»Höhle der Löwen«

Trialog – Zeit für Gründer und ihre Ideen

Trialog – Zeit für Gründer und ihre Ideen – Sie waren in der »Höhle der Löwen«. Junge Gründerteams präsentierten im Herbst vergangenen Jahres im Technikmuseum Magdeburg einer Jury aus Unternehmern und Marketingexperten ihre Geschäftsideen. Dahinter steht ein spezielles Konzept für Sachsen-Anhalt. »TRIALOG«, so der offizielle Name der Veranstaltung, möchte Türöffner in die Wirtschaftswelt sein und Gründer mit potenziellen Kunden, Geldgebern und Multiplikatoren zusammenbringen. Wir haben jetzt drei Teams besucht und sie gefragt, was sich eigentlich im letzten halben Jahr getan hat.

SMELA – SMART ELECTIC ACTUATORS

Kompakte Abmessungen und hohe Kraft
Drei Absolventen der Magdeburger Otto-von- Guericke-Universität wollen mit ihrer Geschäftsidee automatisierte Produktionssysteme nachhaltig verändern. Dort prägen gegenwärtig pneumatische Zylinder und druckluftbetriebene Aktuatoren das Bild. Lineare Positioniervorgänge zum Fixieren oder Verstellen von Gegenständen setzen auf diese Technologie. In der Praxis erweist sie sich als aufwändig.
»Die für den Betrieb notwendige wartungsintensive Druckluft-Infrastruktur geht einher mit einem enormen Energieverbrauch«, sagt Benjamin Horn aus dem Gründertrio von »smela – smart electic actuators«. Er bringt in ihm sein Wissen als Wirtschaftsingenieur ein. Dr. Denis Draganov und Oleksandr Tyshakin, die beide am Uni-Lehrstuhl für Elektrische Antriebssysteme ihre Ausbildung absolvierten, hoffen mit ihm auf ein Gründerstipendium in der ersten Phase der Umsetzung der Idee elektromechanischer Kurzhub-Linearantriebe. Diese sind unter anderem in Fertigungsstraßen, Werkzeugmaschinen, der Verpackungsindustrie und der Logistik einsetzbar und beweisen beim Fixieren, Verstellen und Arretieren ihre Eignung.
Kompakte Abmessungen und eine hohe Kraft lassen die Vorteile gegenüber bisher weit verbreiteten Lösungen schnell erkennbar werden. »Nicht mehr nötigte Druckluft-Infrastrukturen sparen Platz und reduzieren die Investitions- sowie die laufenden Betriebskosten. Außerdem sind sie deutlich leiser«, erläutert Oleksandr Tyshakin. Zudem sei es möglich, die innovativen Antriebe direkt in übergeordnete Steuerungen und Systeme zu integrieren und damit Fertigungsprozesse nachhaltig zu überwachen, ganz im Sinne der Industrie 4.0. »Kurz gesagt, eine sogenannte integrierte Intelligenz führt zu einer Verkürzung der Inbetriebnahmezeit, einer Erhöhung der Taktrate im gesamten Produktionssystem und zu einer Steigerung der Umrüstungsflexibilität«, ergänzt Dr. Denis Draganov. Er geht zudem von einer Energieeinsparung aus, die bei 75 Prozent heute üblicher Kosten liegen könnte. Dazu kämen geringere Wartungskosten und eine hohe Lebensdauer solcher elektrischen Antriebe. Die hätten in Dauerbelastungstests mühelos zehn Millionen Doppelhübe bewältigt. Kurz gesagt, liegen die Vorteile deutlich auf der Hand, und der Kurzhub-Linearantrieb wurde bereits zum Patent angemeldet. Die drei Experten setzen auf die Unterstützung ihrer Universität. Von deren Transfer- und Gründerzentrum sowie dem Lehrstuhl für Elektrische Antriebssysteme bekommen sie jede erdenkliche Hilfe, können Labore und Werkstätten nutzen, um das Projekt bis zu serienreifen Produkten zu bringen. Ziel ist eine eigene Firma. In der jetzt laufenden Testphase geht es darum, mit Partnern in der Industrie die rein elektrischen Linearantriebe als Ersatz für pneumatische Lösungen zu etablieren. Erste Pilotanlagen sind im Einsatz.
Die Suche nach Betrieben, die sich auf innovative Anwendungen in der Entwicklungsphase einlassen, erwies sich als schwierig. Konservative Ansichten spielten eine Rolle, auf der anderen Seite hatten die Wissenschaftler Verständnis dafür, dass während der Erprobungen in der Praxis Angst vor Unwägbarkeiten in der laufenden Produktion besteht. Die jetzt bestehenden Kooperationen haben einen entscheidenden Vorteil, denn beide Partner verfügen über Entwicklungsanlagen, in denen Testläufe zu optimalen Bedingungen machbar sind, sich Bewegungsabläufe analysieren und auswerten lassen.
Im Moment existieren die smela-Linearaktuatoren in drei verschiedenen Dimensionen, eine Erweiterung des Sortiments ist vorgesehen. Die etwa faustgroßen Antriebe sind gegenwärtig in der Lage, bis zu 65 Kilogramm zu bewegen. Potenzielle Anwender warten bereits auf die Serienreife. Vor allem bei dezentralen Anlagen wird sich die Unabhängigkeit von komplizierten Druckluftversorgungen bezahlt machen.

