Jahr 1800 - 1945

1809

Als im Jahr 1809 in den unter der Herrschaft von Jerome Napoleon stehenden Gebieten, so auch in Magdeburg, die Auflösung der Innungen durchgesetzt wurde, wandten sich die damaligen Innungsmeister der Kaufleute-Brüderschaft und der Seidenkramer-Innung an den Bürgermeister der Stadt Magdeburg mit der Bitte, der Errichtung einer kaufmännische Börse, eines Handelsgerichtes und eines Commerz-Collegiums nach französischem Vorbild zuzustimmen. Dieser Antrag wurde vom Bürgermeister unterstützt. Nach einigen Verzögerungen konnte am 17. März 1824 die Börse in Magdeburg eröffnet werden. Die ersten Börsenversammlungen fanden im früheren Innungshaus der Seidenkramer statt, das von nun an auch als Börse bezeichnet wurde.
Die Kaufleute-Brüderschaft, die zwar offiziell aufgelöst war, inoffiziell weiter im Sinne des Kaufmannstandes wirkte, hatte so einen ersten Erfolg im Kampf um eine institutionalisierte Interessenvertretung errungen.
Nach dem Verbot der Innungen waren die meisten Kaufleute dem Verein der Kaufmannschaft beigetreten, auch immer mehr Mitglieder der Brüderschaft traten diesem bei. Deshalb gibt es auch kein offizielles Datum für die Auflösung der Kaufleute-Brüderschaft, sondern einen fließenden Übergang in ein neues Gremium. Der Verein der Kaufmannschaft wählte alljährlich einen administrativen Altermann und zwei Vertreter für diesen, der aus 22 Mitgliedern bestehenden geschäftsführende Ausschuss wurde "Comité" genannt.
Die preußische Regierung hatte den Wunsch, dass die Kaufleute der größten Städte sich zu Korporationen mit völlig gleichen Rechten für alle Mitglieder vereinigen sollten, damit "jedes Talent und jedes Kapital ohne Beschränkung auf besondere Handelszweige oder Handelsformen den persönlichen Verhältnissen gemäß sich betätigen könne." In Magdeburg trat am 6. August 1821 das "Comité" zusammen, um die Vertreter der Kaufmannschaft zu bestimmen, die an den Verhandlungen mit dem damaligen Magdeburger Oberbürgermeister August Wilhelm Francke in Sachen Statut der Kaufmannschaft teilnehmen sollten. In Magdeburg wurde konkret das Statut der Königsberger Korporation auf seine Anwendbarkeit auf die hiesigen Verhältnisse hin geprüft.

