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Rock your Recruiting

Viele Unternehmen sind ratlos, weil die klassischen Maßnahmen der Personalgewinnung nicht mehr zum Erfolg führen. Sie suchen moderne und wirksame Recruitingkonzepte. Im Arbeitsalltag fehlen dafür oft Zeit und Impulse. Die IHK-Akademie zeigte in ihrem Workshop mit Innovationstrainer Martin Gaedt innovative Wege und Methoden für die Gewinnung von Fachkräften auf.
Wenn der Referent auf der Leiter steht, Dutzende Papierkugeln durch die Luft fliegen und Kursteilnehmer Papierflieger bauen oder in acht Minuten 400 neue Werbe-Schlagworte erfinden, ist „Provotainer“ Martin Gaedt am Werk. Der bekannte Buchautor ist mit seinen Trainings und Büchern wie „Mythos Fachkräftemangel“ und „Rock your Idea“ seit zehn Jahren erfolgreich im Mittelstand unterwegs. Die IHK-Akademie Niederbayern ermöglichte interessierten Personalverantwortlichen und Unternehmern einen Workshop mit dem Erfolgstrainer und die 60 Teilnehmer verbrachten einen einzigartigen Tag bei der IHK. Immer noch setzt die Mehrheit der Unternehmen auf standardisierte Bewerbungsabläufe und Stellenanzeigen voller Floskeln. In Zeiten des Fachkräftemangels lassen sich Bewerber aber so nicht mehr locken, gefragt ist Andersdenken und Kreativität.
Es gibt keinen Fachkräftemangel, nur einen Aufmerksamkeitsmangel
Wer ein Magnet für Fachkräfte sein will, muss anziehen und erlebbar werden, ist sich Gaedt sicher. Sein Credo: Wer macht, was alle machen, bekommt, was alle bekommen. „Es gibt keinen Fachkräftemangel, nur einen Aufmerksamkeitsmangel für Eure Firma“, lautet eine der herausfordernden Thesen des Geschäftsführers der „Provotainment GmbH“.
Tatsächlich lieferte der Coach dann 100 konkrete Tipps, um die Sichtbarkeit von Unternehmen zu steigern. Die Teilnehmer entwickelten in 16 Aufgaben gemeinsam ebenfalls Dutzende eigene innovative Ideen, die sie unmittelbar für ihr Recruiting einsetzen können. „Wer einen neuen Buchhalter sucht, könnte doch bei Rechnungen mal drei Cent zu viel überweisen. Derjenige, der sich als Erster bei Ihnen meldet, wäre doch ein guter Kandidat für Sie – schnell, ehrlich und nett. Machen Sie ihm ein Angebot“, sagte Gaedt augenzwinkernd. Als Unternehmen generell anders zu sein, kann auch ein Schlüssel zum richtigen Recruiting sein. So nannte Gaedt als Erfolgsbeispiel einen Bäckereibetrieb, der kategorisch nur an vier Wochentagen und ab 14 Uhr backt. Die Mitarbeiter seien hoch motiviert, die Produkte großartig und die Kunden hätten sich bei dieser Produktqualität gerne auf die geänderten Zeiten eingestellt. Ein Pflegeunternehmen in den Niederlanden – fünfmal hintereinander zum attraktivsten Arbeitgeber des Landes gewählt – hat die komplette Verwaltung abgeschafft und in die Hände der Mitarbeiter selbst gelegt. So organisieren sich die Angestellten ihre Dienste und Schichtzeiten nach ihren Bedürfnissen und die Bewerberliste dort ist endlos. „Legen Sie sich zur Erinnerung einen Hammer auf den Schreibtisch und schaffen Sie sich Raum für Neues! Streichen Sie!“ riet Gaedt.
Die Zahl der Bewerber sage heute auch nichts mehr über die Qualität eines Unternehmens aus, erklärte er den Teilnehmern: „Einer, also der Richtige am richtigen Ort, reicht doch aus!“ Wichtig sei hier, den Bewerbungsprozess möglichst unaufwendig zu gestalten: „Wir erwarten doch heute alle die Ein-Klick-Lösung für alles“. Mit jedem weiteren Klick verliere das ausschreibende Unternehmen mögliche Bewerber.
„Gehen Sie auch mal auf die Straße und fragen Sie zehn Leute, ob die Ihr Unternehmen kennen. Und denken Sie dann mal darüber nach, dass Unbekannte schlicht keine Bewerbungen bekommen können“, leitete Gaedt in den Workshopteil „Unternehmen als Marke“ ein. Ein Betrieb aus Gaedts Beispielliste hatte ein Luxusauto an einem Kran aufgehängt und erreichte dadurch große Aufmerksamkeit. Ein Arbeitgeber auf Azubi-Suche titelte erfolgreich: „Bei Anruf Ausbildung“. Auch ein ungewöhnlicher Aufruf in den Sozialen Medien könne helfen oder ein wiedererkennbares Gesicht als Firmenbotschafter, schlug Gaedt vor. Ungewöhnliche Wege zu gehen sei generell das Erfolgsgeheimnis: „Wer sagt denn, dass Azubis jung sein müssen?“ So habe eine Firma bewusst über 50-jährige Auszubildende gesucht – und gefunden. Da nur 36 Prozent aller Studenten ihre wissenschaftliche Laufbahn beenden, sei dies auch ein großer Bewerbermarkt. „Eine Firma schrieb ganz explizit, dass sie ausschließlich Studienabbrecher ausbildet. Die sind älter, reifer und brechen ganz bestimmt nicht die Lehre ab, weil sie studieren möchten“, warf Gaedt in die Runde. Ungewöhnlich, aber durchaus wirkungsvoll sei auch der Weg von Kooperationen zwischen Organisationen oder Betrieben. So erreiche jeder mehr potenzielle Kunden – und eben Bewerber. Auch branchenübergreifend könne dies zum Sichtbarwerden auf dem Bewerbermarkt verhelfen.

Hingehen, wo die Bewerber sind

Dort hinzugehen, wo sich mögliche Arbeitnehmer finden lassen, ist aus Sicht des Referenten auch ein wirksamer Weg. „Den Möbelpacker finden Sie vielleicht im Fitnessstudio, den Paketzusteller auf der Kartbahn“, sagte Gaedt. Bei Vereinen nachzufragen oder mit einem Belohnungssystem im Sinne von „kommen Sie als Möbelpacker zu uns, dann gibt es einen Umzug gratis“, hält der Referent ebenfalls für erfolgversprechend. „Der Tag war unglaublich spannend und ergiebig. Ich nehme mindestens zehn neue Ideen für unser Recruiting mit“, fasste eine Teilnehmerin ihren „Arbeits“-Tag in Passau zusammen.

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