Selbständige in Deutschland
Ausländer (Bürger aus Drittstaaten, d. h. alle Staaten, die nicht der EU angehören ), die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben oder nach hier verlegen wollen und hier einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen (wollen), benötigen i.d.R. einen entsprechenden Aufenthaltstitel, der entweder die Erwerbstätigkeit ausdrücklich zulässt (Aufenthaltserlaubnis) oder deren Ausübung von sich aus umfasst (Niederlassungserlaubnis).
Was sind "selbständige Tätigkeiten"?
Zu den selbständigen Tätigkeiten gehören alle Tätigkeiten, die ein Unternehmer im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko durchführt. Über die selbständige Tätigkeit im engeren Sinne hinaus werden auch solche Tätigkeiten und Funktionen in Unternehmen erfasst, die aufgrund der mit ihnen verbundenen Vertretungsmacht oder wegen des faktischen oder wirtschaftlichen Einflusses als der selbständigen Tätigkeit vergleichbar anzusehen sind.
Nach dieser Definition zählen zu den selbständigen Erwerbstätigkeiten z. B.:
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gewerbliche Tätigkeiten wie z. B. Groß- und Einzelhandel, Im- und Export, Makler, Gastwirt,
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freiberufliche Tätigkeiten etwa als Künstler (Maler, Musiker, Schriftsteller), Journalist, Ingenieur, Architekt,
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Urproduktionsbetriebe wie z. B. land- und forstwirtschaftliche Betriebe
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selbständiger Handelsvertreter, der von einem anderen Unternehmer - bei freier Zeiteinteilung und weitgehender Gestaltungsfreiheit - damit beauftragt ist, für diesen Verträge abzuschließen oder zu vermitteln
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bei einer Kommanditgesellschaft (KG) der Komplementär der KG,
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bei einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) jeder einzelne Gesellschafter,
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bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR oder BGB-Gesellschaft) jeder einzelne Gesellschafter, da Personengesellschaften nicht als Gewerbetreibende angesehen werden können
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bei einer GmbH jeder Gesellschafter (auch ohne Geschäftsführer-Tätigkeit), der eine Mehrheit an Gesellschaftsanteilen hält und damit einen bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann
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Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), sofern sie gleichzeitig erhebliche Anteile an der Gesellschaft halten
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Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften (AG) als vertretungsberechtigten Organe einer juristischen Person
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Ausländer, denen die Aufnahme einer selbständigen oder vergleichbaren unselbständigen Erwerbstätigkeit zwar verboten ist und die sich aber zu mehreren - jeweils nur als Minderheitsgesellschafter - an einer GmbH beteiligen.
Dies gilt selbst dann, wenn sie einen deutschen Geschäftsführer berufen, weil sie zusammen die Mehrheit innehaben und somit die Gesellschaft wirtschaftlich beherrschen und Weisungen erteilen können. -
unselbständige Reisegewerbetreibende
Keine selbständigen Erwerbstätigkeiten sind hingegen u. a.:
- die bloße Kapitalbeteiligung an Unternehmen, sei es als „stiller Gesellschafter" oder als Kommanditist einer KG
- Minderheitsgesellschafter einer GmbH
Ausländerrechtliche Voraussetzungen für die Aufnahme einer "selbständigen Erwerbstätigkeit"
Um eine selbständige Tätigkeiten ausüben zu dürfen, muss der Unternehmer/ ausländische Existenzgründer einen Aufenthaltstitel nach § 21 Aufenthaltsgesetz bei der deutschen Botschaft oder der Ausländerbehörde (s.o.) beantragen.
Ausländer, die zur Aufnahme einer „selbständigen" Erwerbstätigkeit in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollen, müssen einen entsprechenden Aufenthaltstitel bereits vor der Einreise bei der jeweils zuständigen deutschen Auslandsvertretung beantragen. Die Anträge werden von dort über das Auswärtige Amt der für den beabsichtigten Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde mit der Bitte um Zustimmung zugeleitet (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV).
