Wie Phönix aus der Asche

Harzdrenalin

Harzdrenalin – Phönix aus der Asche. Wie Sie waren nie selber dort. Und doch ist Neuseeland für den Weg, den Maik und Stefan Berke mit ihrem gemeinsamen Unternehmen seit sieben Jahren beschreiten, dafür entscheidend verantwortlich. Zumindest die Berichte über das Land. Die hätten ihnen gezeigt, dass behutsamer Tourismus und wirtschaftliche Interessen im Einklang mit der Natur auch in sensiblem Terrain möglich sind. Und auch im ländlichen Raum, wie dem Oberharz. Mit ihrer Firma Harzdrenalin verfolgen sie genau dieses Ziel.
Vor zehn Jahren hätte wohl niemand gedacht, dass zwei Oberharzer Jungs, Seiteneinsteiger im Tourismusgeschäft noch dazu, diese Branche einmal richtig aufmischen würden. Ein paar Segways auf dem Hof, mehr gab es anfangs nicht, als die beiden gebürtigen Wernigeröder ihren großen Traum an den Start brachten. Damals noch als Zwei-Mann-Unternehmen. Das und vieles andere mehr hat sich grundlegend verändert. Harzdrenalin ist längst zum wirtschaftlichen Schwergewicht der Branche avanciert. Und hat sich zu Sachsen- Anhalts größter Erfolgsnummer entwickelt, die noch lange nicht zu Ende ist. So viel sei schon mal verraten. Aber von vorn.
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© ANTENNE THÜRINGEN
Jahrelang waren Maik, der Dachdeckermeister, und sein Bruder, der Tischler Stefan, beruflich auf Achse. Sie hatten gut zu tun. Und waren dank ihrer handwerklichen Fähigkeiten von ihrem Wohnort Elbingerode aus landauf, landab sehr gefragt. Vor allem als Experten für alle mit Schiefer zu beschlagende Häuserwände und -fassaden oder -dächer. Ein Knochenjob. Kein Wunder also, dass der Wunsch, sich vielleicht auch mal auf touristischem Terrain zu versuchen, bei beiden während ihrer »Wanderjahre« schon sehr früh aufkam. »Wir wollten beruflich auch einfach mal was anderes ausprobieren. Wir waren ja noch jung und hatten den Harz ja direkt vor der Tür«, erklärt Stefan.
Vielleicht lasse sich damit etwas machen, was noch kein anderer vor ihnen hier ausprobiert habe. Gesagt, getan. An einen touristischen Hotspot dachten damals beide natürlich noch nicht. Ein so genannter Canyon-Swing sollte es zunächst sein, der an der Rappbodetalsperre den touristischen Geschäftsstart bilden sollte. Das Bauvorhaben stellte sich als zu kompliziert und zu teuer heraus und wurde in der ursprünglichen Version zunächst auf Eis gelegt. So ging es erst einmal mit elf Segways los. 2011 war das. »Das war wie bei allen anderen Startups, die so wie wir anfingen, so. Zehn Geräte musste man bezahlen, den elften Segway gab es gratis dazu«, erinnert sich Maik. Bei ihrem mickrigen Startkapital ein Angebot, dem sie nicht widerstehen konnten. Die ersten Touren wurden ausgearbeitet, Strecken festgelegt. Einige davon sind noch immer im Programm. Die nach Rübeland und Thale waren und sind sehr beliebt und werden mit am meisten nachgefragt. Absoluter Renner aber ist die »Gulaschkanonen-Tour« von Elbingerode aus nach Drei Annen Hohne. Sie ist auch heute noch die meistgebuchte und ist die allererste überhaupt, die angeboten wurde. Zeitgleich zum sich entwickelnden Segwaygeschäft setzten die Brüder ihre zweite Idee um und bauten schon an der Megazipline, eröffneten aber zunächst im Mai 2012 das so genannte Wallrunning. Hier können Mutige waagerecht an der Staumauer der Talsperre Wendefurth herunterlaufen. Ein halbes Jahr später wurde dann die Eröffnung der Megazipline gefeiert. Hier kann man seitdem an einem genau einen Kilometer langen Seil hinuntersausen. »Alle wollten fliegen. Die Megazipline ist nach wie vor ein Riesenspaß, daran hat sich bis heute nichts geändert. Wenn man sich denn hinunter traut«, schmunzelt Maik.
