Namibia - Altmark

Was Lüderitz und Lüderitz verbindet

Deutschland und Namibia sind historisch verbunden, im Guten wie im Bösen.
Auf seiner Reise ins südliche Afrika im Dezember, lotete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) die Chancen für eine engere Zusammenarbeit aus. Ein Hauptthema seines Besuchs in Windhoek war die Produktion von Ammoniak und grünem Wasserstoff in dem südwestafrikanischen Land, das zur Sicherung einer ökologischen Energieversorgung für Deutschland und Europa beitragen soll. Schwerpunkt für eine solche Milliardeninvestition soll die Hafenstadt Lüderitz im Süden des Landes sein.
In Lüderitz ist der Bau einer riesigen Meerwasserentsalzungsanlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff geplant, die andererseits Trinkwasser für die Bevölkerung liefern soll. Für den Transport nach Europa müsste der Wasserstoff in Ammoniak umgewandelt und der dortige Hafen ausgebaut werden. Die benötigte Energie könnte vor allem durch Windkraftanlagen gewonnen werden, denn die Region gilt als eine der windreichsten der Welt. Bis jetzt sind das zwar nur Pläne, aber längst schon keine vagen Luftschlösser mehr.
Das erfuhr eine Delegation aus der Altmark, die Namibia besuchte. Seit Jahren besteht ein freundschaftlicher Kontakt zwischen dem zur Einheitsgemeinde Tangerhütte gehörenden Dorf Lüderitz und der gleichnamigen Stadt in Namibia. Nun gab es den ersten persönlichen Kontakt zwischen offiziellen Vertretern beider Kommunen. Dabei waren Bürgermeister Andreas Brohm (parteilos), Ortsbürgermeisterin Edith Braun und die Leiterin der örtlichen Grundschule Sarah Giese. Herzlich empfangen wurden sie von Bürgermeisterin Anne-Marie Hartzenberg und weiteren Vertretern des Town Councils (Stadtrat).
Wer die namibische Hafenstadt durchstreift, stolpert unweigerlich über die Verbindung zu Deutschland. An mehreren Stellen künden große Tafeln davon, dass es noch ein zweites Lüderitz auf der Welt gibt. Zahlreiche Touristenkarten zieren die Wappen beider Orte. Auch im Sitzungssaal des Town Councils haben die Stadträte das Thema durch eine Wandtafel stets vor Augen. Im altmärkischen Lüderitz gibt es ein identisch gestaltetes Schild am Ortseingang. Erstaunliche Parallelen verbinden die 9.000 Kilometer Luftlinie entfernten Kommunen.

Große Gewerbeansiedlungen sind geplant

Während im altmärkischen Lüderitz einer der größten Windparks Deutschlands steht, setzt man im afrikanischen Pendant nun auch auf regenerative Energien. Lüderitz (Altmark) bekommt Autobahnanschluss. In Lüderitz (Namibia) soll der Hafen ausgebaut werden. Große Gewerbeansiedlungen sind in beiden geplant. »Die Herausforderungen sind gigantisch«, sagt Brohm. Das afrikanische Lüderitz werde sich auf über 30.000 Einwohner verdoppeln. Aktuell gebe es keine funktionierende Abfallwirtschaft, Trinkwasser sei knapp. Die Frage der Wasserversorgung, die die Wüstenstadt traditionell beschäftigt, werde inzwischen auch in Deutschland zum Problem.
Bei Schulbesuchen gewannen die deutschen Gäste einen Einblick in das straff organisierte Bildungswesen. Die Kinder aus unterschiedlichen Altersstufen präsentierten ihre Einrichtung und äußerten ihre Erwartungen. Der Ausbau des Deutschunterrichts und eine mögliche Verbindung zu Altersgenossen in Deutschland, stehen dabei ganz oben auf der Wunschliste. Sarah Giese übernahm spontan eine Unterrichtsstunde. Ihre Schüler hatten Briefe und digitale Nachrichten für die namibischen Altersgenossen mitgegeben.

»Agenda 2030 – kommunaler Fachaustausch mit afrikanischen Partnern«

Im Anschluss an den Besuch vor Ort nahm die Gruppe an einem Vernetzungstreffen für deutsch-namibische kommunale Partnerschaften in der Hauptstadt Windhoek teil. Organisiert und finanziert wurde die Veranstaltung mit rund 50 Teilnehmern von jeweils sechs Kommunen im Rahmen des Projektes »Agenda 2030 – kommunaler Fachaustausch mit afrikanischen Partnern« des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Lüderitz und Lüderitz präsentierten dort zusammen ihre bisherigen gemeinsamen Aktivitäten.
Nachdem es 1990 einen ersten Kontakt gegeben hatte, wurde die Verbindung 2017 durch eine private Initiative wiederbelebt. Der Stadtrat der Einheitsgemeinde Tangerhütte und das Town Council von Lüderitz (Namibia) hatten 2018 den Ausbau der Beziehungen beschlossen. Seitdem gab es eine Reihe von Kontakten, meist auf privater Ebene. Bisheriger Höhepunkt war 2019 das gefeierte Konzert eines namibischen Chores in der Dorfkirche des altmärkischen Lüderitz. Während der Pandemie gab es keine persönlichen Kontakte.
»Wir sind sehr aufgeregt und fühlen uns geehrt, die Beziehung zwischen uns und Lüderitz, Deutschland wiederbelebt zu haben«, zieht Philip Balhao, Vorsitzender des Verwaltungsausschusses der Stadt Lüderitz, eine positive Bilanz.
Die Delegation aus Deutschland habe viel von ihrem Wissens- und Erfahrungsschatz geteilt. Die Kontakte sollten ausgebaut werden. »Mit Blick auf unsere eigenen Ressourcen müssen wir schauen, was weiter entstehen kann«, sagt Brohm. Das könne auf der persönlichen Ebene sehr konkret und regelmäßig sein. Für Ende Januar wurde ein Zoom-Meeting verabredet.
Die Hafenstadt in Namibia ist nach dem deutschen Kaufmann Adolf Lüderitz benannt. Neben dem Fischfang zählt der Tourismus zu den wichtigsten Einnahmequellen. Obwohl nur noch knapp 50 Deutschsprachige dort leben, prägt die deutsche Kultur bis heute den Ort. Der Name und die Architektur sind in Namibia einmalig. Auch in Lüderitz wurden durch die deutsche Kolonialmacht schreckliche Verbrechen begangen. Es gibt daher Bestrebungen, den Ortsnamen zu ändern.
Autor: Christian Wohlt aus "Der Markt in Mitteldeutschland", Mai-Juni/2023