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Wasserstoff und „bürokratischer Klimbim“

Die Unternehmer trafen auf „ihren“ Minister: Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger stellte sich in der IHK-Vollversammlung den Fragen und Forderungen der Wirtschaft. Auch in den gefassten Beschlüssen wurde die Vollversammlung ihrer politischen Funktion gerecht.
Energiekrise, Steuer- und Bürokratiebelastung, Arbeitskräftemangel: Niederbayerns Wirtschaft hat in vielen Themenfeldern klare Forderungen an die Politik – gleichzeitig wächst die Unzufriedenheit mit den politischen Entscheidungen aus Brüssel oder Berlin. Um hier auf Landesebene einzuwirken und die Politik mit den Positionen der Wirtschaft zu konfrontieren, haben die Unternehmer der Vollversammlung der IHK Niederbayern den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger zu ihrer vergangenen Sitzung in Passau eingeladen.
IHK-Präsident Thomas Leebmann formulierte hier, was sich die Wirtschaft von „ihrem“ Minister erwartet: „Wir fordern, dass sich Bayern einbringt, um zu tragbaren, zukunftsfähigen und vor allem wirtschaftsfreundlichen Lösungen zu kommen. Und wir hoffen, dass die Staatsregierung die eigenen Spielräume noch mehr nutzt und sich für die mittelständische Wirtschaft einsetzt – schließlich hat diese einen wesentlichen Anteil an der Stärke Bayerns.“
Beispielhaft sprach Leebmann das Thema der Energieversorgung an, gerade auch mit Blick auf den kürzlich vollendeten deutschen Atomausstieg: „Wir verabschieden uns von einer für die Stromversorgung des Industriestandortes Niederbayern wichtigen, stabilen, CO₂-armen Energiequelle, ohne vorher ausreichende und zuverlässige Versorgungsalternativen aufgebaut zu haben.“ Es fehle an allem, erläuterte Leebmann, an Versorgungskapazität, Netzen und Speichern. „Die bayerische Wirtschaft braucht klare und realistische Konzepte, wo die benötigte Energie herkommen soll, wie die Netze nach Bayern und in Bayern noch schneller ausgebaut werden können und zu welchen Preisen die Energie für Industrie und Gewerbe zur Verfügung stehen wird“, betonte der IHK-Präsident.
Darauf konnte Aiwanger direkt reagieren. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien komme insbesondere Bayern gut voran und sei mit Ausnahme der Windkraft bereits jetzt bundesweit führend. Um unter anderem für die im Wirtschaftsraum Niederbayern so wichtige Industrie Versorgungssicherheit zu bezahlbaren Preisen zu erreichen, müsse aber Wasserstoff noch viel stärker gefördert werden: „Wir sollten das deutsche Gasnetz für den Wasserstofftransport nutzen, um der Wirtschaft eine Energiesicherheit zu bieten“, verdeutlichte der Minister. Weiter ging er auf das Problemfeld Bürokratie ein: „Deutschland sitzt in der Perfektionismusfalle. Die Folge ist eine enorme Bürokratiebelastung für bayerische und deutsche Unternehmen. Dieser bürokratische Klimbim belastet den Wirtschaftsstandort enorm.“ Auch hier lasse die Bundesregierung viele Chancen liegen, beispielsweise mit Blick auf Beschäftigung und Arbeitskräftemangel: „Wir brauchen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und eine Steuerentlastung. Warum dürfen Menschen nicht länger arbeiten als die vorgeschriebene Tagesarbeitszeit, wenn sie es wünschen? Warum dürfen Rentner nicht bis 2.000 Euro steuerlich etwas dazuverdienen? Arbeit muss sich lohnen und nicht bezuschusst werden.“ Im anschließenden Austausch mit dem Minister gingen die Unternehmer noch einmal genauer auf einige Punkte ein – und formulierten ihre Forderungen. Aiwangers Fazit war letztlich positiv: „Es braucht mehr Optimismus in schwierigen Zeiten.“
Der Beschlussteil der Vollversammlung nahm die politische Ausrichtung der IHK wieder auf. Einstimmig verabschiedeten die Vollversammlungsmitglieder umfassende europapolitische Positionen und ein Forderungspapier mit konkreten Ansätzen, um die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland zu erleichtern und zu beschleunigen. Ebenfalls auf der Tagesordnung standen die bayernweiten Positionen der Wirtschaft zur Landespolitik, mit denen sich die Industrie- und Handelskammern in den laufenden Landtagswahlkampf einschalten und an denen sie das Regierungsprogramm einer neuen Staatsregierung messen wollen.