9. April 1825

Nach einigen Bearbeitungsstufen fand das Statut am 9. April 1825 königlich-preußische Genehmigung. Dies war die Geburtsstunde der "Korporation der Kaufmannschaft zu Magdeburg". In diesem Statut war die Arbeitsweise der Korporation genau geregelt. Aus allen Mitgliedern wurde ein Ausschuss gewählt, der unter dem Namen "Die Aeltesten der Kaufmannschaft zu Magdeburg" die Interessen der Kaufleute vertraten. Laut Statut erfüllte die Korporation Aufgaben, die vorher vom Verein der Kaufmannschaft erledigt wurden, wie z.B. die Schlichtung von Streitigkeiten unter den Kaufleuten. So ist auch eine Kontinuität der Entwicklung der kaufmännischen Gremien sichtbar. Obwohl die Mitgliedschaft zur Korporation streng geregelt war, sie nicht jedermann offen stand, war sie dennoch die Interessenvertretung aller, auch der nicht korporierten Handel- und Gewerbetreibenden. Sie blieb allerdings auf Magdeburg und den einmeiligen Umkreis um die Stadt beschränkt. Die Bildung der Korporation und die königliche Absegnung ihres Statuts sicherte der Kaufmannschaft ihren privilegierten Status, sie war die einzige rechtmäßige Interessenvertretung des gesamten Handels und Gewerbes der Stadt.
Zum Zeitpunkt der Korporationsgründung war Magdeburg eine Handelsstadt mit beginnender industrieller Produktion. Doch hatten die Aeltesten in dieser Zeit bereits Entscheidungen zu fällen, die Bedeutung über die Jahrhunderte hinweg behalten sollten so z. B. über die Anbindung Magdeburgs an das sich entwickelnde Eisenbahnnetz. Auch hier hatte der Oberbürgermeister Francke großen Einfluss, setzte ihn im Sinne der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt ein und befürwortete Magdeburgs Einbindung in das Streckennnetz. Neben der Realisierung wirtschaftspolitischer Aufgaben waren die Aeltesten mit der Regelung interner Probleme befasst, bestanden doch zur damaligen Zeit in Preußen Handelskammern und Korporationen parallel nebeneinander. Große Teile auch der Kaufmannschaft hielten die Korporationen für günstiger als die Handelskammern.
Das Hauptargument für die Korporation blieb immer, dass sie unabhängiger von der Regierung und daher ein besserer Interessenvertreter der Gewerbetreibenden als die "regierungsabhängigen" Handelskammern war. Wenn sich schließlich doch die Handelskammer durchsetzte, so vor allem deswegen, weil sie sich die wesentlichen Vorzüge der Korporation zu Eigen machte und diese mit denen einer öffentlich-rechtlichen Verwaltungskörperschaft, die die Kammern darstellten, verschmolzen. Ein weiterer Vorteil war die mit der Zwangszugehörigkeit aller im Kammerbezirk ansässigen Handel- und Gewerbetreibenden bestehende Beitragspflicht, die durch sichere Einnahmen eine kontinuierliche Finanzierung aller anstehenden Aufgaben garantierte. Zunächst bestand die Magdeburger Kaufmannschaft aber nachdrücklich auf dem Erhalt und der Festigung der Korporation. Einen weiteren Fortschritt für die Interessenvertretung von Handel und Gewerbe brachte die Einrichtung des Allgemeinen deutschen Handelstages, der erstmalig im Mai 1861 in Heidelberg tagte.
Auch ein am 24. Februar 1870 erlassenes Handelskammergesetz für Preußen veranlasste die Aeltesten nicht, über eine Umwandlung der Magdeburger Korporation nachzudenken. Man begegnete den sich ändernden Verhältnissen lediglich mit Statutenänderungen. Auch beschränkte man sein Wirkungsfeld weiterhin auf die Stadt Magdeburg und deren einmeiligen Umkreis. Möglichkeiten der territorialen Erweiterung des Wirkungskreises mit einer damit verbundenen Umwandlung in eine Handelskammer wurden vertan.

