Beschaffung bei der Bundeswehr und NATO

Die militärische Beschaffung ist ein zentraler Bestandteil der Sicherheitsvorsorge. Sie umfasst die Planung, Entwicklung, Beschaffung und Nutzung von Ausrüstung, Waffen, IT-Systemen und Infrastruktur. Ziel ist es, die Bundeswehr und NATO-Streitkräfte in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung sowie in internationalen Einsätzen zu erfüllen.

Nationale Beschaffung (Bundeswehr)

1. Zuständige Institutionen

Die folgenden Institutionen sind für die Beschaffung bei der Bundeswehr zuständig:
  • Bundesministerium der Verteidigung (BMVg): strategische Planung und Steuerung.
  • BAAINBw (Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr): zentrale Beschaffungsbehörde mit Sitz in Koblenz.
  • BAIUDBw (Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr)
  • Haushaltsausschuss des Bundestags: muss bei Projekten über 25 Mio. € zustimmen.

2. Vergabeverfahren

Die Bundeswehr nutzt verschiedene Vergabearten, abhängig vom Auftragswert und der Komplexität:
  • Öffentliche Ausschreibung – für alle zugänglich.
  • Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb – Vorauswahl geeigneter Anbieter.
  • Verhandlungsverfahren – bei komplexen oder sicherheitsrelevanten Projekten.
  • Direktvergabe – in Ausnahmefällen, z. B. bei Dringlichkeit.
Die Verfahren erfolgen über die e-Vergabe-Plattform des Bundes.

3. Ablauf des Beschaffungsprozesses

  1. Bedarfsfeststellung durch die Truppe.
  2. Projektplanung durch das BMVg und BAAINBw.
  3. Markterkundung und Ausschreibung.
  4. Vertragsabschluss nach Zustimmung des Bundestags.
  5. Lieferung, Erprobung und Nutzung.

4. Voraussetzungen für Unternehmen

Unternehmen, die sich bewerben möchten, müssen:
  • Registriert sein auf der e-Vergabe-Plattform.
  • Zuverlässigkeit, Fachkunde und Leistungsfähigkeit nachweisen.
  • Sicherheitsanforderungen erfüllen (z. B. Geheimschutz bei sensiblen Projekten).
  • Technische Normen und Qualitätsstandards der Bundeswehr einhalten.

5. Aktuelle Entwicklungen 2025

Die Bundeswehr steht vor folgenden aktuellen Entwicklungen im Jahr 2025:
  • Sondervermögen zur Modernisierung der Streitkräfte.
    • Fokus auf:
      • Digitalisierung der Führungssysteme,
      • Luftverteidigung (z. B. Arrow 3),
      • Munitionsproduktion,
      • Transport- und Kampffahrzeuge (z. B. Puma, Boxer),
      • Drohnen und Cyberabwehr.
      • Reformpläne zur Beschleunigung der Verfahren und Bürokratieabbau.

6. Einstieg für Unternehmen

Unternehmen, die sich für Aufträge bei der Bundeswehr interessieren, sollten folgende Schritte beachten:
  1. Informationsbeschaffung: über bundeswehr.de und IHK.
  2. Registrierung auf e-Vergabe.
  3. Teilnahme an Ausschreibungen.
  4. Netzwerken mit etablierten Zulieferern.
  5. Beratung durch Industrieverbände (z. B. BDSV, BDLI).

Internationale Beschaffung (NATO)

1. NATO-Beschaffungsagenturen

NSPA (NATO Support and Procurement Agency)

Zuständig für: Logistik, Wartung, Ersatzteile, Infrastruktur, technische Dienstleistungen.
Verfahren: Internationale Ausschreibungen (ICB – International Competitive Bidding).
Registrierung: Über die NSPA Procurement Website

NCIA (NATO Communications and Information Agency)

Zuständig für: IT, Kommunikation, Cyberabwehr.
Verfahren: Rahmenverträge (BOA – Basic Ordering Agreements) für nicht-militärische Ausrüstung.
Registrierung: Über das NEO e-Procurement-Portal der NCIA.
Voraussetzung: „Declaration of Eligibility“ durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).

