Aktuell

Compliance und Schutz von Whistleblowern (Hinweisgebern)

I.  Compliance

Allgemeines

Aus der stark von Anglizismen geprägten betriebswirtschaftlichen Fachterminologie hat seit einigen Jahren der Begriff „Compliance“ Eingang auch in den hiesigen Sprachgebrauch - vor allem im Wirtschaftsleben - gefunden. Compliance lässt sich übersetzen als (Regel-) Befolgung, (Regel-)Einhaltung bzw. (Regel-)Treue und definieren als Summe aller Maßnahmen, die zur Einhaltung gesetzlicher Regelungen sowie ungeschriebener - auch selbst gegebener - Verhaltensrichtlinien erforderlich sind. Dabei kommt der Wahrung von Sitte und Anstand eine hohe Bedeutung zu. Im unternehmerischen Kontext dient Compliance vor allem dazu, wirtschaftskriminellen Handlungen sowie Haftungs- und Schadenersatzansprüchen Dritter vorzubeugen und die Reputation des Unternehmens sowie das in dieses gesetzte Vertrauen zum Wohl der aktuellen und künftigen Geschäftsbeziehungen zu fördern und zu bewahren. Risiken in Form von Sanktionen und Rufschädigungen sollen abgewendet und dabei soll zugleich die Außenwirkung des Unternehmens verbessert werden.

Compliance und gesetzliche Regelungen

Die Einhaltung gesetzlicher Regeln ist in einem demokratisch verfassten Rechtsstaat eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Daher gehört auch die Überwachung der Einhaltung aller einschlägigen nationalen und internationalen Gesetze des privaten, des öffentlichen und natürlich auch des Strafrechts zu den Anforderungen an korrektes unternehmerisches Handeln. Während zivilrechtliche Verstöße zumeist Schadenersatzansprüche auslösen, führt strafrechtlich relevantes Verhalten (z.B. Betrug, Untreue, Bestechung bzw. Bestechlichkeit, Geldwäsche, Insiderhandel etc.) zur Strafbarkeit der Handelnden und ggf. auch der Unternehmensführung.
Eine besondere Bedeutung kommt Compliance im Arbeitsrecht zu. Bei allen arbeitsrechtlichen Maßnahmen ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu beachten. Dieses wiederum findet eine spezielle Ausprägung in den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Zulässig ist etwa die Einsichtnahme in die Personalakte eines Arbeitnehmers zu betriebsinternen Ermittlungszwecken, wenn diese berechtigt sind und es hierbei gerade auf Informationen aus der Personalakte ankommt. Zulässig ist dann auch eine Befragung des Mitarbeiters. Ein sog. Screening, also ein systematisches Abgleichen von Mitarbeiter- und Lieferantendaten, ist dagegen ebenso unzulässig, wie das verdachtsunabhängige Observieren.
Spezialgesetzlich normierte Rechtsgrundlagen von Compliance finden sich ferner in § 33 Wertpapierhandelsgesetz und § 25a Kreditwesengesetz. Nach § 33 WpHG sind angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die Kontinuität und Regelmäßigkeit der Wertpapierdienstleistungen zu gewährleisten. § 25a KWG verlangt vom Kreditinstitut eine „ordnungsgemäße Geschäftsorganisation“, um die Einhaltung der vom Institut zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten sicherzustellen. Verstöße können Schadenersatzansprüche auslösen bzw. sogar strafrechtlich relevant sein. § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen enthält als unbestimmten Rechtsbegriff, der durch die Rechtsprechung auszulegen ist, den Terminus des „gesetzestreuen Unternehmens“.
Erwähnenswert in diesem Kontext sind auch § 242 BGB („Treu und Glauben“), Art. 2 GG (Beachtung der Rechte anderer, des Sittengesetzes und der verfassungsmäßigen Ordnung) sowie § 43 GmbHG. Nach letztgenannter Norm hat ein Kaufmann die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu beachten.