1. Januar 1899

Ende des 19. Jahrhunderts trat die Diskrepanz zwischen der Zahl der Korporationsmitglieder einerseits und der Zahl der handelsgerichtlich eingetragenen Firmen andererseits immer deutlich hervor. 450 Mitgliedern der Korporation standen ca. 1000 eingetragene Firmen gegenüber. Das bedeutete, dass sich die Haushaltsmittel der Korporation ein bescheidenen Grenzen bewegten und es nicht mehr möglich war, Mittel z.B. für eine kaufmännische Fortbildungsschule oder eine Interessenvertretung für den Einzelhandel aufzubringen. So mehrten sich die Stimmen innerhalb der Kaufmannschaft, eine Umwandlung in eine Handelskammer mit der damit verbundenen Pflichtmitgliedschaft, Beitragspflicht und einem gesicherten Haushalt für alle anstehenden Aufgaben vorzunehmen. So wurde endlich in der Generalversammlung am 13. und 14. September 1898 mit 323 gegen 6 Stimmen die Umwandlung in eine Handelskammer beschlossen; am 30. November 1898 fanden Wahlen zur Handelskammer statt. Das Statut der "Handelskammer zu Magdeburg" trat am 1. Januar 1899 in Kraft.
Die Handelskammer arbeitet in zahlreichen regionalen und überregionalen Vertretungen, Verbänden und Vereinen mit.
Die Kammer hatte zwischen vielen Interessen ausgleichend und vermittelnd zu wirken. Es war nicht einfach, so unterschiedlichen Parteien wie z.B. Kleinhandel und Schwerindustrie gerecht zu werden. Auch hatte die Kammer einen Doppelcharakter als Selbstverwaltungsorgan der gewerblichen Wirtschaft einerseits und als Institution, die im Auftrag des Staates hoheitliche Aufgaben zu erfüllen hat andererseits. Im Alltagsgeschäft waren zahlreiche Aufgaben auf den unterschiedlichsten Gebieten er erfüllen, z.B. Handelsfragen, Zuckerproduktion und Zuckerhandel, Verkehrsangelegenheiten, kaufmännische Bildung und Weiterbildung. Das Anwachsen der Aufgaben zeigte sich auch in einem wachsenden Bedarf an hauptamtlichem Personal und an Büroräumen.
Der positive Trend wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbrochen. Plötzlich standen andere, kriegsbedingte Aufgaben im Vordergrund. So waren zahlreiche Gutachten wegen Zurückstellung, Entlassung oder Beurlaubung selbständiger Gewerbetreibender oder kaufmännischer Angestellter vom Kriegsdienst zu erstellen. Im Laufe des Krieges waren z.B. Bestandsaufnahmen bei kriegswichtigen Textilien und Rohstoffen durchzuführen, die Kammermitglieder waren über neue Gesetze und Notverordnungen zu informieren, Sammlungen für Verwundete und Lazarette durchzuführen. Es war notwendig geworden, Spekulations- und Kettenhandel zurückzudrängen und das System der Kriegswirtschaft zu vervollkommnen. Am 1. September 1916 wurde eine "Vermittlungs-Zentrale provinzialsächsischer und benachbarter Handelskammern für Heeres- und Staatsbedarf" gebildet, um die Vergabe von Aufträgen für Heereslieferungen für Kammermitglieder zu erleichtern. Die Kammer war mitverantwortlich für die Zuteilung von Frachtraum bei der Eisenbahn, den Transportkapazitäten waren knapp geworden. Fragen der beruflichen Wiedereingliederung von Kriegsteilnehmern und der Rehabilitation von Kriegsinvaliden mussten gelöst werden.
Nach dem Krieg musste das System der Zwangswirtschaft schrittweise abgebaut werden, das freie Spiel der Wirtschaftskräfte sollte wieder den Markt beherrschen. Im Krieg hatte die Magdeburger Schwerindustrie an der Rüstungsproduktion gut verdient. Doch die Produktion musste auf zivile Produktion umgestellt werden, neue Arbeitsplätze für Kriegsheimkehrer waren zu schaffen. In den ehemaligen Rüstungsbetrieben war ein hoher Beschäftigungsrückgang zu verzeichnen, soziale Spannungen blieben nicht aus. Absatzmärkte im In- und Ausland fehlten, Aufträge für den heimischen Maschinen- und Apparatebau bleiben aus. Betriebe kämpften mit hohen Betriebskosten und Materialmangel. Inflationäre Tendenzen zeigten sich, die mit der Einführung der Renten- und Goldmark 1923 zwar gebannt schienen. Aber gerade auch in Magdeburg zeigten sich die Auswirkungen einer bisher relativ einseitigen Ausrichtung der Produktion auf den Maschinen-, Apparate-, Messtechnik- und Armaturenbau. Nun kamen Überlegungen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erneut zum Tragen, als sich die Kammer bereits Gedanken über die Neuansiedlung neuer Branchen und Firmen machte. Pläne zur Errichtung eines großen Industriegebiets im Norden der Stadt wurden aktiviert, gemeinsam mit dem Bau des Mittellandkanals gab es Projekte für einen neuen Hafen. Verträge zur Ansiedlung einer Großgaserei, eines Kraftwerkes und einer Zinkhütte wurden unterzeichnet.
Auch das System der Kammern bedurfte einer Weiterentwicklung zur Lösung der anstehenden Aufgaben. Der industrielle Sektor musste mehr Berücksichtigung finden. Dies zeigte z.B. in der Schaffung einer eigenen Wahlgruppe Industrie durch Nachträge zum Kammerstatut aus den Jahren 1926 und 1928.

1924

Bereits 1924 war eine Umbenennung in "Industrie- und Handelskammer" auf der Grundlage einer Änderung des Gesetzes über die Handelskammern erfolgt. Die Kammer Magdeburg war nach wie vor eine reine Stadtkammer. Durch das neue Gesetz von 1924 war aber dem Staat die Möglichkeit gegeben worden, Abgrenzung, Auflösung oder Zusammenlegung von Kammerbezirken selbständig vorzunehmen. Um einer Zwangsvereinigung der Kammern Magdeburg und Halberstadt, der Magdeburg bejahend und Halberstadt ablehnend gegenüber stand, zu entgehen, wurde 1924 der Zweckverband der Industrie- und Handelskammern zu Magdeburg und Halberstadt als Kompromisslösung gegründet. Beide Kammern konnten so ihre Eigenständigkeit wahren und beide Kammern betreffende Probleme doch gemeinsam beraten.

