4 Fragen zur Situation

Aktuelle Baustellensituation Magdeburg

4 Fragen an Birgit Münster-Rendel von den Magdeburger Verkehrsbetrieben und Rolf Lay von der IG Innenstadt zur aktuellen Baustellensituation in Magdeburg
Birgit Münster-Rendel
In Magdeburg wird gebuddelt und gebaut. An vielen Ecken wächst und verändert sich die Stadt. Können Sie die aktuellen Baumaßnahmen der MVB in der Innenstadt (Breiter Weg, Schönebecker und Warschauer Straße) kurz erläutern, die Notwendigkeit darlegen?
In der Tat sind die Baustellen der MVB in Magdeburg nicht zu übersehen. In verschiedenen Ecken der Stadt sind wir tätig und investieren in eine gute Infrastruktur. Auch wenn der Lärm und die Umleitungen, die Baustellen mit sich bringen, momentan eine Belastung für jeden Einzelnen sind, so können sich alle über das Endergebnis freuen, wenn wir topmoderne Haltestellen, Flüstergleise und moderne Fuß- und Radwege haben werden.
Das kommt allen zu Gute. Im Breiten Weg bauen wir unsere wichtigste Bestandsstrecke mitten in der Fußgängerzone in der Innenstadt aus. Dies war dringend notwendig, da wir hier aufgrund des schlechten technischen Zustands kurz vor einer Streckenstilllegung standen.
Nach Abschluss der Arbeiten fahren unsere Straßenbahnen wieder schneller über ein neues Rasengleis, und die Haltestellen Am Katharinenturm und Opernhaus werden auf den neuesten Stand der Barrierefreiheit gebracht sein, was vor allem ältere Menschen, mobilitätseingeschränkte Menschen und Fahrgäste mit Kinderwagen freuen wird.
In der Warschauer und Schönebecker Straße, aber auch im Neustädter Feld und im Kannenstieg sind wir derzeit dabei, ganz neue Straßenbahnstrecken zu bauen. Wir errichten eine zweite Nord-Süd-Verbindung für die Straßenbahn, die das Reisen zwischen den Stadtteilen und in die Innenstadt für die Menschen einfacher und schneller machen wird. 44.000 Magdeburger werden erstmals eine Straßenbahnanbindung direkt vor der Tür haben.
Dies ist ein zukunftsweisendes Projekt, das die Landeshauptstadt seit Ende der 1990er-Jahre verfolgt. Da war an die aktuellen Diskussionen um Verkehrswende und »Fridays for future« noch gar nicht zu denken. Es zeigt eindrucksvoll, mit wie viel Weitsicht politische Entscheidungen getroffen werden müssen. Auf dieses Projekt, das wir in den nächsten Jahren zum Abschluss bringen werden, können wir stolz sein – zumal es in seiner Dimension (25 % Erweiterung des Streckennetzes) in Deutschland einmalig ist.
Welche sind die größten Herausforderungen, die Ihnen bei der Planung und Umsetzung begegnen?
Bei der 2. Nord-Süd-Verbindung bauen wir fast 14 Kilometer neue Gleise quer durch die gewachsene Stadt, das macht man mal nicht eben mit einem Fingerschnips. Im Vorfeld laufen daher viele Planungsrunden, bei denen alle Beteiligte an einen Tisch kommen: das Stadtplanungsamt, das Tiefbauamt, die Leitungsträger und weitere Beteiligte. Wir müssen uns genauestens abstimmen, damit auf der Baustelle später alles reibungslos läuft. Oftmals macht einem dann aber doch das Alter der Stadt einen Strich durch die Rechnung, wenn die Bauleute vor Ort auf alte Leitungen treffen, die in keinem Plan vorher eingezeichnet waren.
Herausfordernd sind auch immer wieder die Planungen für die Verkehrsführung während der Bauzeit. Natürlich könnte man sagen, wir sperren den Bereich jetzt komplett und ziehen die Bauarbeiten in einem Rutsch durch – das würde Zeit sparen. Aber wir müssen und wollen natürlich immer eine sinnvolle Verkehrsführung anbieten, sowohl für unsere Fahrgäste als auch für die Autofahrer.
Viele Unternehmer erkundigen sich nach dem zeitlichen Ablauf der Maßnahmen und bemängeln die aus ihrer Sicht scheinbar unabgestimmte Vorgehensweise. Würden Sie den Prozess der Baustellenkoordination für unsere Leser erläutern?
Ich kann natürlich nur für die Projekte sprechen, die die MVB betreffen. Es sei Ihnen versichert, dass die Baustellen keineswegs unkoordiniert sind. Wenn wir eine Maßnahme planen, müssen wir diese mit dem Tiefbauamt und der Straßenverkehrsbehörde abstimmen, dabei stellen wir auch unsere Vorschläge für den Umleitungsverkehr vor.
Da ist es auch schon vorgekommen, dass wir unsere Baustelle nicht wie geplant zum gewünschten Zeitpunkt genehmigt bekommen haben, denn das Tiefbauamt koordiniert alle Sperrungen in der Stadt und behält dabei den Überblick. Wichtig ist zum Beispiel, dass auch immer genügend Wege für die Rettungskräfte zur Verfügung stehen. Man einigt sich dann auf Terminverschiebungen. Bei der Fülle an Bauvorhaben ist es aber logisch, dass sich Überschneidungen nicht ausschließen lassen.
Unsere Unternehmerschaft interessiert es sehr, ob Sie bei diesen Vorhaben einheimische Unternehmen beschäftigen. Gibt es dazu Beispiele? Was verbessert sich für die ansässigen Unternehmen nach Abschluss der Bauarbeiten?
Wir investieren bei unseren Projekten oftmals Millionensummen, weswegen wir die entsprechenden Leistungen europaweit ausschreiben müssen. Umso mehr freut es mich, wenn Fachfirmen aus der Region den Zuschlag erhalten. In der Schönebecker Straße baut beispielsweise die ITB aus Schönebeck und im Kannenstieg und im Breiten Weg baut die STRABAG, die ein Büro in Magdeburg haben.
Wir unterhalten außerdem Verträge mit der MHB aus Magdeburg, die für uns viele Instandhaltungsmaßnahmen realisieren.
Am Ende profitieren alle vom Straßenbahnnetzausbau. Die Straßenbahn hat Zugkraft und wirkt wie ein Magnet auf die sich entwickelnde Stadt. Eine gute Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist nicht nur für die Wohnungswirtschaft von immenser Bedeutung, gerade auch vor dem Hintergrund der immer älter werdenden Bevölkerung. An der Neubaustrecke nach Reform sieht man das eindrucksvoll. Hier sind nicht nur neue Häuser entstanden, das THW hat beispielsweise seinen Sitz an die Strecke verlegt und eine Haltestelle danach benannt. Ausschlaggebender Punkt war dabei auch die gute Anbindung an den ÖPNV. So geht es vielen Firmen. Die Mitarbeiter wollen schließlich schnell und unkompliziert zur Arbeit kommen und das geht mit der Straßenbahn oftmals am besten.

