Ilsenburger Flugbenzin

»Ein schönes Gefühl, verantwortlich zu sein!«

Dass im Harz die Hexen ihr Unwesen treiben, ist hinlänglich bekannt. Dass sie in der Nacht zum ersten Mai auf Besen reitend zum Blocksberg fliegen, ebenso. Damit sie das überhaupt schaffen, will vor allem der Treibstoff gut gewählt sein. Eine ganz besondere Art davon wird am Fuße des Brockens am Harzrand hergestellt. Das Ilsenburger Brockenhexen Flugbenzin ist ein hochprozentiger Kräuterlikör, der schon seit 1995 produziert und nicht nur von Hobbyhexen gern gekauft wird. Allerdings nicht zum Betanken ihrer »Fahrzeuge«, sondern als hochprozentige Gaumenfreude für den besonderen Moment.
Liköre gibt es hierzulande wohl dutzendfach und in unterschiedlichster Art. Dunkle, helle, farbige. Süße, säuerliche oder manchmal auch bitter schmeckende. Eben für jeden Geschmack etwas. Aber dass, was in liebevoller Handarbeit in Ilsenburg seit Mitte der 1990er entsteht, erfreut mittlerweile eine ständig wachsende Liebhabergemeinde. Die Grundlage für den entwickelten Kräuterlikör basiert auf einem alten, geheimen Klosterrezept.
»Das Ilsenburger Brockenhexen Flugbenzin ist mittlerweile ein echtes Touristenprodukt, das genau in unsere Zeit passt. Dank einer ausgeklügelten Rezeptur, die meine Mutter Kerstin aus 16 verschiedenen Kräutern mit Alkohol und Honig entwickelt hat und die seit Bestehen der Manufaktur unverändert ist, scheint der Likör doch dem einen oder anderen Gaumen zu gefallen. Und das deutschlandweit und trotz 45 Prozent Alkoholgehalt«, schmunzelt Franziska Enzenberg.

Übernahme und erfolgreiche Weiterführung

Die 41-jährige, frischgebackene Unternehmerin hat die kleine Likörmanufaktur im letzten Jahr von ihren Eltern übernommen und führt das Geschäft seitdem sehr erfolgreich weiter. Bis zu diesem Zeitpunkt war die gelernte Betriebswirtin lange Jahre in der Hotellerie tätig:
»Den Wunsch, wieder in den Harz zurückzukehren, hatte ich nie aufgegeben. Als sich die Gelegenheit ergab, direkt neben meinen Eltern ein Haus erwerben zu können, habe ich nicht lange gezögert und bin wieder nach Ilsenburg zurückgekehrt. Da ich mit der Likörmanufaktur quasi aufgewachsen bin und für meine Eltern der Ruhestand näherkam, musste ich nicht lange überlegen, ob ich den Betrieb weiterführen wollte oder nicht. Sonst wäre das Unternehmen verkauft worden. Und das wollte ich nicht.«
Doch vor den Erfolg hatten auch hier »die Götter« bei der Übernahme und Weiterführung des Unternehmens zunächst den Schweiß gesetzt. Das Schreiben von Budget- und Businessplänen stand ebenso auf dem Programm wie diverse Austausche, Kurse und Absprachen sowie Treffen mit dem Innovations- und Gründerzentrum in Wernigerode, dem Steuerberater, dem Gewerbeamt der Stadt Ilsenburg sowie der Agentur für Arbeit. Und natürlich nicht zuletzt mit der IHK, die das Vorhaben vor, während und in der Nachfolge der Gründung intensiv begleitet und somit die erfolgreiche Unternehmensnachfolge überhaupt erst ermöglicht hatte.

Ein schöner, erster Arbeitstag

Der Aufwand habe sich für sie durchaus gelohnt. Denn schon ihren ersten Arbeitstag habe sie sehr genossen:
»Es war und ist ein schönes Gefühl zu spüren, für das, was man tut, verantwortlich zu sein. Dabei diese Flexibilität in der Selbständigkeit zu haben. Und sich beruflich selbst verwirklichen zu dürfen. Sein eigener Herr oder seine eigene Frau sein zu dürfen. Das ist schon schön.«
Am bewährten Ablauf der Produktion hält die Jungunternehmerin natürlich fest. Die Rohstoffe, die sie verwendet, kommen alle aus dem Einzelhandel, wobei die Geschäftsfrau konsequent auf regionale Anbieter aus dem Harz setzt.
Der Likör ist übrigens kein gebrannter Schnaps, sondern ein aufgesetzter. Jeweils acht Kräuter werden zunächst in zwei verschiedenen Gängen zerkleinert, dann mit Alkohol aufgegossen und je nach Ansatz eine gewisse Zeit stehengelassen, damit die Kräuter den Alkohol bereichern können. Honig und andere Zutaten kommen danach noch dazu. Was den Unterschied macht. Denn im Gegensatz zu den dunklen Schnäpsen kratzt dieser Kräuterlikör eben nicht im Rachen, sondern
»...läuft geschmeidig« hinunter. »Er geht sehr schön ab«, schmunzelt Enzenberg. Der Fertigungsprozess dauert immer sieben Tage, damit sich die Schwebstoffe absetzen können. Je länger der Ansatz steht, umso besser. Dann wird in die vorher etikettierten Flaschen abgefüllt und ausgeliefert.
Zurzeit forciert Franziska Enzenberg die Präsenz in den sozialen Medien, will dort stärker auf ihr Produkt aufmerksam machen. Und sie will sich für die Zertifizierung ihres Kräuterlikörs beim Harzer Tourismusverband als ein Produkt der Regionalmarke »Typisch Harz« bewerben. Da sie konsequent auf regionale Produkte als Zutaten setzt, rechnete sie sich dafür gute Chancen aus.
Autor: Frank Drechsler aus "Der Markt in Mitteldeutschland", Mai-Juni/2023