Medienprofis, Lokalgold & scharfes Holz

Magdeburger Start-ups

Medienprofis, Lokalgold & scharfes Holz - Erfolgreiche Start-ups in Magdeburg unter einem Dach.
Die europäische Start-up-Szene tummelte sich im vergangenen Jahr vor allem in London, Paris, Stockholm und Berlin. Nach einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young erhielten im Jahr 2016 in ganz Deutschland 455 Startups Risikokapital von Investoren. Die Geldgeber nahmen immerhin 2,2 Milliarden Euro in die Hand. Doch nicht nur in der deutschen Hauptstadt, sondern auch in Sachsen-Anhalt gibt es zahlreiche Gründer, die mit ihren Ideen Investoren begeistern oder ihr Glück in die eigene Hand nehmen. Nicht nur genügend Risikokapital, sondern auch andere Faktoren wie adäquate Räumlichkeiten, das richtige Umfeld und auch qualifizierte Mitarbeiter und Partner sind für den Start eines Unternehmens wichtig.
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© Kultur- und Kreativwirtschaftszentrum Magdeburg
In der Stadt Magdeburg gibt es seit zwei Jahren mit dem Kreativ-Zentrum an der Brandenburger Straße einen gefragten Anlaufpunkt für Start-ups und Kreativunternehmen. Das geschichtsträchtige Gebäude wurde 1876 erbaut.
Es beheimatete nach dem Zweiten Weltkrieg die Fachschule für angewandte Kunst, wurde von 1963 bis 1993 als pädagogische Hochschule und Ingenieurschule für Bauwesen genutzt und war von 1995 bis 2015 Lehr- und Verwaltungsgebäude für die Hochschule Magdeburg-Stendal. Heute stehen im seit 2015 bestehenden Kreativzentrum insgesamt 3000 Quadratmeter mit Bürogrößen von 25 bis 85 Quadratmetern auf vier Etagen und im Kellergeschoss zur Verfügung.

Vorlautfilm

Bevor überhaupt an das Zentrum für Kreative zu denken war, hatte das Medienunternehmen »Vorlautfilm« schon sein Büro im Gebäude. »Das war eine komische Zeit«, erinnert sich Sebastian Stolze, einer von drei Gründern. Während er und seine Kollegen im kleinen Büro schon die ersten Filmprojekte vorbereitet und geplant haben, wurde um das Team herum noch unterrichtet. Die Wahl fiel dennoch auf den Standort, denn bezahlbarer Büroraum in Stadtnähe war zu dieser Zeit knapp. Vier Jahre lang waren sie nach der Ausgründung aus der Hochschule allein auf dem Flur, bis die GWM im Jahr 2015 das Ruder im Haus übernahm. Sie zogen noch einmal um und sind nun in einem 80 Quadratmeter großen Raum im Erdgeschoss zu finden. Genug Platz für Schreibtische, eine Fotoecke, Platz für Couch und Besprechungstisch und auch eine Tischtennisplatte. Im Grunde sind die Vorlautfilmer Sebastian Stolze, Sara Gramann und Jenifer Horst zufrieden. Sie haben sich mit ihrem Unternehmen deutschlandweit aufgestellt, haben die ersten losen Partnerschaften auch schon im Haus knüpfen können und freuen sich über den lockeren Austausch im Alltag.
Wenn Sie sich etwas für das Kreativzentrum wünschen könnten, dann wären das Dinge wie ein Green-Screen, Sprecherkabine, Mietstudio oder auch Lichtequipment im Leihmodell. Gerade in der Foto-, Film- und Medienszene wären das wichtige Infrastrukturvorteile. »Schön wäre auch eine Cafeteria«, sagt Sara. Natürlich gibt es im Haus eine Küche, doch eine belebte Cafeteria wäre noch einmal ein Magnet für die Bewohner im Haus und auch für ihre Gäste. Natürlich müsse auch alles bezahlbar bleiben. Für Sebastian wäre schnelles Internet, das im Mietpreis inbegriffen ist, ein weiteres Argument, um noch mehr Mediendienstleister anzuziehen. Für Ralph Tyszkiewicz sind solche Rückmeldungen wichtig, sie werden aufgegriffen und entsprechend den finanziellen Möglichkeiten umgesetzt. Was vor einigen Monaten noch fehlte, ist nun im Foyer zu finden. Eine große Übersicht zu den Mietparteien im Haus und ein einheitliches Wegeleitsystem. »Dafür mussten wir viel Geld in die Hand nehmen «, sagt der Geschäftsführer.

Wirtschaftsservice Magdeburg mbH

Verwaltet wird das Gebäude von der Gesellschaft für Wirtschaftsservice Magdeburg mbH (GWM). Geschäftsführer Ralph Tyszkiewicz kann sich inzwischen über ein fast vollvermietetes Objekt freuen, in dem sich neben dem Bildungssektor vor allem die Kreativbranche wohlfühlt. »Das war bis heute ein schwieriger Weg, aber wir haben die Aufgabe, dass sich das Gebäude selbst trägt, gut gemeistert«, sagt der Geschäftsführer. Den Gründern werden hier gute Voraussetzungen geboten. Die Büroflächen haben die passenden Größen, die Mieten sind bezahlbar und das Gebäude ist in der Nähe vom Hauptbahnhof zentral gelegen.