TACPIC

»Begreifbare« Bilder für Blinde
Es klingt nahezu geheimnisvoll: tacpic. Die sechs Buchstaben entpuppen sich als Abkürzung, stehen für »tactile pictures« oder auf Deutsch für »fühlbare Bilder«. Drei junge Absolventen der Hochschule Magdeburg-Stendal haben mit einem gemeinsamen Projekt Weichen für den Start ins Berufsleben gestellt. Laura Evers, Florentin Förschler und Robert Wlček sind fest entschlossen, ihre Idee umzusetzen.
Seinen Ausgangspunkt hat das Vorhaben in einer Semesterarbeit im Master- Studiengang Interaction Design, der seinen Ausbildungsschwerpunkt bei der Interaktion von Mensch und rechnergestützten Systemen sieht. Dabei entstand die Idee, blinden und sehbehinderten Menschen einen schnellen und kostengünstigen Zugang zu individuellen, taktilen Grafiken zu ermöglichen. Das soll künftig über eine Onlineplattform geschehen. »Als Kernstück planen wir einen Editor, der die Gestaltung von Vorlagen für die Produktion solcher Darstellungen möglich machen soll«, erläutert Laura Evers. Vorstellen müsse man sich die Ergebnisse als eine Art Reliefbilder. Der Bedarf sei da, Fachleute und potenzielle Nutzer von taktilem Lehrmaterial motivieren stets aufs Neue, dieses Spezialgebiet weiter auszureizen. »Bei unserer Recherche für die Semesterarbeit fanden wir heraus, dass es keine erschwinglichen, individuellen Produkte für Sehbehinderte zur Bewahrung ihrer persönlichen Erinnerungen gibt. Daran wollten wir ursprünglich etwas ändern. Letztlich konzentrieren wir uns in unserem Gründungsprojekt nun auf die Anfertigung von Schaubildern, Diagrammen oder Querschnittsdarstellungen, die unter anderem im Bildungsbereich eingesetzt werden können«, sagt Florentin Förschler. Er berichtet davon, dass sich solche Blätter mit einer beliebigen Grafiksoftware erstellen lassen. Vor allem Sonderschulen, Bildungswerke oder die Zentralbücherei für Blinde sehe man als potenzielle Ansprechpartner, mit denen gerade Kontakte aufgebaut werden. Auch Produktionspartner würden gesucht, die die oftmals nur in kleinen Auflagen benötigten Darstellungen umsetzten.
