Interview Timo Schubert

…die öffentliche Bestellung als Sachverständiger ein Zeichen für Kompetenz und Integrität ist - sie ist ein äußeres Qualitätsmerkmal. Das schafft Vertrauen, auch bei neuen Auftraggebern, da definierte Qualitätsstandards bei der Gutachtenerstattung erwartet werden können. Durch den geleisteten Eid verpflichtete ich mich in besonderer Form zu objektiver und neutraler Gutachtenerstellung, was Vertrauen schafft.

Insbesondere die Anzahl der gerichtlichen Beauftragungen hat mit diesem Tag stark zugenommen und ist seitdem auf einem hohen Niveau. Als Sachverständiger gilt man vor Gericht als Beweismittel - die Erwartungen und die damit einhergehende Verantwortung sind größer geworden. Schließlich ebnete mir die öffentliche Bestellung und Vereidigung auch den Weg in die Selbstständigkeit als hauptberuflich tätiger Sachverständiger. Die Selbstständigkeit bringt gerade in der heutigen Zeit ihre eigenen Herausforderungen mit sich. Auf der einen Seite steht die freie Zeiteinteilung, die ich nicht mehr missen möchte, auf der anderen Seite kamen viele Aufgaben und Problemstellungen als Unternehmer hinzu, die nicht mein erklärtes Ziel waren, als ich Fahrzeugtechnik studiert habe, um Ingenieur in einer technischen Fachrichtung zu werden. Man wächst mit seinen Aufgaben.

Man erwartet eine überdurchschnittliche fachliche Kompetenz innerhalb des eigenen Fachgebiets, bei der man aber seine eigenen Grenzen genau kennen und auch klar darlegen muss. Die Bereitschaft zu stetiger Weiterbildung sollte selbstverständlich sein. Das betrifft nicht nur das eigene Fachgebiet, sondern auch juristische Fragestellungen und aktuelle rechtliche Sichtweisen. Sehr wichtig sind eine analytische und streng logische Denkweise, gepaart mit einem sehr hohen Maß an Genauigkeit sowie einer sorgfältigen Arbeitsweise. Zudem ist eine gute mündliche und schriftliche Ausdrucksweise entscheidend, um komplexe Sachverhalte für den Laien verständlich zu erklären – alle Verfahrensbeteiligte haben ein Recht darauf, die Gutachtenaussage zu verstehen. Besonders die mündliche Erstattung eines Gutachtens vor Gericht verlangt eine gefestigte Persönlichkeit und oft auch Gelassenheit, um bei allen Emotionen der Parteien, die Sachverhalte unabhängig und anhand der objektiven Anknüpfungstatsachen neutral zu erläutern.

Das ist schwer zu beantworten. So ziemlich jeder Fall meines Fachgebiets hat interessante Aspekte. Insbesondere die oft gänzlich unterschiedlichen Sichtweisen und Wahrnehmungen der Parteien auf denselben Unfall im Vergleich zum objektiv rekonstruierten Ablauf sind immer wieder spannend. Eines meiner Schwerpunkte ist die Ermittlung von Unfallursachen nach schweren Verkehrsunfällen, zu denen ich direkt hinzugezogen werde. Diese Fälle haben eine hohe Komplexität und verlangen von Beginn an volle Konzentration. Oft werde ich spät abends, nachts oder früh morgens durch die unfallaufnehmenden Polizeibeamten angerufen. Der Unfall ist dann gerade erst passiert und die Unfallstelle noch weitgehend unverändert. Zu meinen Aufgaben zählen die Spurensicherung vor Ort, eine erste Einschätzung zum Unfallhergang und schließlich die Absprache mit den ermittelnden Polizeibeamten zur weiteren Vorgehensweise. Oft erfolgt die Unfallaufnahme unter Zeitdruck, da die Straße währenddessen voll gesperrt ist, was gerade bei Unfällen auf Bundesstraßen oder Bundesautobahnen problematisch ist. Wenn dann am Ende durch die eigene Tätigkeit und die enge Zusammenarbeit mit der Polizei alle Puzzleteile zusammengesetzt und der Unfallhergang aufgeklärt werden kann, erfüllt einen das auch mit Stolz.

Die öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger bietet den Zugang zu immer neuen, spannenden und herausfordernden Aufgaben. Als Sachverständiger trägt man aktiv zur Rechtssicherheit bei. Die Nachfrage nach qualifizierten Gutachtern steigt kontinuierlich, da viele Kollegen aus Altersgründen ausscheiden. Wenn man sich etabliert hat, bietet es eine sichere wirtschaftliche Basis für eine anspruchsvolle und abwechslungsreiche selbstständige freiberufliche Tätigkeit.