2. Voraussetzungen für Unternehmen

Um sich für NATO-Aufträge zu qualifizieren, müssen Unternehmen:
  • Aus einem NATO-Mitgliedsstaat stammen.
  • Eine Eignungserklärung („Declaration of Eligibility“) vom BAFA erhalten.
  • Ihre Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit nachweisen (über die IHK).
  • Sicherheitsanforderungen erfüllen (z. B. Geheimschutz, NATO-Standards wie STANAGs).
  • Sich auf den jeweiligen Plattformen registrieren (NSPA oder NCIA).

3. Verfahren zur Auftragsvergabe

  • ICB (International Competitive Bidding): Offene Ausschreibungen für größere Projekte.
  • BOA (Basic Ordering Agreement): Rahmenverträge für wiederkehrende Leistungen.
  • Limited Bidding: Bei Spezialanforderungen oder sicherheitsrelevanten Projekten.

4. Aktuelle Entwicklungen 2025

  • Verdopplung der Militärausgaben vieler NATO-Staaten führt zu Investitionsschub.
    • Fokus auf:
      • Autonome Systeme (z. B. Zetros-Lkw mit KI).
      • Cyberabwehr und Digitalisierung.
      • Luftverteidigung und Munitionsproduktion.
      • Industriekooperationen mit Start-ups und Hightech-Firmen (z. B. ARX Robotics, SAP, Siemens).

5. Einstieg für Unternehmen

  1. Informationsbeschaffung: Über IHK, BAFA, NATO-Websites.
  2. Eignungserklärung beantragen: Über das Wirtschaftsministerium des Bundeslandes.
  3. Registrierung bei NSPA oder NCIA.
  4. Teilnahme an Ausschreibungen.
  5. Netzwerken: Kooperation mit etablierten NATO-Zulieferern.

Europäische Kooperation

Die europäische Zusammenarbeit in der Verteidigungsbeschaffung wird immer wichtiger, um Synergien zu nutzen und Kosten zu senken.

Wichtige Initiativen

  • EDIRPA (European Defence Industry Reinforcement through Common Procurement Act): Förderung gemeinsamer Beschaffung.
  • ASAP (Act in Support of Ammunition Production): Ausbau der Munitionsproduktion.
  • EDIS (European Defence Industrial Strategy): strategische Ausrichtung der EU-Verteidigungsindustrie.

Herausforderungen und Ausblick

Die militärische Beschaffung steht vor zahlreichen Herausforderungen, darunter Bürokratie, Industrieengpässe und langsame Haushaltsfreigaben. Reformen, Digitalisierung und europäische Kooperation sind entscheidend, um die Verteidigungsfähigkeit angesichts globaler Bedrohungen zu sichern.

Reformen und Maßnahmen

  • Bürokratieabbau: Reformen zur Beschleunigung der Verfahren.
  • Industriekooperation: Stärkere europäische Zusammenarbeit.
  • Transparenz und Kontrolle: Stärkere parlamentarische Kontrolle großer Projekte.

Checkliste für Unternehmen: Bewerbung um Aufträge bei der Bundeswehr und NATO

Diese Checkliste soll Unternehmen dabei helfen, sich erfolgreich um Aufträge bei der Bundeswehr und NATO zu bewerben. Sie enthält wichtige Punkte wie Registrierung, Voraussetzungen, Plattformen, Sicherheitsanforderungen und Tipps.

1. Registrierung

2. Voraussetzungen

  • Nachweis von Eignung, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit
  • Einhaltung von Sicherheitsanforderungen (z. B. Geheimschutz)
  • Sicherheitsüberprüfung bei sensiblen Projekten (z. B. VS-Vertraulich)
  • Nachweis über Erfahrung und Leistungsfähigkeit bei NATO-Projekten
  • Einhaltung von NATO-Standards (z. B. STANAGs)

3. Plattformen

4. Sicherheitsanforderungen

  • Einhaltung von Geheimschutzanforderungen
  • Sicherheitsüberprüfung bei sensiblen Projekten
  • Sicherheitszertifizierungen und ggf. Geheimschutz bei NATO-Projekten

5. Tipps für Unternehmen

  • Frühzeitige Marktbeobachtung und Teilnahme an Informationsveranstaltungen
  • Aufbau von Partnerschaften mit etablierten Rüstungsunternehmen
  • Nutzung von Rahmenverträgen und Unteraufträgen
  • Beratung durch Industrieverbände (z. B. BDSV, BDLI)

*Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit

**Quelle: IHK Region Stuttgart