Der deutsche Corporate Governance Kodex

Nicht zu den gesetzlichen Regelungen zu zählen ist der „Deutsche Corporate Governance Kodex“. Er wurde erstmalig am 26.02.2002 von einer Regierungskommission verabschiedet, die die seinerzeitige Bundesministerin für Justiz eingesetzt hatte und seither mehrfach überarbeitet. Der „Deutsche Corporate Governance Kodex“ besitzt über die sog. „Entsprechenserklärung“ des § 161 AktG jedoch eine gesetzliche Grundlage. Er wurde im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers in der für die Erklärung nach § 161 AktG maßgeblichen Fassung bekannt gemacht. Die „Entsprechenserklärung“ des § 161 AktG verlangt, dass Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften in Deutschland jährlich erklären, dass den Empfehlungen des "Deutschen Corporate Governance Kodex" entsprochen wurde bzw. welche Empfehlungen des Kodex nicht eingehalten wurden. Der Kodex enthält vor allem Vorschläge für eine gute Corporate Governance, also eine ethische Verhaltensweise von Mitarbeitern und der Unternehmensführung. Hierdurch sollen die geltenden Regeln für die Unternehmensleitung und -überwachung für nationale und internationale Investoren transparent gemacht und das Vertrauen in die Unternehmen gestärkt werden. Der Kodex thematisiert daher die wesentlichen - vor allem von internationaler Seite betonten - Kritikpunkte an der deutschen Unternehmensverfassung. Genannt werden in diesem Zusammenhang eine mangelhafte Ausrichtung auf die Interessen der Aktionäre und eine mangelnde Transparenz deutscher Unternehmensführung, die duale Unternehmensverfassung mit Vorstand und Aufsichtsrat insgesamt sowie insbesondere die mangelnde Unabhängigkeit deutscher Aufsichtsräte und der Abschlussprüfer. Die Bestimmungen und Regelungen des Kodex gehen auf jeden einzelnen dieser Kritikpunkte ein und berücksichtigen dabei die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Der Kodex kann aber nicht jedes Thema in allen Einzelheiten regeln. Er gibt jedoch einen Rahmen vor, der von den Unternehmen auszufüllen sein wird. Die aktuelle Fassung des Kodex kann im Internet eingesehen werden: http://www.dcgk.de/de/kodex/aktuelle-fassung/praeambel.html

Firmeninterne Regelungen

Gesetze allein können und sollen nicht jedes Detail im Wirtschaftsleben regeln. Daher empfiehlt sich eine Ergänzung der gesetzlichen Verhaltensgrundsätze durch „Spielregeln“, die sich das Unternehmen selbst gibt. Solche nichtgesetzlichen, internen Regelungen werden im Unter-nehmen selbst aufgestellt und intern erfolgt sodann auch eine Verpflichtung zur Anerkennung dieser Regeln als verbindlich sowie zu ihrer Einhaltung.

Grundsätze des ehrbaren Kaufmannes

Die Bezeichnung „ehrbarer Kaufmann“ nimmt Bezug auf das historisch in Europa gewachsene Leitbild für verantwortlich am Wirtschaftsleben Teilnehmende. Die Grundsätze des ehrbaren Kaufmanns kennzeichnen ein Ideal für ehrbares und kooperatives Verhalten. Hiernach ist ein Kaufmann an sein Wort gebunden, in seinem Handeln ein Vorbild, schafft in seinem Unter-nehmen die Voraussetzungen für ehrbares Handeln und agiert selbst langfristig und nachhaltig. Er hält sich an das Prinzip von Treu und Glauben und verpflichtet sich zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen anderer auch über das Gesetz hinaus. Der ehrbare Kaufmann übernimmt Verantwortung für die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung im Ganzen. Dieses Leitbild, welches die drei Rollen eines Kaufmanns als Person, in seinem Unternehmen und in Wirtschaft und Gesellschaft herausarbeitet, zeigt, wie eine Unternehmensführung unabhängig von der Größe des Betriebs über das Gesetz hinausgehende Verhaltensregeln anerkennen kann.
Die Industrie- und Handelskammern fühlen sich dem ehrbaren Kaufmann seit alters her verpflichtet. Ihnen obliegt es gem. § 1 Abs. 1 IHKG auch, „für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.“

