»Wirtschaft braucht bessere und verlässliche Rahmenbedingungen«
Ich freue mich wirklich sehr, Sie heute zu unserem Neujahrsempfang hier in Magdeburg willkommen zu heißen. Unser Zusammenkommen am Beginn eines neuen Jahres war immer ein Moment der Freude und des Wiedersehens mit Freunden, Bekannten und Geschäftspartnern. Wie oft haben wir uns über Gott und die Welt ausgetauscht, augenzwinkernd auf das zurückliegende Jahr geblickt und auch launig nach vorn geschaut.
Zum Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer Magdeburg waren mehr als 700 Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Kultur, Wissenschaft und Sport am 9. Januar 2025 in das Maritim-Hotel in Magdeburg gekommen.
Heute fällt das schwer. Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt hat diese Stadt und uns alle tief erschüttert. Sechs Menschen sind getötet und mehr als 300 verletzt worden. Viele darunter sehr schwer. … Ich möchte an dieser Stelle den Opfern und ihren Angehörigen mein tiefstes Mitgefühl aussprechen. Gleichzeitig möchte ich den Sicherheits- und Rettungskräften, den Ärzten, Krankenschwestern, Seelsorgern und allen anderen Helfern danken, die unter schwersten Bedingungen Außergewöhnliches geleistet haben.
Meine Damen und Herren, durch den Anschlag in Magdeburg hat das Motto unseres Neujahrsempfangs eine neue, tiefere Bedeutung erhalten. »Wir Unternehmen.« steht nicht nur für die Wirtschaft in unserem Bundesland als Ganzes, sondern auch für die Art und Weise, wie wir eine Gesellschaft mitgestalten, die auf Werten wie Freiheit, Fairness, Sicherheit und gegenseitigem Respekt basiert.
Nicht nur der Anschlag in Magdeburg zeigt uns, dass die Ablehnung des Anderen, dessen Gedankenwelt und dessen Religion schnell in Wut, Hass und in Gewalt umschlagen können. Ich bin davon überzeugt, dass die soziale Marktwirtschaft ein starkes Gegengewicht ist und der Demokratie Stabilität verleiht. ... Die IHK-Organisation ist zu jeglicher politischen Neutralität verpflichtet. Als Präsident der IHK Magdeburg sage ich aber an dieser Stelle klipp und klar: Wir werden unsere Stimme erheben. Gegen Hass und Ausgrenzung. Und für Vielfalt und Offenheit.
Sehr verehrte Gäste, gestatten Sie mir auch einige Worte in einer anderen eigenen Sache. Das Jahr 2025 ist für unsere Industrie- und Handelskammer ein besonderes Jahr. Vor 200 Jahren, also im Jahr 1825, ist die Korporation der Kaufmannschaft zu Magdeburg gegründet worden. Damit wurde der Grundstein für unsere Industrie- und Handelskammer gelegt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in wenigen Tagen wird ein neuer Bundestag gewählt. Die nächste Bundesregierung muss eine Neustart-Regierung sein. Ich erwarte einen Plan, wie wir die Energiewende technologieoffen so gestalten, dass sie unsere Unternehmen nicht überfordert. Ich erwarte Antworten, wie wir die Chancen der Digitalisierung nutzen, ohne die Menschen abzuhängen. Ich erwarte von den Politikern, dass sie sich ehrlich machen und ohne Angst vor einem Shitstorm Probleme thematisieren. Die Wirtschaft macht bei jeder Gelegenheit deutlich, um was es ihr geht: um bessere und verlässliche Rahmenbedingungen, die viele Jahre tragen. … Die Wirtschaft ist bereit, mit anzupacken. Das hat sie immer getan. Ob während der Finanzkrise oder der Corona-Pandemie – Sie, liebe Unternehmerinnen und Unternehmer, haben sich nie weggeduckt, sondern standen bis zur Selbstaufgabe für ihre Betriebe und Mitarbeiter ein und haben dazu beigetragen, den gesellschaftlichen Frieden zu bewahren. Ihr unglaublicher persönlicher Einsatz ist es, der unsere Wirtschaft und unsere Regionen stark gemacht macht hat. Dafür möchte ich allen Unternehmerinnen und Unternehmern im Bezirk der IHK Magdeburg danken.
Danken möchte ich auch unseren Partnern in der Politik, insbesondere der Landesregierung, für die jederzeit konstruktive Zusammenarbeit.
Sehr unbefriedigend ist derzeit die Situation um die Intel-Ansiedlung in Magdeburg. Ich erwarte vom Konzern zeitnah ein klares Bekenntnis, ob die Fabrik gebaut wird oder nicht. Darüber, dass die A 14 jetzt erst nach 2030 fertig sein soll, kann man nur noch Schnappatmung bekommen. Aber es geht auch anders. Was mich sehr freut, ist, dass der Bau des riesigen Logistikzentrums der Daimler Truck AG in Halberstadt zügig voranschreitet.
Meine Damen und Herren, was mich immer wieder umtreibt, ist unsere Bildungspolitik. Diese muss in Sachsen-Anhalt Chefsache bleiben. Die Ausbildungsreife unserer Schüler darf nicht noch schlechter werden als sie ohnehin schon ist. Dass über die Verwässerung des Notensystems das Niveau an den Schulen an das der Schüler angepasst wird und nicht umgekehrt, ist der falsche Weg.
Ein weiteres, großes Thema bleibt der Fachkräftemangel. Wir müssen nicht nur gezielt in die Weiterbildung unserer Belegschaften investieren, sondern gleichzeitig junge Talente für unsere Region gewinnen. Zusammen mit der Handwerkskammer Magdeburg haben wir mit dem DEHOGA Sachsen-Anhalt eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, deren Ziel es ist, junge Vietnamesen in unseren Betrieben auszubilden. Über das VIETHOGA-Projekt werden seit Jahren erfolgreich Azubis aus Hanoi, Saigon oder Hoi An bei uns im Gastgewerbe ausgebildet. Jetzt wird das Modell auf andere Berufe ausgeweitet. … Kommen Sie bitte auf uns zu, liebe Unternehmerinnen und Unternehmer, wenn Sie Hilfe bei der Vermittlung von Azubis in ihren Betrieb brauchen.
Ernste Sorgen, und darüber müssen wir mit der Landesregierung dringend sprechen und Lösungen finden, macht mir der Blick auf die Unternehmenslandschaft in Sachsen-Anhalt. Bleibt die Entwicklung bei Betriebsaufgaben und Neugründungen auf dem jetzigen Niveau, werden wir in unserem Bundesland im Jahr 2030 rund 20 Prozent weniger Unternehmen haben – mit allen negativen Folgen beispielsweise für die kommunalen Haushalte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, das neue Jahr hat viel mit uns vor. Und wir mit ihm. Aber bange machen gilt nicht. Denn wenn wir eines aus unserer Geschichte gelernt haben, dann ist es der Zusammenhalt der Unternehmerschaft, der uns durch so viele Krisen und Umbrüche getragen hat. So haben wir es immer wieder geschafft, Brücken zu bauen: zwischen Alt und Modern, zwischen Tradition und Innovation, zwischen West und Ost – und hoffentlich bald auch vom Krieg zum Frieden.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, Ihren Familien und Ihren Belegschaften alles Gute, Frieden, Gesundheit, Erfolg und Gottes Segen.