Rolf Lay
Rolf Lay
In Magdeburg wird gebuddelt und gebaut. An vielen Ecken wächst und verändert sich die Stadt. Was erwarten Sie als Mitglied der IG Innenstadt und als IHK-Vizepräsident von den aktuellen Baumaßnahmen für die Entwicklung der Innenstadt?
Dass die Magdeburger Innenstadt, aber auch die Nebenzentren, dann wieder zügig und vor allem für unsere »auswärtigen« Besucher problemlos zu erreichen ist.
Welchen Herausforderungen sehen sich dabei Handel und Gewerbe gegenüber? Wie stellen sich Handel und Gewerbe darauf ein?
Derzeit gilt es den, auch durch die zahlreichen Baustellen, ständigen Besucherrückgang zu stoppen. Es gibt bereits Händler, die ihr Ladenlokal schließen oder auf Grund der fehlenden Umsätze über Kurzarbeit und Entlassungen nachdenken. Wir haben als IG Innenstadt die Stadtverantwortlichen aufgefordert, bereits im Vorfeld von großen einschneidenden Baumaßnahmen mit uns informativen Kontakt aufzunehmen. Wir müssen die Händler und Gastronomen rechtzeitig darüber informieren, um eventuell geeignete Maßnahmen zu planen und umzusetzen.
Die IG Innenstadt unterstützt und berät die Betroffenen und hält den Kontakt zu den Behörden, um für alle beispielsweise bei Zufahrten eine möglichst optimale Lösung zu finden.
Werden aus Ihrer Sicht die ansässigen Unternehmen ausreichend in die Planung und Umsetzung der Straßenbaumaßnahmen einbezogen?
Nein, bisher nicht rechtzeitig und umfassend!
Wie stellen Sie sich die Situation des innerstädtischen Handels im Jahr 2030 vor?
Ich habe die Vision:
  • dass dann auch wieder mehr inhabergeführte Geschäfte den Mut haben, sich hier anzusiedeln.
  • dass dann neue interessante Geschäfte, die es bisher in Magdeburg noch nicht gibt, Interesse finden, sich hier niederzulassen. Und nicht vom Gleichen mehr!
  • dass die Stadt dann für alle Verkehrsteilnehmer eine gute und sichere Erreichbarkeit bietet. Hier geht es unter anderem um Fahrradwege, Abstellmöglichkeiten etc.
  • dass der Handel sich bis dahin digital hinreichend aufgestellt hat.
Autor: IHK Magdeburg aus "Der Markt in Mitteldeutschland", 10/2019