1933

Eine Zäsur in der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt Magdeburg und natürlich auch ihrer Interessenvertretung, der IHK Magdeburg, war die Machtergreifung der NSDAP mit der Ernennung von deren Führer Adolf Hitler zum Reichskanzler am 30.1.1933. Mit einer Fülle von Gesetzen und Verboten gelang es innerhalb weniger Monate die Demokratie zu beseitigen, ein Einparteiensystem zu installieren und die wirtschaftliche Selbständigkeit der Länder aufzuheben. Der politische Gleichschaltungsprozess setzte sich auch in der Wirtschaft fort. Die Wirtschaftler der Stadt äußerten sich zunächst hoffnungsvoll im Hinblick auf eine weitere Kontinuität der bisherigen wirtschaftspolitischen Linie. Aber auch hier setzte der Gleichschaltungsprozess ein. Das tägliche Leben wurde mehr und mehr vom nationalsozialistischen Kult durchdrungen. Gelöbnisse, Appelle und Huldigungen waren an der Tagesordnung. Die Wirtschaft wurde mehr und mehr dem politischen Staatswillen untergeordnet. Ständisches Denken trat in den Vordergrund. Eine Zusammenarbeit aller Stände (d.h. Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft, freie Berufe) wurde gefordert und im Sinne der Volksgemeinschaft gefördert. Mit dem "Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft" vom Februar 1934 wurde eine weitere Etappe eingeleitet, um die Wirtschaft und ihre Interessenvertretungen Strukturen organisch mit dem nationalsozialistischen Staatsaufbau in Übereinstimmung zu bringen. Der Reichswirtschaftsminister wurde ermächtigt, Wirtschaftsverbände anzuerkennen, zu errichten, aufzulösen, Satzungen zu ändern bzw. zu ergänzen. Eingriffe in die Kammerarbeit waren also jederzeit möglich. 1935 wurde eine "Anordnung über die Abgrenzung von Wirtschaftsbezirken und Bildung von Wirtschaftskammern" erlassen. Im Zuge dessen erfolgte am 13. Dezember 1935 die Einsetzung der Wirtschaftskammer für den Wirtschaftsbezirk Mitteldeutschland (Anhalt, Magdeburg, Regierungsbezirke Magdeburg und Merseburg), ab 1936 trug sie den Namen Wirtschaftskammer Mittelelbe. Dies war der erste Schritt der Umgestaltung im nationalsozialistischen Sinne. Die zweite Stufe begann 1938, als die Kammern im Rahmen der Mobilmachung wichtige Tätigkeitsfelder übernahmen, die bisher im Reichwirtschaftsministerium erledigt wurden. Bereits seit 1941 gab es Pläne zur Bildung von Gauwirtschaftskammern.

