Berufsschule Magdeburg

Den Computer beherrschen

Den Computer beherrschen, nicht umgekehrt: Sie ist die älteste ihrer Art und hat schon manchen Sturm der Zeit erlebt. Seit 1904 erwerben in den Berufsbildenden Schulen am Magdeburger Krökentor junge Menschen das Rüstzeug fürs Leben. Nun bahnen sich erneut einschneidende Veränderungen an. Revolutionärer Geist weht durch die ehrwürdigen Gemäuer. Die Digitalisierung macht auch vor der Berufsschultür nicht Halt.
»Du sollst das Denken lernen, nicht das bereits Gedachte«, ist die Philosophie von Olaf Kleinschmidt. »Bereits in der Schule müssen junge Leute an moderne Technologien herangeführt werden«, sagt der frühere Lehrer und heutige Inhaber der Firma MAXX2IT, die didaktische Konzepte und individuelle Lernumgebungen entwickelt. Internationale Schulleistungsstudien hätten gezeigt, dass in Deutschland trotz hoher Investitionen und zahlreicher Förderprogramme eine regelmäßige schulische Computernutzung sehr wenig verbreitet und Lehrkräfte nicht ausreichend auf das Thema vorbereitet seien. Für Kleinschmidt ist nicht die Hardware entscheidend, sondern die Software und die Art und Weise, wie das Wissen vermittelt und angeeignet wird.
Seit zirka acht Jahren unterhalten die BerufsbildendenSchulen »Otto von Guericke« Magdeburg über die Deutsche Gesellschaft für InternationaleZusammenarbeit (GiZ) Kontakte zu chinesischen Partnereinrichtungen im Raum Shanghai. Die Berufsschulenin der Volksrepublik seien mit zirka 10.000 Schülern deutlich größer, aber computertechnisch sehr gut ausgestattet, berichtet Hans-Jürgen Meier. Defizite gebe es aber in der pädagogischmethodischen Herangehensweise. Tolle Ausstattung allein reiche nicht, so der deutsche Schulleiter.
Die Landesregierung bemüht sich, den Digitalisierungs- Zug nicht zu verpassen und die Bildungseinrichtungen fit für die Zukunft zu machen. Zum Schuljahr 2018/19 wird das Landeskonzept »Bildung in der digitalen Welt durch Einsatz digitaler Medien und Werkzeuge an den Schulen des Landes Sachsen-Anhalt« (PDF) in Kraft treten. Vor knapp einem Jahr startete ein Förderprogramm, um Schulen mit der neuesten IT-Technik auszustatten. Dafür stellen EU und Land 13,3 Millionen Euro im Zeitraum bis 2023 bereit. Finanziert wird die IKT- Ausstattungsförderung (IKT: Informations- und Kommunikationstechnik) über diese Richtlinie mit 10 Millionen Euro aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) und 3,3 Millionen Euro vom Land Sachsen- Anhalt. Als Fördervoraussetzung muss unter anderem ein schlüssiges IKT-Konzept vorgelegt werden.
An den berufsbildenden Schulen »Otto von Guericke« in Magdeburg hat man diese Hausaufgaben bereits erledigt. Mehr als 2.800 Schüler für den technisch-gewerblichen Bereich, 80 Prozent davon in der dualen Berufsausbildung, lernen dort. Sie werden von rund 100 Lehrkräften betreut. Die 90 Unterrichtsräume sind modern ausgestattet. »Alle mit Internetanschluss«, berichtet Schulleiter Hans-Jürgen Meier nicht ohne Stolz. Auch die Computerkabinette sind gut bestückt. Rechner, die mit Beamern verbunden sind, und elektronische Tafeln erleichtern die Arbeit. Ein Systemadministrator kümmert sich um die Hardware. Schüler und Lehrer sind über Lernplattformen vernetzt. So können Aufgaben in der Schule und zu Hause erledigt werden. Stunden- und Vertretungspläne sind online einsehbar.
Dennoch: Was modern klingt, ist heutzutage allenfalls technisches Mittelmaß. Wenn während des Unterrichts viele Klassen gleichzeitig online gehen, wird aus der eigentlich flotten 25-MB/s-Datenrate eine mühsame Hängepartie. Für den Bedarf ist das Netz viel zu langsam. Daher sind eine Erweiterung auf 500 MB/s und die Ausstattung aller Unterrichtsräume mit W-LAN geplant. Bis zu einer Viertelmillion Euro wird allein diese Modernisierung den Träger der Einrichtung, die Stadt Magdeburg, kosten. In den nächsten zwei Jahren soll die Umstellung auf Glasfasertechnologie über die Bühne gehen. Der Startschuss für die Aufrüstung fällt im März.