Umsetzung von Compliance

Bei den Möglichkeiten, Compliance im Unternehmen umzusetzen, unterscheidet man zwischen Einzelmaßnahmen und dem Aufbau bzw. der Unterhaltung eines Compliance-Systems, für das ein Compliance-Beauftragter als Verantwortlicher zeichnet.
a) Einzelmaßnahmen
Zunächst einmal ist es wichtig, die Mitarbeiter des Unternehmens auf bestehende gesetzliche Regelungen hinzuweisen. Zur Einhaltung der über das Gesetz hinausgehenden Verhaltensregeln in einem Betrieb ist es sinnvoll, diese firmenintern festzulegen, zu dokumentieren und zu kommunizieren. Solche Compliance-Regelungen enthalten meist interne Ge- und Verbote, die Konkretisierung arbeitsrechtlicher Nebenpflichten oder Bestimmungen zum innerbetrieblichen Sozialverhalten. Arbeitsrechtlich werden Compliance-Regelungen durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers durchgesetzt. Existiert im Unternehmen ein Betriebsrat, empfiehlt sich der Abschluss einer Betriebsvereinbarung über die zu regelnden Gegenstände. Die Regelungen können dann persönlich durch die Unternehmensführung, über das betriebliche Intranet, durch Aushang am schwarzen Brett oder auch schriftlich den Mitarbeitern bekannt gemacht werden. Compliance-Regelungen sind nur effektiv, wenn Verstöße nicht folgenlos bleiben. Daher enthalten die meisten Verhaltenskodizes die Warnung, dass Pflichtverletzungen zu arbeits-rechtlichen Sanktionen wie Abmahnungen, Zurückbehaltungsrechten oder einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen können.
b) Compliance-System
Ein firmeninternes Compliance-System dient dem Zweck der Kontrolle und Überwachung des gesamten Unternehmens. Grundvoraussetzung für eine effektive Compliance-Organisation im Unternehmen ist die Schaffung eines eigenen Verantwortungsbereichs. Die Organisation und Leitung übernimmt ein Compliance-Manager bzw. Compliance-Beauftragter, der im Idealfall unabhängig von bestehenden Hierarchien unternehmensweit Verantwortung trägt und entweder selbst dem Vorstand angehört oder diesem direkt unterstellt ist. Insbesondere Großunter-nehmen beschäftigen häufig einen Compliance-Beauftragten, der die Einhaltung der internen und externen Vorgaben kontrolliert und gewährleistet. Vorrangig wichtig ist es, die rechtlichen Risiken und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu erfassen. Danach sollte ein internes Informationssystem aufgestellt werden, um Mitarbeiter über die Unternehmensrichtlinien bestmöglich zu informieren. Dies kann durch den Compliance-Beauftragten selbst bzw. durch Schulungen erfolgen. Sodann sollte ein Kommunikations- bzw. Meldesystem etabliert werden, um Verstöße gegen die Compliance-Regelungen aufzudecken. Das sog. „Whistleblowing“ ermöglicht den Mitarbeitern eine Weitergabe von Informationen über einen Verstoß gegen Compliance-Regelungen an Stellen innerhalb oder außerhalb des Unternehmens. Der Compliance-Beauftragte sollte über die geltenden Standards aufklären, als Ansprechpartner dienen und die Standards auch durchsetzen. Um eine optimale Regelüberwachung innerhalb eines Unternehmens sicherzustellen, ist es oft ratsam, externe Dienstleister hinzuziehen bzw. IT-gestützt zu arbeiten. Im Idealfall gelingt es so, Wirtschaftskriminalität vorzubeugen, Haftungs- und Schadenersatzansprüche Dritter zu vermeiden und das eigene Unternehmen nach außen hin noch positiver als bislang schon darzustellen.