1943

Per Verordnung vom 20. 4.1942 wurde die Auflösung der Industrie- und Handelskammern und der Wirtschaftskammer Mittelelbe zum 31.12. des Jahres verfügt. Somit war der Weg frei für die Bildung der "Gauwirtschaftskammer Magdeburg-Anhalt" die am 1. Januar 1943 ihre Arbeit aufnahm. Sie hatte ihren Sitz in Magdeburg und umfasste die Kammerbezirke der bisherigen Industrie- und Handelskammern Magdeburg und Halberstadt. Nun war eine Vereinigung beider Kammern vollzogen worden, wenn auch nicht freiwillig, sondern auf Anweisung der Regierung.
Die Kammertätigkeit war ganz dem Ziel der Kriegsvorbereitung untergeordnet. Es galt, die Wirtschaft von äußeren Einflüsse unabhängig zu machen, d.h. von ausländischen Rohstofflieferungen zu sein. Die Autarkiebestrebungen brachten einen Aufschwung, vor allem für die mitteldeutschen Chemie- und Braunkohlenindustrie. Großzügige Verkehrsprojekte z.B. der Bau der Reichsautobahn und die Fertigstellung des Mittellandkanals brachten Arbeit und eine Reduzierung der Arbeitslosenzahlen. Auch die Erweiterung der Rüstungsproduktion schuf neue Arbeitsplätze.
1938 erreichte die Arbeitslosigkeit in Deutschland einen nicht gekannten Tiefststand. Investitionen kamen auch der Magdeburger Region zugute. Eine wichtige Aufgabe hatte die Kammer bei der Durchsetzung von Rationalisierungsmaßnahmen zu erfüllen. So wurden "Beratungsstellen für Leistungssteigerung" eingerichtet, vorhandene Rohstoffe wurden erfasst. Schließlich war die Kammer an der Bewirtschaftung wichtiger Rohstoffe, sogar von Gold, einbezogen. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 begann eine neue Form der Kammertätigkeit. Den wehrwirtschaftlichen Abteilungen bei den Kammern oblag die Sicherstellung der Produktionsfähigkeit der kriegswichtigen Industriezweige und der Arbeitsfähigkeit des Handels, der Kreditinstitute und der Versicherungsunternehmen. Sie waren gleichfalls zuständig und verantwortlich für die Absicherung der Kohlen- und Energieversorgung, für die Bewirtschaftung von Treibstoffen, Rohstoffen und Halbwaren. Die Unternehmen des jeweiligen Kammerbezirkes hatten sich in allen wehrwirtschaftlichen Angelegenheiten mit der zuständigen Abteilung ihrer Kammer in Verbindung zu setzen.
Wie bereits vor dem Kriege war es auch während des Krieges eine der Hauptaufgaben der Kammerarbeit, bei der Auswahl und der Betreuung der kriegswichtigen Betriebe (später W-Betriebe genannt) mitzuwirken. Die Erteilung von Ratschlägen und praktische Hilfestellung für Gewerbetreibende und ihre Angehörigen war auch in den schweren Kriegsjahren fester Bestandteil der Kammerarbeit. Dennoch nahmen die Weisungen der Kammer immer mehr den Charakter von Befehlen an, die strikt zu befolgen waren. Das Tätigkeitsfeld der Kammer umfasste aber auch weiterhin die "normale" Arbeit wie die gutachterliche Tätigkeit, die Beratung der Firmen in Rechts- und Steuerfragen, das kaufmännische Bildungswesen und die Führung des Handelsregisters. Als sicher ist anzunehmen, dass die Kammern auch bedeutende Aufgaben bei der Zuweisung von Fremdarbeitern an die einzelnen Unternehmen zu erfüllen hatte. Im Jahre 1944 betrug die Gesamtzahl der im Bereich der Gauwirtschaftskammer Magdeburg-Anhalt beschäftigten "Arbeitsbuchpflichtigen" ca. 750.000 Personen. Davon entfielen etwa 300.000 auf den industriellen Sektor. Der Anteil von Zwangsarbeitern und anderen ausländischen Arbeitskräften in den Betrieben wurde ständig größer und betrug zum Teil 65 % an der Gesamtbelegschaft.
Die Wirtschaft im Bereich der Gauwirtschaftskammer war sehr stark von den Erfordernissen des Krieges geprägt. Die Spitzenposition nahmen der Maschinen-, Kessel- und Apparatebau und die Fahrzeugindustrie ein. Daneben waren von besonderer Bedeutung: die chemische Industrie, die Baustoffindustrie, Betriebe der Eisen-, Stahl- und Metallerzeugung und die Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Besonders zu erwähnen ist u.E. die mitteldeutsche Flugzeugindustrie. Von der Gauwirtschaftskammer wurden 2.500 Industriebetriebe und 25.000 Handwerksbetriebe betreut. Kriegswirtschaftliche Maßnahmen bewirkten aber zwischen 1938 und 1944 eine Reduzierung der Anzahl der Handwerksbetriebe um 35 %.Im Handelsbereich wirkten 18.000 Unternehmen, davon 1.200 Großhandelsbetriebe. Noch bis kurz vor Ende des Krieges war der Apparat der Gauwirtschaftskammer mit bürokratischer Akribie tätig. Davon zeugen aufgefundene Formblätter, Fragebögen, Rundschreiben, unausgefüllte Statistikbögen und Hinweisblätter zur Ausfüllung derselben.