die Vielfalt in der Energieversorgung sichtbar zu machen, ist das Familienunternehmen Wahr genau die richtige Anlaufstelle“, betonte Carl Christian Hirsch, Mitglied der IHK-Geschäftsführung, im Rahmen der vierteiligen Energietour, die ihren dritten Halt auf dem Wolfsberg einlegte. Bei dieser Gesprächsreihe geht es darum, das Wissen um die Energieversorgung für die regionale Wirtschaft mit konkreten Beispielen zu vertiefen.
Deshalb standen die neuen, innovativen Energien im Mittelpunkt der Gesprächsrunde, an der neben Carl Christian Hirsch auch Oliver Laukel, IHK-Teamleiter für Umwelt und Energie, sowie Wolfgang, Bernd und Kevin Wahr teilnahmen. Bei dem Gedankenaustausch wurde schnell klar, dass es in Zeiten der Energiekrise durchaus Sinn ergibt, nicht nur die Elektro-Mobilität zu forcieren. Zusätzlich zur Wasserstofftechnologie ist auch die weitere Erforschung und vor allem der Ausbau der Produktion und die Akzeptanz synthetischer Kraftstoffe, sogenannter E-Fuels, ins Visier zu nehmen.

Technologieoffenheit gefragt

„Es wäre falsch, nur auf ein Pferd zu setzen“, warnte Laukel. „Auch wenn wir ein E-Ladesäulennetz planen, wird es mit batteriebetriebenen Antrieben allein zu Kapazitätsproblemen im Stromnetz kommen.“, ergänzte Geschäftsführer Wolfgang Wahr. Vor diesem Hintergrund sei es aus seiner Sicht falsch, die Technologieoffenheit zu blockieren, anstatt „offen für Neues“ zu sein und Alternativen früh ins Kalkül zu ziehen. Das könnten auch synthetische Kraftstoffe sein, die bereits in Pilotprojekten aus grünem Strom und Wasserstoff gewonnen werden. „Wenn wir es mit dem Klimaschutz wirklich ernst meinen, müssen wir global denken“, sind Laukel und Hirsch überzeugt. Allein mit Elektroantrieben werde man sich wieder stark von anderen Ländern abhängig machen.
Zudem ergebe es Sinn, den Kraftstoff dort zu produzieren, wo er gebraucht werde, argumentierte Hirsch. Also müsse grüner Wasserstoff auch in deutsche Raffinerien geholt werden, um dort E-Fuels zu erzeugen. Diese seien speicherfähig und transportabel, ergänzte Wolfgang Wahr, der darin auch für den Wärmebedarf eine Option sieht. Es brauche dafür keine neue Infrastruktur, das vorhandene Tankstellennetz lasse sich weiter nutzen.

Hydrierte Pflanzenöle aus Reststoffen

Ein Beispiel dafür seien die bereits im Einsatz befindlichen hydrierten Pflanzenöle (HVO). Diese biobasierte Technologie setze auf Reststoffe, die synthetisch verarbeitet werden, und das Produkt sei zu 90 Prozent CO2-neutral. Das Unternehmen Wahr liefert bereits HVO in größeren Mengen unter anderem an die Deutsche Bahn für deren Betrieb einer Strecke in Oberschwaben.

Verbrenner noch lange Zeit auf der Straße

E-Fuels könnten zunächst dem herkömmlichen Kraftstoff beigemischt werden und auf diese Weise sogar kurzfristig zur CO2-Reduzierung beitragen, jedenfalls könnten sie zumindest eine wichtige Übergangstechnologie darstellen. Das Europäische Parlament habe zwar jüngst ohne abschließende Klärung der Bedeutung für E-Fuels beschlossen, dass ab 2035 in der EU nur noch Neuwagen verkauft werden sollen, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen, gleichwohl seien viele Verbrennermotoren weltweit freilich noch gut 30 Jahre unterwegs, vor allem im Schwerlastverkehr.

Gesetzgebung auf EU- und Bundesebene darf nicht diskriminieren

Wer E-Fuels die Effizienz abspreche, räumte Wahr mit einem Argument auf, der müsse jedoch auch sehen, dass Sonnen- und Windkraft in unfassbar großem Potenzial nutzbar seien. Die Volatilität, die Speicherfähigkeit und der Energieimport seien aber eben die zu lösenden Herausforderungen. Carl Christian Hirsch zog daraus ein pragmatisches Fazit: „Solche neuen Energieformen sollten zumindest nicht diskriminiert werden. Hier ist auch bei der aktuellen Novellierung des Bundesimmissionsschutzrechts endlich Vielfalt statt Einfalt gefragt!“