II. Schutz von Whistleblowern (Hinweisgebern)

Hinweisgeberschutzgesetz  kommt– was jetzt auf die Unternehmen zukommt.
Nachdem das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) von Bundestag und Bundesrat nunmehr nach langem hin und her verabschiedet wurde, müssen Unternehmen künftig sicherstellen, dass Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber keine Nachteile erfahren, wenn sie Missstände melden. 
Das Gesetz ist am 02.06.2023 im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Die Vorschriften trat überwiegend schon zum 02.07.2023 in Kraft.
Mit diesem Gesetz wird die sog. Whistleblower-Richtlinie (EU) umgesetzt. Es verpflichtet Unternehmen dazu, Meldestellen einzurichten und Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber vor möglichen Benachteiligungen, wie beispielsweise Kündigung oder Mobbing, zu schützen. Diese Meldestellen dienen als zentrale Anlaufstelle für Whistleblower, um Gesetzesverstöße oder andere Fehlverhalten im Unternehmen zu melden.
Beschäftigungsgeber mit mehr als 249 Mitarbeitenden hatten weniger als einen Monat Zeit, ein geeignetes System zum Schutz von Hinweisgebern zu implementieren. Eine letzte Schonfrist ab es allerdings: erst nach weiteren 6 Monaten nach dem In-Kraft-Treten können Bußgelder bis zu 50.000 Euro wegen der fehlenden Einrichtung von Meldekanälen verhängt werden.
Zwar hatten Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten mit einer Umsetzungsfrist bis zum 17.12.2023 noch etwas mehr Zeit, aber auch für sie war es ratsam, sich umgehend mit der Thematik auseinanderzusetzen. 
Darauf kommt es an:
Unternehmen sollten sich zunächst über die Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes informieren. Anschließend sollten sie ein Konzept zur Schaffung einer internen Meldestelle entwickeln, sowie klare Richtlinien für den Umgang mit eingehenden Hinweisen definieren.
Grundsätzlich ist es ratsam, potenziellen Hinweisgebern die Abgabe einer Meldung so einfach wie möglich zu machen. Beschäftigungsgeber sollten also - beispielsweise auf der Unternehmens-Website - leicht zugänglich und verständlich über die Meldemöglichkeiten und die Bearbeitung von Meldungen aufklären. Und: auch wenn das HinSchG nicht dazu verpflichtet, anonyme Meldungen zu ermöglichen, liegt es im Eigeninteresse der Unternehmen, die Bearbeitung von anonymen Meldungen sicherzustellen. Auf diese Weise kann letztlich vermieden werden, dass sich Hinweisgebende an externe Meldestellen wenden.
Folgende Fragen sollten Sie jetzt dafür klären:  
  • Welche Kanäle will ich einrichten? Telefonisch, E-Mail, webbasierte Lösung, Ombudsmann?
  • Wie stelle ich sicher, dass nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch alle Personen das Hinweisgebersystem nutzen können, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Unternehmen in Kontakt stehen – d. h. eigene Mitarbeiter, externe Geschäftspartner/Dienstleister/Auftragnehmer und deren Mitarbeiter?
  • Wie will ich darüber informieren? Informationen zu den Meldemöglichkeiten und dem Verfahren müssen klar und leicht zugänglich sein, zum Beispiel über die Unternehmenswebseite und im Unternehmens-Intranet/Schwarzen Brett.
  • Wie macht man das Hinweisgebersystem Beschwerdeführern einerseits so schmackhaft, dass sie sich mit Meldungen nicht gleich an die externe Behörde oder gar an die Presse wenden, sondern den internen Kanal nutzen, aber andererseits auch so, dass von missbräuchlichen Beschwerden und Denunziantentum abgeschreckt wird?
  • Wie stelle ich Vertraulichkeit sicher? Das ist z. B. bei einem Meldekanal per E-Mail schwierig, da nicht einmal der IT-Administrator auf eine solche E-Mail Zugriff haben dürfte.
