Geschäftseröffnung

Dorfladen in Corona-Krise eröffnet

Ein Dorfladen wird traditionell nicht nur zum Einkaufen betreten. Er ist auch Ort des Gedankenaustauschs. Darum hat Silke Schröter einen langen Tisch mit Stühlen daran in ihren Laden gestellt. Nur darf sich derzeit niemand hier hinsetzen – des Corona-Virus wegen. Für unser Gespräch macht sie eine Ausnahme und stellt die Kaffeetassen im gebührenden Abstand auf den Tisch.
Gerade hat sie einen Aufsteller mit einem neuen Hinweis beschriftet: »Mund- und NasenschutzPFLICHT auch im Dorfladen«. Viel lieber würde sie von Angesicht zu Angesicht ihre Kundinnen und Kunden bedienen. Den Großteil kennt sie nämlich noch gar nicht. Kurz vor Ostern hatte die aus Burg stammende 46-Jährige ihren Dorfladen im etwa 50 Kilometer entfernten Bördedorf Angern eröffnet. Diversen Medien war das eine Berichterstattung wert – unter dem Tenor, dass mutig ist, wer inmitten der Corona-Krise eine neue Existenz gründet. Auf diesen Anlass zur Berühmtheit hätte Silke Schröter gern verzichtet. Auch wenn Geschäfte zur Grundversorgung trotz des Shutdowns geöffnet bleiben dürfen, tun sich doch für jene, die einen Laden neu eröffnen wollen, ungeahnte Hürden auf: Ämter sind unterbesetzt, weil die Kinder zuhause betreut werden müssen. Lieferanten dürfen in der Pandemie keine neuen Kunden annehmen wegen der intensiveren Betreuung. »Es sah beinahe so aus, als würde ich nicht rechtzeitig meine Steuernummer bekommen, keine Kundennummer und auch keine Ware«, sagt Silke Schröter und dass sie etliche schlaflose Nächte hatte. Andererseits habe sich gezeigt, was man alles erreichen könne, wenn man unbedingt will – »... und wenn man so tolle Freunde hat wie ich«, zeigt sie sich nachhaltig gerührt. »Dorfladen Schröter« steht seit 8. April an der Schaufensterscheibe.
Als sich Silke Schröter in der zehnten Klasse für den Beruf der Einzelhandelskauffrau entschied, konnte sie noch nicht ahnen, dass es das Jahr der deutsch-deutschen Einheit sein würde, in dem sie ihre Lehre antritt. 1990 hatte auch die Burger Verkaufsstelle der Konsumgenossenschaft ein umfangreicheres Warenangebot als zu ihrer Kindheit. Nach der Lehre folgten berufliche Jahre in Filialen großer Handelsketten. »Bis heute hat sich meine Freude am Kundenkontakt erhalten. Meinen Lebenstraum von einem eigenen Tante-Emma-Laden hatte ich zwischenzeitlich gedanklich zur Seite geschoben«, sagt Silke Schröter.
Als die lebens- und berufserfahrene Frau immer mehr verspürte, dass es Zeit wäre für eine berufliche Veränderung, klopfte dieser Traum wieder an die Tür. Bestärkt von Ehemann und Sohn fasste sie den Entschluss, ihn jetzt in ihr Leben hinein zu lassen.
Silke Schröter zeigt auf die mit Zeitungsartikeln tapezierte Wand in der künftigen Kaffee- Ecke. Einer ist ein Jahr alt; da demonstrierten sehr viele Bewohner von Angern gegen die Schließung ihres Dorfladens – mit einem Teilerfolg: Die Gemeinde kaufte den Laden samt Inventar und versprach, einen Pächter zu suchen. »Einige Bewerber wollten etwas anderes aus dem Geschäft machten«, weiß Silke Schröter. Sie bekam den Zuschlag, weil sie nichts anderes wollte, als Lebensmittel verkaufen.
Um sich an die Bedürfnisse der Dorfbevölkerung heranzutasten, steckte die frisch gebackene Ladeninhaberin Fragebögen in deren Briefkästen: Wann soll der Laden geöffnet sein? Was soll er im Grundsortiment haben? Was darf auf keinen Fall fehlen? Sind Besonderheiten gewünscht? ... »Es kamen erstaunlich viele Bögen ausgefüllt zurück«, sagt Silke Schröter und dass sie aus den Antworten insbesondere das Interesse an Unverpackt-Waren, an Bio- wie auch an regionalen Produkten entnehmen kann.
Es ist inzwischen 15 Uhr. Kunden warten vor der Tür. Nach deren Öffnung reißt der Zustrom nicht ab. Wie viele weiterhin hier einkaufen, wenn sich das Leben einigermaßen normalisiert, kann Silke Schröter noch nicht sagen. Sie weiß nicht, wer jetzt im Homeoffice oder aus anderen Gründen tagsüber zu Hause ist. Aber die erfahrene Verkäuferin will diese Zeit zur Kundenbindung nutzen. Da fährt sie schon mal selbst mit ihrem kleinen Transporter ins Lager, um langerwartete Waren zu holen. Und sie führt Gespräche mit Gemüse- und Obstbauern, Eierlieferanten ... aus der Umgebung. Der Tante-Emma-Laden vor der Haustür soll nicht nur wegen, sondern unbedingt auch nach der Corona-Krise seine Vorteile haben – und die seien ausbaufähig, meint Silke Schröter mit Blick auf noch leere Regalfächer.
Autorin Kathrain Graubaum: IHK Magdeburg aus "Der Markt in Mitteldeutschland", 05/2020