2013 war Harzdrenalin bereits so bekannt, dass das Schützen des Markennamens nur folgerichtig war. Mitarbeiter wurden eingestellt, an Ablaufplänen gefeilt. Und da die Harzdrenaliner wegen des Besucheransturmes regelmäßig auch an Grenzen stießen, wurde ein Buchungssystem eingeführt. Das sorgt seitdem für Entspannung und regelt alle Anfragen. Im letzten Jahr ließen die Berkes dann Geniestreich Teil vier und fünf folgen: TitanRT heißt die allerneueste Attraktion. Eine Hängebrücke und zudem noch die längste ihrer Art auf der ganzen Welt, weil sie in der Mitte über einen Pendelsprung verfügt. Im Mai 2017 wurden diese neuen Attraktionen eröffnet, der Ansturm ist seitdem ungebrochen. »Wir haben unsere ursprüngliche Idee eines Canyon-Swings damit dann doch noch verwirklicht. Wenn auch in etwas abgewandelter Form«, freut sich Stefan. Neben den Attraktionen wurde auch in die Infrastruktur investiert. Auf dem firmeneigenen Parkplatz wird eine gastronomische Grundversorgung angeboten. Genau dort, wo auch das Besucherzentrum gebaut wurde. Und auf einem Spielplatz können sich Kinder austoben. Alles in allem eine wirklich runde Sache und mit Alleinstellungsmerkmal versehen.
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Auch von diesem neuesten Berke-Projekt profitiert nicht nur Harzdreanlin selbst, sondern erneut eine ganze Region. Und das Kreis- und Ländergrenzen übergreifend. Die Übernachtungszahlen der Harzgäste sind gestiegen, die Verweildauer ebenso. Pensionen und Hoteliers bestätigen, dass ein Besuch der Harzdrenaliner mittlerweile als feste Größe auf der Wunschliste sehr vieler Gäste steht. Das Rundherum- Sorglos-Freizeit-Paket kommt an. Nicht nur bei so genannten Adrenalin-Junkies, sondern gleichermaßen auch bei Semi-Aktivurlaubern. Alle kommen hier auf ihre Kosten. Man kann sicherlich ohne zu übertreiben sagen, dass Harzdrenalin mittlerweile das touristische Schwergewicht im Harz ist und einen nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor dazu darstellt.
Um alles, was zum Geschäftsbetrieb gehört, dauerhaft reibungslos händeln zu können, mussten sich die Brüder allerdings dringend etwas einfallen lassen. Denn mittlerweile gehörten schon 30 Mitarbeiter zum Harzdrenalin- Team. Hier spielen neben der Buchung von Anfragen auch Dinge wie Wartung von Fahrzeugen und Equipment, Parkplätze für Mitarbeiter sowie Sozial- und Diensträume natürlich eine wesentliche Rolle. Zunehmend immer mehr. Bis zu diesem Zeitpunkt fungierten privates Wohnhaus der Berkes, Hof und Scheune im Ortskern Elbingerodes als Firmenzentrale. Von hier aus starteten auch die Segwaytouren. Hierher kamen alle Mitarbeiter, hier fanden die Meetings und Besprechungen statt. »Wir haben manches Mal im Regen stehend unsere Touren besprochen. Das war natürlich auf Dauer kein Zustand«, blickt Maik zurück.
Die Möglichkeit, in ein nach der politischen Wende erst neu gebautes, mittlerweile aber aufgegebenes Firmengrundstück in einem Gewerbegebiet umziehen zu können, kam da gerade recht. Hier ist nun alles optimal. Auch für die Möglichkeit, ausbilden zu können. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben. Da Maik einen Meisterbrief im Handwerk in der Tasche hat, darf natürlich auch ausgebildet werden. Eine Bewerberin beginnt im September die Lehre zur Kauffrau für Büromanagement. Eine zweite wird zur Kauffrau für Touristik und Freizeit ausgebildet, die dann ihr duales Studium über die Hochschule Harz zum Bachelor im Tourismusmanagement abschließen soll.
Zurzeit tüfteln die Harzdrenalin-Macher übrigens schon wieder an einem neuen Projekt. Die Pläne liegen bereits in der Schublade. Bis 2021 soll es umgesetzt werden. »Es wird ein Kracher, das kann ich schon mal verraten. Und, dass es diese neue Attraktion kein zweites Mal auf der Welt gibt, auch. Mehr aber noch nicht«, gibt sich Stefan geheimnisvoll. Kein Geheimnis ist hingegen, das bis dahin auch der gesamte Standort umgekrempelt und auf den allerneusten Stand gebracht werden wird. »Auch gastronomisch wird sich einiges ändern«, ergänzt Maik. Übrigens, ganz fest im Blick haben die Berke-Brüder auch zahlreiche Vereine und Institutionen in ihrer Region, die sie unterstützen. Gleich mehreren Sportvereinen, gerne auch mal der Feuerwehr, greifen sie unter die Arme. Als fördernde Mitglieder treten sie jetzt auch noch dem Harzklub-Zweigverein Elbingerode bei. »Wir wollen, dass unsere Vereine in der Stadt bestehen bleiben. Eine starke Gemeinschaft bildet das Rückgrat einer jeden Kommune. Und das soll auch so bleiben. Dafür muss man aber etwas tun.«
Autor: Frank Drecksler aus "Der Markt in Mitteldeutschland", 09/2018