  • Wer soll zuständig sein für die Entgegennahme der Hinweise? Wer hat Zugriffsrechte für die Bearbeitung von Beschwerden? Wie und durch wen werden Beschwerden nach dem Eingang weiterbearbeitet? Es darf jedenfalls nicht passieren, dass bei Eingang eines Hinweises erstmal im Haus an verschiedenen möglichen Stellen nachgefragt wird, wer sich weiter darum kümmert – dies wäre mit dem Vertraulichkeitserfordernis nicht vereinbar.
  • Wer versendet fristgerecht die Eingangsbestätigung an den Hinweisgeber?
  • Will ich auch anonyme Meldungen ermöglichen oder nicht? Eine Pflicht dazu besteht nicht.
  • Datenschutzrechtliche Fragen mit Datenschutzbeauftragtem klären
  • Personalvertretung/Betriebsrat einbeziehen, auch für die Kommunikation über das Hinweisgebersystem.
  • Kann ich das alles selbst oder brauche ich externe Hilfe? Aktuell bieten sehr viele Berater und Verkäufer von Softwarelösungen ihre Dienste an. Diese Dienstleistungen mögen auch für Ihr Unternehmen ggf. interessant sein; wissen muss man allerdings, dass auch dabei wahrscheinlich nach dem neuen deutschen Umsetzungsgesetz noch Anpassungsbedarf entstehen wird.
  • Bei Konzernstrukturen: Laut Aussagen der EU-Kommission reicht es nicht, wenn es ein Konzern-Hinweisgebersystem für alle konzernzugehörigen Tochterunternehmen gibt. Vielmehr benötigt jedes Tochterunternehmen ein eigenes Hinweisgebersystem, zumindest wenn das Tochterunternehmen mehr als 249 Beschäftigte hat. Hier ist zu überlegen, ob und inwieweit für die Tochterunternehmen zwar ein eigenes (Schmalspur-)Hinweisgebersystem eingerichtet wird, die Beschäftigten der Tochterunternehmen aber auch das konzernweite Hinweisgebersystem nutzen können. In der Kommunikation könnte dann auf die größere Erfahrung mit der Hinweisbearbeitung und weitere praktische Anwendungsvorteile bei der Nutzung des Konzern-Hinweisgebersystems hingewiesen werden. Auch das gilt es vorzubereiten.
  • Personalabteilungen sollten sich auf die verschärften Beweislastregeln vorbereiten. Sie werden künftig beweisen müssen, dass nicht der Hinweis zu der jeweiligen arbeitsrechtlichen Maßnahme geführt hat, sondern dass es dafür andere Gründe gab. Eine entsprechende Dokumentation von Gründen für arbeitsrechtliche Sanktionen ist insofern hilfreich, wobei sicher der Aufwand einer solchen (noch umfangreicheren) Dokumentation und das Risiko von Beweisschwierigkeiten nach Hinweisen immer abgewogen werden müssen.
Die Richtlinie betrifft Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten sowie Unternehmen, die im Finanzdienstleistungsbereich tätig oder für Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungstätigkeiten anfällig und daher hohen Risiken ausgesetzt sind. Dort müssen Hinweisgeber innerhalb des Unternehmens oder bei Behörden Verstöße gegen EU-Recht in den Bereichen öffentliche Auftragsvergabe, Finanzdienstleistungen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Produktsicherheit, Verkehrssicherheit, Umweltschutz, kerntechnische Sicherheit, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz, öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz, Schutz der Privatsphäre, Datenschutz, Sicherheit von Netz- und Informationssystemen, EU-Wettbewerbsvorschriften, Körperschaftssteuervorschriften sowie Verstöße gegen die finanziellen Interessen der EU (Art. 2 der EU-Richtlinie) melden können.
Eine Pflicht zur vorrangigen internen Meldung im Unternehmen besteht nicht, das Unternehmen darf aber Anreize schaffen, damit sich Hinweisgeber zunächst an das Unternehmen wenden. Hierzu sollten sie frühzeitig ein effektives und glaubwürdiges internes Whistleblowing-System schaffen. In Ausnahmefällen ist auch eine öffentliche Bekanntmachung eines Verstoßes (zum Beispiel indem sich ein Hinweisgeber an die Presse wendet) möglich.