Der entscheidende Anstoß für die Geschäftsidee kam vom »gründet«-Team der Hochschule. Es bündelt alle Existenzgründungs- und Transferideen an der Bildungseinrichtung und versteht sich als die zentrale Anlaufstelle für Studierende, Alumni und Forschende. Gegenwärtig werden rund 90 Gründungsinitiativen betreut. Mit ihrer Unterstützung gelang es, die Investitionsbank Sachsen-Anhalt von der Tragfähigkeit des Projektes zu überzeugen. Mit der von ihr zur Verfügung gestellten Fördersumme kann 18 Monate lang die Idee zur Marktreife entwickelt werden.
Über eine Möglichkeit der Anfertigung der »begreifbaren« Grafiken gibt Robert Wlček Auskunft. Sogenanntes Schwellpapier dient vorerst als Basis für die Umsetzung. Bei ihm werden Strukturen und Muster grafischer Elemente von einem handelsüblichen Laserdrucker farbig aufgedruckt. In einem weiteren Schritt erfolgt eine Erwärmung des Spezialpapiers, durch die alle notwendigen Informationen als Relief entstehen. Künftig könnte der UV-Lackdruck noch bessere Umsetzungen ermöglichen. Insgesamt legt man Wert darauf, dass alle Darstellungen auch farbig erfahrbar sind, ein wichtiger Aspekt für Menschen, bei denen das Sehvermögen noch Informationen aufnehmen kann. Ansonsten erfordert die grafische Umsetzung von Schaubildern und anderem, dass Farben als Strukturen wie Pünktchen oder Schraffuren fühlbar und unterscheidbar werden. Und Laura Evers ergänzt: »Wir können uns durchaus vorstellen, künstlerische Werke für sehbehinderte Menschen zugänglich zu machen.«
Tacpic soll nach seiner Marktreife als Online-Plattform zur Verfügung stehen. Das Angebot geht von drei Säulen aus. Erstens wird ein neuartiger Editor als Webanwendung entwickelt, der speziell für die Gestaltung taktiler Grafikvorlagen konzipiert ist. Zweitens ist vorgesehen, einen Katalog zu entwickeln, der Grafikvorlagen bereitstellt, die als offenes System nach dem Wiki-Prinzip allen Nutzern zugänglich sind. So kann das mehrfache Erstellen identischer Abbildungen an verschiedenen Standorten und der damit verbundene Aufwand vermieden werden. Nutzer haben die Möglichkeit, auf die Daten zurückzugreifen, sie zu bewerten, Verbesserungen anzubringen. Im Ergebnis ist eine Sammlung hochwertiger Grafiken entstanden. Als dritte Komponente können die Vorlagen aus dem Katalog als physische Kopien bestellt werden. Für die Umsetzung greift das System auf zwei Datenebenen zurück. Eine enthält alle grafischen Elemente, die sichtbar gedruckt werden, die andere enthält Informationen über das Relief. Dieses Rohformat kann in verschiedene, spezialisierte Ausgabeformate »übersetzt« werden.

