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Der Ma­schinen- und An­lagen­bau gilt als Treiber der Digi­tali­sierung des In­genieur­wesens. Ohne IT-Know-how geht nichts.

Fachkräfte ver­zweifelt ge­sucht

18.06.2021. Der Konzern BMW stellt bereits ähnlich viele IT-ler wie Maschinen­bau­ingenieu­rinnen und -ingenieure ein – und auch die müssen selbs­tredend digital denken. Verzweifelt gesucht sind in der Industrie auch Fachkräfte für Embedded-Systeme, Menschen, die leistung­sfähige Bauteile und zuver­lässige Software  entwickeln. Wie im Brenn­glas zeigt sich am Maschinen­bau, wohin die Reise für Ingenieu­rinnen und Ingeni­eure geht. Und auch, was in der Aus­bildung schief läuft. Denn weder Absol­ventinnen und Absolventen noch Arbeitgeber­innen und Arbeit­geber sind sonderlich glücklich über ihre eher schwach ausgeprägten digitalen Kompetenzen, wie zuletzt auch die VDI-Studie „Ingenieur­ausbildung für die Digitale Trans­formation“ zeigte.

Ingenieur­ausbildung hinkt dem digit­alen Fort­schritt hinter­her.

„Die Ingenieur­ausbildung hinkt dem digitalen Fortschritt hinterher. Hierbei steht weiterhin Nach­holbedarf“, sagt Ingo Rauhut, Geschäfts­führer Fach­beirat Beruf und Arbeits­markt im VDI. Die „digitale Trans­formation“ an den Hoch­schulen lasse weiter auf sich warten, bedauert Rauhut. Einen Grund dafür sieht er auch darin, dass es in den Professuren gewisse „Be­wahrungs­tendenzen“ gebe: „Wenn jeder sein bisher gespieltes Thema weiterhin für un­verzicht­bar hält, wird es schwer, neue digitale Module in die Curri­cu­la einzubauen.“ Ein Um­stand, den Stu­dierende schon seit Jahren be­mängel­ten. Dabei sei das Thema mit „Industrie 4.0“ schon seit der Han­nover Messe 2011 in der Welt, bemerkt Franziska Šeimys, Referentin für Bildungs­politik beim VDMA: „Seitdem beobachten wir eine kontinu­ierliche Entwick­lung der Unternehmen des Maschinen­baus in Richtung digital gestützter Produktion und interner sowie externer digitaler Ver­netzung.“ Der Maschinen- und Anlagenbau stehe im Zentrum der Indus­trie-4.0-Bewegung und Kon­nektivi­tät sei eine Schlüssel­techno­logie. Damit wird er gewisser­maßen zum Trendsetter für das gesamte Ingenieur­wesen. Für Frank Karcher, Personal­leiter bei Tata Consultan­cy Services Deutschland, sind daher Maschinen- und Anlagen­bauer Vor­reiter bei der Nutzung digitaler Techno­logien und Prozesse. Laut einer Studie des IT-Dienst­leisters Tata sind neun von zehn Maschinen- und Anlagen­bauer offen für digitale Technologien und Neuerungen. Im Branchen­schnitt sind es 85 Prozent. Jedes zweite Unter­nehmen nutze Robotik oder 3D-Druck. Mehr als jeder zweite Maschinen- und Anlagen­bauer ist überzeugt, dass künstliche Intelligenz eine Schlüssel­techno­logie für die eigene Wett­bewerbs­fähigkeit ist.

Als wichtigste gilt die Fähig­keit, Daten zu analy­sieren und zu inter­pre­tieren.

Fakten, die für die geforderte Fach­kompetenz von Ingenieu­rinnen und Ingeni­euren Folgen haben: Als wichtigste gilt die Fähig­keit, Daten zu analy­sieren und zu inter­pre­tieren. „Doch diese bringen Mit­arbeitende in nur 66 Prozent der Unter­nehmen in zufrieden­stellendem Maße mit“, zitiert Karcher aus der Studie. Auch Rauhut sieht hier in die Schlüssel­quali­fikation der Zukunft: „Es kommt darauf an, nicht nur zu wissen, wie man Daten erhebt, sondern auch, was man damit anfangen kann.“ Um die Attrak­tivität der In­genieur­studien­gänge im Zeitalter des digitalen Wandels zu erhalten, sollten Inhalte wie Machine Lear­ning  künst­liche Intelli­genz, neuronale Netze, aber auch Bild­verarbeitung Teil des Studiums sein. Das fordert Bernd Königs­berger, Delivery Director und People Unit Manager im Bereich DCX bei Cap Gemini, der selbst Maschinen­bau­ingenieur ist. Mehr noch: „Im Studium selbst können mit Methoden, die auch in der IT verwendet werden, erstaunliche Ergeb­nisse erzielt werden“, sagt Königs­berger. So hätten an der RWTH Aachen z. B. eher fach­fremde Studie­rende in einem Hacka­thon durch den Einsatz von Machine Learning für die System­simulation Resul­tate erzielt, die dann in einer eigenen Arbeits­gruppe zum Thema Internet of Produc­tion weiter­entwickelt wurden. Doch an solchen Bei­spielen mangelt es noch. Insbesondere die In­te­grati­on neuer fach­licher Inhalte stelle eine große Heraus­forderung dar, sagt Šeimys: So gebe es kaum struktu­rierte Ent­scheidungs­prozesse, durch die neue Inhalte definiert und alte gestrichen werden können. Zudem erweise sich durch ad­minis­trative Hürden die fakul­täts- und fach­bereichs­übergreifende Studien­orga­nisation als schwierig: „Vielfach dominiert in den Fach­bereichen und Fakultäten ein fach­bezogenes Silo­denken“, bedauert auch Šeimys. „Die Ver­netzung, vor allem auch in der Lehre, muss besser werden.“ Über dies müssten Ingenieu­rinnen und Ingeni­eure in der Industrie 4.0 laut Šeimys verstärkt in Pro­zessen und Systemen denken und Kenntnisse über andere Arbeits­bereiche haben; sie müssen also in der Lage sein, die Sichtweisen anderer Diszi­plinen zu berück­sichtigen: „Über fachliche Kompe­tenzen wie ana­ly­tisches Denken, der Umgang mit Komplexi­tät oder auch Lern­fähigkeit waren immer schon wichtig, gewinnen aber aktuell durch Indus­trie 4.0 nochmals an Bedeutung.“ Daran schließt Frank Karcher von Tata eine weitere Forderung an: „So wie sich die Techno­logien verändern, die im Unter­nehmen eingesetzt werden  sollten sich auch die Projekt­management­methoden verändern. Die Digitali­sierung erhöht das Ver­änderungs­tempo, agile Methoden sind ein Schlüssel, das eigene Tempo ebenfalls zu erhöhen.“ Das sieht Königsberger ähnlich: „Uni­versi­täten sollten den heutigen Ent­wicklungs­stand von Methoden zur Team­arbeit und Agilität in die Lehr­methodik inte­grieren.“ Spätestens im Job sollten Ingenieu­rinnen und Ingeni­eure, auch Einsteiger, durch Fort- und Weiter­bildungen Ingeni­eure in Sachen agiles Arbeiten befähigt werden.
Von Chris Löwer, VDI Wissens­forum GmbH