Hinweisgeber sind Personen, die im beruflichen Zusammenhang Informationen über „Verstöße“ gegen Rechtsnormen und ethischen Grundsätze erlangt haben und dies melden, zum Beispiel Arbeitnehmer, aber auch Gesellschafter, Anteilseigner und Selbständige oder bestimmte „Dritte“ (z.B. Angehörige von Mitarbeitern oder Geschäftspartner).
Um solche Meldungen zu ermöglichen, müssen Unternehmen interne Meldekanäle einrichten oder durch Dritte bereitstellen lassen. Unternehmen mit 50-249 Arbeitnehmern können hierfür Ressourcen teilen, zum Beispiel indem sie gemeinsam einen Dienstleister beauftragen. Für diese Unternehmensgröße mussten die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis zum 17. Dezember 2023 umsetzen. Außerdem sind Verfahren festzulegen, nach denen Hinweise bearbeitet und Folgemaßnahmen gesteuert werden.
Hierzu ist eine Person oder eine Abteilung zu benennen, die dafür zuständig ist, die Meldungen entgegenzunehmen und entsprechende Folgemaßnahmen in die Wege zu leiten. Zudem müssen sie klare Informationen über diese internen Verfahren als auch über die Bedingungen, unter denen Meldungen extern an zuständige Behörden der Mitgliedstaaten oder der EU übermittelt werden könne, zur Verfügung stellen.
Zum Schutz vor Repressalien gehört auch, dass bei Verfahren, zum Beispiel im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses, vermutet wird, dass die den Hinweisgeber benachteiligende Maßnahme eine Reaktion auf die Meldung oder Offenlegung war. Das Unternehmen muss dann beweisen, dass die Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte (Beweislastumkehr).
Folgende Punkte sind dabei zu beachten:
  • Es müssen sowohl schriftliche als auch mündliche Hinweise erfasst sein, auf Ersuchen des Hinweisgebers auch im Wege einer physischen Zusammenkunft.
  • Die Vertraulichkeit des Hinweisgebers muss gewahrt bleiben. Ob vor diesem Hintergrund ein Meldeweg per E-Mail ausreicht, ist fraglich. Zumindest sind sehr eingeschränkte Zugriffsrechte notwendig.
  • Die Hinweismöglichkeit muss für alle Personen eröffnet sein, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Unternehmen in Kontakt stehen – d. h. eigene Mitarbeiter, aber auch externe Geschäftspartner/Dienstleister/Auftragnehmer und deren Mitarbeiter.
  • Innerhalb von sieben Tagen muss eine Rückmeldung an den Hinweisgeber über den Eingang des Hinweises erfolgen.
  • Informationen zu den Meldemöglichkeiten und dem Verfahren müssen klar und leicht zugänglich sein, zum Beispiel über die Unternehmenswebseite und im Unternehmens-Intranet/Schwarzen Brett.
  • Alle rechtlichen Bedingungen des Datenschutzes (DSGVO) sind einzuhalten. Die Datenschutzkonferenz hat zu Whistleblowing-Hotlines Hinweise veröffentlicht.
  • Die benannte Person hat innerhalb von drei Monaten nach Übermittlung der Meldung Folgemaßnahmen zu ergreifen und dem Hinweisgeber Rückmeldung hierüber zu geben.
  • Ggf. kann externe Unterstützung hilfreich sein. Vor allem für kleinere Unternehmen mit Mitarbeiterzahlen zwischen 50 und 250 Arbeitnehmern werden Möglichkeiten für unternehmensexterne Meldestellen (z. B. Rechtsanwalt, Ombudsperson) eröffnet werden.
  • Bei der Einführung eines neuen bzw. bei der Änderung bestehender Hinweisgebersysteme ist der Betriebsrat zu beteiligen.
Hinweise:
  • Das Bundesamt für Justiz (BfJ), das im HinSchG als externe Meldestelle benannt ist, hat anlässlich der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt eine Pressemeldung veröffentlicht. 
  • Rechtzeitig zum Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes am 02.07.2023 wurden auf der Webseite des BfJ (www.bundesjustizamt.de/hinweisgeberstelle) die Meldekanäle veröffentlicht, über die sich hinweisgebende Personen an die externe Meldestelle des Bundes wenden können. Meldungen werden elektronisch, schriftlich, telefonisch oder persönlich bei der externen Meldestelle des Bundes möglich sein.

  • Stand: April 2024