TRENUX GMBH

»Der Kofferraum für Dein Fahrrad«
Werbung ist alles. Mit dem Satz »Der Kofferraum für Dein Fahrrad« wecken Finn Süberkrüb und Markus Rothkötter bei Radlern Interesse und Neugier gleichermaßen. Ihre Erfindung scheint auf den ersten Blick simpel und hat doch das Zeug für ein Patent. Ihr ungewöhnlicher Fahrradanhänger verdankt sein Entstehen letztlich einem Zufall.
Markus Rothkötter erinnert sich: »Es ist drei Jahre her, da radelten wir mit Freunden zur Ostsee. Schon nach nicht einmal 100 Kilometern riss die Verbindung zwischen Anhänger und Rahmen aus. Also musste das gute Stück provisorisch auf einem Gepäckträger befestigt werden.« Diese provisorische Befestigung erwies sich letztlich eher als hinderlich und das nutzlos gewordene Ungetüm landete irgendwo auf dem Müll. Zurück in Magdeburg begannen die beiden jungen Männer ihr Wissen aus dem Mechatronikstudium an der Otto-von- Guericke-Universität für eine eigene Entwicklung einzusetzen. Alles geschah außerhalb der regulären Lehrveranstaltungen. Ihren Bachelor-Abschluss hatten sie trotzdem – oder gerade deshalb - noch vor dem Ende der regulären Studienzeit in der Tasche. Mit Feuereifer stellten sie sich noch als Studenten der Herausforderung, die eine solche Erfindung mit sich bringt. In Bayern, der Heimat von Finn Süberkrüb, diente die elterliche Garage als Forschungszentrum »en miniature«. Skizzen und Zeichnungen gab es bereits, ein erstes Funktionsmuster entstand im Wesentlichen aus Holzelementen. »Es ging eigentlich erst einmal darum, die generelle Umsetzbarkeit unserer Idee zu testen«, sagt Süberkrüb. Das Funktionsmodell hatte zwar noch Ecken und Kanten, aber es erwies sich als gute Ausgangsbasis für die Weiterentwicklung. Zurück in der Elbestadt gab es dann erste Kontakte zum Transfer- und Gründerzentrum der Uni, das seine Unterstützung zusicherte. So konnte der erste Prototyp in den hochschuleigenen Werkstätten entstehen. »Für uns eine interessante Erfahrung, denn mit Fertigungstechnologien hatten wir bis dahin wenig zu tun«, berichtet Rothkötter. »Und uns kamen kurze Wege in Sachsen- Anhalt bei der Beantragung von Fördermitteln zu Gute«, ergänzt Süberkrüb. Mit Stolz verweist er zudem auf den »Start-Up Award 2018«, den es für ihren Anhänger im vergangenen Jahr auf der Messe Eurobike gab. Auch der wirke »wie ein Türöffner« bei potenziellen Partnern.
Seit Dezember sind die zwei Jungunternehmer und haben mit der Trenux GmbH eine eigene Firma. Der Magdeburger Firmenchef Frank Sporkenbach betätigt sich als Business-Angel, steht vor allem mit seinen Erfahrungen in der Gründungsphase zur Seite, hilft stets dann, wenn wieder einmal bürokratische Hürden zu meistern sind. Sogar zwei Mitarbeiter sind bereits eingestellt, die sich als ausgebildete Industriedesigner um das gute Aussehen und die Machbarkeit der Ideen der Techniker kümmern.
Im Unterschied zu sperrigen Lastenrädern und Fahrradtaschen mit ihrem eher bescheidenen Platzangebot hat Trenux das Zeug zur »eierlegenden Wollmilchsau«. Der große Wochenendeinkauf passt durchaus in das Gefährt ebenso wie das Zubehör für den Grillabend am See oder das wuchtige Paket, das zur Post muss. Selbst eine Version für die Ausfahrt mit dem Familienhund ist vorstellbar. Unterschiedliche Taschen für das Grundgestell befinden sich in der Entwicklung. Mit einem Handgriff lässt sich der Gepäckträger zu einem Lastenanhänger aufklappen, ist sofort einsatzbereit und kann im Handumdrehen wieder verstaut werden. Fünf Kilogramm bringt er auf die Waage und kann gegenwärtig bis zu 40 Kilogramm transportieren.
Mit einer Crowdfunding-Kampagne wollen Finn Süberkrüb und Markus Rothkötter das Geld für den Start der Testphase einsammeln. Kommen 100 Interessenten und 40.000 Euro zusammen, steht ihr nichts mehr im Wege. Läuft alles glatt, könnte bereits zur Sommersaison 2020 die Serienfertigung beginnen. Dazu arbeitet man vor allem mit Firmen in Sachsen-Anhalt zusammen. Kurze Wege und die Flexibilität von Mittelständlern halten die Firmengründer für unverzichtbar. Sie sind optimistisch, beispielsweise die komplette Montage mit einem Partner aus dem Bundesland bewältigen zu können. Die ersten Kontakte stimmen optimistisch. Durch die »Vergabe« der Fertigung bleibt Zeit, sich um die eigentliche Entwicklung und den Vertrieb zu kümmern. Eine mittelfristige Orientierung auf Absatzmärkte in Europa, wie die Fahrradregionen Dänemark oder Niederlande scheint durchaus Sinn zu machen.