Lokalgold

Sie haben zwar keine Cafeteria wie von vielen Hausbewohnern gewünscht, aber frischen Kaffee zum Beratungsgespräch gibt es bei Anna-Marie Rausch (28) und Laura Voscort (27) von Lokalgold im kleinen Laden auf dem Innenhof des Kreativzentrums trotzdem. Sie haben sich selbst geholfen und bieten ihren Besuchern Kaffee oder eine süße Kleinigkeit
an.
Die jungen Frauen kennen sich aus ihrem Studium Industriedesign in Magdeburg und sind zudem gut befreundet. Während eines Urlaubs hatten sie überlegt, was sie nach ihrem Studium machen wollen. Ein eigenes Design-Studio mit möglichst noch einem Laden dran, das schwebte ihnen vor. »Doch warum warten? Deshalb haben wir uns Gedanken gemacht und sind mit der Idee zu unserer Professorin gegangen«, sagt Laura. Sie hat die Frauen dabei unterstützt. Sie haben gemeinsam ein Konzept sowie ein Logo entwickelt und haben schließlich im Kreativzentrum die passenden Räumlichkeiten gefunden.
Ihr Firmenname »Lokalgold« steht für ihr besonderes Angebot. »Weil wir die Goldstücke aus Magdeburg und Umgebung verkaufen und wir selbst welche sind«, sagt Anna-Marie Rausch mit einem Augenzwinkern. Es ist ein Laden für Möbel, Wohnaccessoires und Grafiken. Poster, Postkarten und Wohnaccessoires machen die Gründerinnen selbst. Zudem nehmen sie Auftragsarbeiten an, verkaufen Artikel von ausgewählten Designern und vermitteln auch an andere Kreativkollegen.
Natürlich würden sie lieber ein Geschäft am Breiten Weg haben, aber daran sei gerade in ihrer Startphase nicht zu denken. Bezahlbare Miete, Platz für eine kleine Werkstatt und Büro sowie eine zentrale Lage waren den Gründerinnen wichtig. Auch sie haben bereits erste Kontakte im Haus knüpfen können und beispielsweise Film-Awards für Vorlautfilm produziert.
Ansonsten kommt der eine oder andere auf einen Kaffee vorbei und tauscht sich mit den Frauen auch über neue Ideen aus. Bei Designfragen können die Studentinnen dann schnell helfen. Immerhin bieten sie auch klassische Medien an. Nach einem knappen halben Jahr sind sie überrascht, wie gut die Mund-zu- Mund-Propaganda bisher funktioniert hat. »Wir hatten erst Sorgen, dass Lokalgold auf dem Hinterhof nicht gefunden wird, doch das war anscheinend unbegründet«, sagt GWM-Geschäftsführer Ralph Tyszkiewicz.
Für höhere Aufmerksamkeit hatte im Sommer ein sogenannter Pop-up-Store gesorgt. Mit Unterstützung der Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung (LKJ) Sachsen- Anhalt – ebenfalls Mieter im Haus – wurde im August ein leerstehendes Ladengeschäft in der Nähe des Ulrichplatzes in Magdeburg unter anderem mit den Produkten von Lokalgold eröffnet.

Lignum

Zu den jüngsten Mietern zählt das Magdeburger Start-up Lignum. Über die Plattformen »Kickstarter« und »Indiegogo«, konnten die Gründer über 80.000 Euro einsammeln und haben im FORUM Gestaltung an der Brandenburger Straße in Magdeburg ihren Platz gefunden. Sie sind im ehemaligen Pharmazielabor im Keller des vierstöckigen Gebäudes eingezogen. Lignum produziert und vertreibt bislang nur ein Produkt-Holzmesser aus verschiedenen Materialien und mit verschiedenen Messervarianten. Mit einem Einstiegspreis von 379 Euro ist das Küchengerät kein Schnäppchen, aber in den Augen von Werkstattleiter Levin Günther als Produkt mit dem Prädikat »Made in Germany« völlig gerechtfertigt. Jedes Messer besteht aus einem Holzkorpus sowie einer Klinge. Beide Elemente werden in verschiedenen Arbeitsschritten miteinander verbunden.
Die Idee dazu hatte Sven Regener aus seiner Masterarbeit weiterentwickelt. Dort ging es um eine Schere aus Holz. Seit dem Abschluss der Finanzierungsrunden sind sechs Monate vergangen. »Wir haben jetzt alle Early Birds unserer Investoren abgearbeitet und können nun anfangen, die Produktion auszuweiten«, sagt der 26-Jährige. Bis zu sechs Mitarbeiter arbeiten derzeit am Projekt und freuen sich über die hohe Nachfrage der neuartigen Messer.
Im Vergleich zu Metall- oder Keramikvarianten sind die Holzmesser deutlich leichter. Doch das Unternehmen steht erst am Anfang. Um die Produktionsmenge zu erhöhen, soll in neue Technik investiert werden. So ist unter anderem ein Ansaugtisch im ehemaligen Labor vorgesehen. Zudem sollen neue Materialien ausprobiert und weitere Produkte entwickelt werden. Eine Idee ist schon als Prototyp verfügbar. Eine Lampe aus Holz und gegossenem Harz. Der viereckige Block ist wasserdicht und im Inneren mit einer LED-Lampe bestückt. Auch hier kommt es dem Team auf Nachhaltigkeit an. Die Materialien kommen nicht nur aus ökologisch wertvollen Beständen. Zukünftig wäre es auch denkbar, das verbrauchte Holz in Projekten wieder anzupflanzen.

Autor: Dirk Andres aus "Der Markt in Miteldeutschland", 11/2017