Titelthema

„Wir haben einen neuen Weg eingeschlagen, strikt ausgerichtet auf die Unternehmen und Kunden“

Hier Tradition und Geschichte, dort Zeitenwende und nahezu täglich neue Herausforderungen für die Akteure der Wirtschaft in der Region. Alexander Schreiner kennt beides. Genau im Jubiläumsjahr kann der IHK-Hauptgeschäftsführer auf 25 Jahre bei der Industrie- und Handelskammer zurückschauen. Heute richtet sich sein Blick jedoch gezielt nach vorn auf die Veränderungen und die strategische Neuausrichtung der IHK.

IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner

Von 175 Jahren IHK Niederbayern haben Sie 25 Jahre mit begleitet. Wie blicken Sie auf die Zeit von 1998 bis heute?

Als ich vor 25 Jahren meine IHK-Karriere als Referent für Existenzgründung und Finanzierung gestartet habe, war die Struktur Niederbayerns noch eine ganz andere. 1998 hatte unsere IHK rund 50.000 Mitgliedsbetriebe, heute sind es fast doppelt so viele. Wie sich der Wirtschaftsraum Niederbayern in diesen 25 Jahren und darüber hinaus entwickelt hat, ist atemberaubend. Niederbayern ist heute ein bedeutender Industriestandort. Die Mischung aus Weltkonzernen und mittelständischen, oft familiengeführten Betrieben macht den Standort stark. Doch diese Stärke, die erreichten Erfolge, sind heute in Gefahr. Wir verlieren gerade in vielen Bereichen unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit. Die Betriebe brauchen deshalb eine klare und starke Stimme, um ihre Interessen zu vertreten. Dafür steht die IHK.

Worauf liegt derzeit der Fokus der politischen Arbeit der IHK?

Die IHK hat ihre Basis in der Region, und wir haben ein Wahljahr in Bayern. Daher liegt der Fokus der bayerischen IHKs 2023 klar auf der Landtagswahl. Wir haben in enger Zusammenarbeit mit den Betrieben bayernweite Positionen mit konkreten Lösungsansätzen zu den drängenden Problemen und Herausforderungen der Wirtschaft erarbeitet. Damit gehen wir an die Politik heran und werden auch eine neue Staatsregierung daran messen. Die Wirtschaft hat einen wesentlichen Anteil an der Stärke Bayerns als Bundesland – doch durch politische Fehlentscheidungen werden wir aktuell dieser Stärke beraubt. Viele dieser Entscheidungen werden in Berlin und Brüssel getroffen, deswegen braucht die Wirtschaft auch hier eine starke Stimme: das ist die Deutsche Industrie- und Handelskammer, in deren Arbeit wir wiederum Positionen und konkrete Beispiele aus den niederbayerischen Unternehmen einbringen.

Stichwort Bildung: Welche Bedeutung hat die berufliche Bildung für die IHK? Wie geht es hier in Zukunft weiter?

Die IHK steht für die berufliche Bildung wie sonst keine andere Institution. Das zeigt sich auf der einen Seite in den wichtigen hoheitlichen Aufgaben. Dazu gehört die gesamte Organisation der beruflichen Bildung, gemeinsam mit den Ausbildungsbetrieben und Berufsschulen als Partner in der dualen Bildung, sowie das Prüfungswesen in Aus- und Fortbildung. Auf der anderen Seite stehen Service und Beratung rund um die Berufsbildung: für die Unternehmen, aber etwa auch für Auszubildende, Weiterbildungsinteressierte oder Eltern und Lehrer. Jeden Tag sind die Ausbildungsberater sowie Bildungs- und Fachkräfteberater der IHK im Bezirk unterwegs, es gibt Netzwerke und Veranstaltungsreihen für Unternehmer und Personalverantwortliche und natürlich treten wir auch in der politischen Arbeit sowie in der Öffentlichkeit dafür ein, dass der beruflichen Bildung in Politik und Gesellschaft der hohe Stellenwert zukommt, den sie verdient. Deswegen sind wir überzeugt, dass die berufliche Bildung ein wichtiger Faktor bei der Bewältigung des Fachkräfteproblems sein muss – und die Zahlen aus der Wirtschaft geben uns recht. Es sind die Kräfte aus der beruflichen Bildung, die in den Unternehmen am meisten fehlen. Jede Anstrengung in diesem Bereich kommt daher sehr direkt den niederbayerischen Betrieben zugute.

Wie machen Sie die IHK fit für die nächsten 25 Jahre?

Wir haben bereits einen neuen Weg eingeschlagen, strikt ausgerichtet auf den Nutzen für die Mitgliedsbetriebe. Diesen bereits erfolgreichen Weg wollen wir weiterdenken und ausbauen. Wie jeder andere Betrieb muss auch die IHK sich positiv verändern und dabei auf das Fundament ihrer Mitarbeiter bauen. Deswegen haben wir uns in der Geschäftsführung vier strategische Punkte gesetzt. Erstens: die eigenen Stärken ausbauen, ein attraktiver Arbeitgeber sein und damit die richtigen Kräfte finden und binden. Zweitens: noch mehr als Netzwerkpartner in der Region auftreten, die Zusammenarbeit und den Austausch der niederbayerischen Unternehmen untereinander fördern, um sie zusammenzubringen und voneinander zu lernen. Drittens wollen wir erster Ansprechpartner für alle Fragen der Betriebe sein. Und viertens wollen wir unsere Region weiter stärken, im dauerhaften Austausch mit unseren Unternehmen, und deren Anliegen und Herausforderungen deutlich an die Politik tragen.
Insgesamt fließt das alles ein in den Grundansatz, der die IHK seit 175 Jahren prägt: Die IHK ist eine Organisation von Unternehmen, für Unternehmen. Das bedeutet, dass die IHK so flexibel und so agil bleiben muss, wie ihre Betriebe selbst, um mit den sich ständig verändernden Anforderungen in der Region und in der Wirtschaft Schritt zu halten und diese in ihren Beratungsansatz zu integrieren. Wir bleiben also nicht nur am Puls der Zeit, sondern fühlen auch den Herzschlag der Unternehmen.