Bisher verfügen laut Auskunft des Bildungsministeriums nur 4,7 Prozent der Schulen im Land (alle Schulformen) über diese moderne Technologie. Knapp 74 Prozent der Bildungseinrichtungen sind mittels Kupferkabel, etwa neun Prozent über Kabel an das Internet angebunden. Bis 2020 sollen alle Schulen des Landes Sachsen-Anhalt an das Glasfasernetz angeschlossen sein. »Wir können uns nicht beklagen«, sagt Schulleiter Meier über die Entwicklung der digitalen Ausstattung in seinem Hause. Das ist für ihn aber nur die eine Seite der Medaille. »Das Aktivboard ersetzt nicht Kreide und Tafel«, ist er überzeugt. Für ihn ist es wichtig, dass die Schüler nicht nur Zugang zum schnellen Internet haben und mit den modernen Geräten umgehen können, sondern auch wissen, warum und wie etwas funktioniert. Die theoretischen Grundkenntnisse sollten vorhanden sein: »Damit ich den Computer beherrsche und nicht der Computer mich«, sagt Meier. Ein Rechner mache schließlich nur das, was man ihm vorher eingegeben hat.
Sandra Fischer, Geschäftsführerin der Magdeburger Q-Fin GmbH und Vorsitzende des IHK-Dienstleistungsausschusses, kann diesem Anliegen nur zustimmen. Die Firma entwickelt Softwarelösungen für namhafte Unternehmen und bemüht sich, Schüler möglichst früh in die digitale Welt mitzunehmen. Kinder können zwar meist schon in der Grundschule spielend Handy und Computer bedienen. Das technische Grundverständnis und die richtigen Umgangsformen bleibe vielen aber fremd. Und sie beklagt ein weiteres Manko bei den Jugendlichen: Fehlende »Medienkompetenz«.
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Dass es heutzutage selbstverständlich ist, Bewerbungen online einzureichen, hätten die meisten begriffen, berichtet Fischer aus eigener Erfahrung. Was ihr auf diesem Weg ins Haus flattere, sei aber manchmal hanebüchen. So gehöre in einer Bewerbungs-E-Mail die korrekte Anrede und ein kurzes Anschreiben in korrekter Rechtschreibung zum guten Ton. Dass man gängige Datenformate und nicht übermäßig große Dateien verwenden sollte, sei bei weitem nicht jedem geläufig. Manchmal trudeln Dateidokumente ein, die auch das versierte IT-Unternehmen nicht öffnen kann.
Mit ihrem Kursangebot »Lernen mit Robotern« bemüht sich die Q-Fin GmbH, Kinder möglichst früh mit der digitalen Welt vertraut zu machen. Anhand spezieller Lego-Baukästen werden spielerisch die Grundkenntnisse der Programmierung vermittelt und funktionsfähige kleine Roboter gebaut. Mathematik clever verpackt. »Informatik durch die Hintertür«, nennt es die IT-Spezialistin. Dabei gehe es nicht nur darum, zu erklären, wo Daten herkommen, sondern auch das Verständnis für einen verantwortlichen Umgang damit zu wecken. Je früher, desto besser.
Auch im Bildungsministerium weiß man, die Digitalisierung nicht mit Bildungskonzepten und der Anschaffung von Technik anordnen kann. Nach dem Motto »Technik folgt Pädagogik« sollen Schulen in enger Kooperation mit dem Schulträger die technische Ausstattung planen, berichtet Heinz-Josef Sprengkamp vom Referat »Digitale Bildung, Bildungsmanagementsystem«. Nur so ließen sich neue Wege in der digitalen Bildung beschreiten und »unterwegs« Investitionsruinen vermeiden.
Die Rahmenempfehlung zur IT-Ausstattung von Schulen (2017) sei ein weiterer Wegweiser für alle, die neue technische Rahmenbedingungen an ihrer Schule schaffen wollen. Es komme darauf an, für jede Schule individuell zugeschnittene IT-Lösungen zu finden. Mitte 2017 hatten 267 der annähernd 900 Schulen des Landes ein Medienbildungskonzept, was zum Schuljahr 2020/21 verbindlich sein werde.
Autor: Christian Wohlt aus "Der Markt in Mitteldeutschland", 03/2018