Hält sich ein Ausländer, der durch Auflage dem Verbot der selbständigen oder vergleichbaren unselbständigen Erwerbstätigkeit unterliegt, insbesondere mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis bereits legal in der Bundesrepublik Deutschland auf und beabsichtigt er, eine „selbständige" Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder beispielsweise den Gegenstand einer aufenthaltsrechtlich schon zugelassenen Tätigkeit auszudehnen oder zu wechseln, ist der Antrag unmittelbar bei der Ausländerbehörde zu stellen.
Folgende Tatbestände des § 21 AufenthG sind für die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit relevant:
Die Voraussetzungen des § 21 Abs.1 AufenthG sind erfüllt, wenn:
- ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis besteht,
- die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt und
- die Finanzierung der Umsetzung durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage gesichert ist.
Außerdem müssen Ausländer, die über 45 Jahre alt sind, eine angemessene Altersversorgung nachweisen. Bei folgenden Staatsangehörigkeiten wird vom Nachweis einer Altersversorge abgesehen: Dominikanische Republik, Indonesien, Iran, Japan, Philippinen, Sri Lanka, Türkei und Vereinigte Staaten von Amerika.
- § 21 Abs. 5 AufenthG für Ausländer, die sich freiberuflich selbständig machen wollen
- § 21 Abs. 4 AufenthG für Ausländer, die eine Niederlassungserlaubnis beantragt
Verfahren für Aufenthaltstitel nach § 21 Abs. 1 AufenthG (gewerbliche Tätigkeiten)
Für einen Aufenthaltstitel, der die Ausübung einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit erlaubt, sind zunächst folgende Unterlagen vollständig bei der Ausländerbehörde einzureichen:
- Businessplan
- Kapitalbedarfsplan
- Liquiditätsplan
- Ertragsvorschau
- ggf. Geschäftsführervertrag
- bei Kapitalgesellschaften: Gesellschaftervertrag, Anmeldung zum Handelsregister oder Handelsregisterauszug
- Bescheinigung zum Krankenversicherungsschutz
- Lebenslauf des Unternehmers/ Geschäftsführers
Die Ausländerbehörde wird aufgrund von Verwaltungsvorschriften regelmäßig vor allem die örtlichen Wirtschafts- und Gewerbebehörden und/oder die Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern um Stellungnahme bitten. Ausnahmsweise werden auch andere Fachbehörden wie etwa Baubehörden bei Architekten oder Gesundheitsbehörden bei Medizinalfachberufen beteiligt. Diese prüfen aufgrund ihrer besonderen Fachkenntnisse u. a., ob ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis an der angestrebten Tätigkeit besteht und die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt. Dabei können folgende Beurteilungsmaßstäbe angelegt werden:
„Wirtschaftliches Interesse oder regionales Bedürfnis"
Ein wirtschaftliches Interesse liegt beispielsweise vor, wenn beabsichtigte (erhebliche) Investitionen und/oder die (glaubhaft gemachte) Schaffung oder Sicherung einer nennenswerten Zahl von Arbeitsplätzen oder die nachhaltige Verbesserung der Absatz- oder Marktchancen ansässiger Unternehmen erkennbar ist oder die Errichtung eines Fertigungsbetriebes für technisch hochwertige (zukunftssichere) oder besonders umweltverträgliche Produkte geplant ist. Das Regelbeispiel des alten § 21 Satz 2 Aufenthaltsgesetz, wonach ein „übergeordnetes wirtschaftliches Interesse“ in der Regel dann vorlag, wenn mindestens 250.000 Euro investiert und fünf Arbeitsplätze geschaffen wurden, gibt es seit dem 1. August 2012 nicht mehr, da es vom Gesetzgeber aufgehoben wurde. Unter Umständen kann selbst die Intensivierung des Wettbewerbs in einem bestimmten Marktsegment, in dem bislang nur wenige Unternehmen tätig waren, die positive Bewertung eines Vorhabens rechtfertigen.
Im Gegensatz dazu wird bei reinen (am regionalen Verbrauch orientierten) Einzelhandels- oder Dienstleistungsunternehmen wegen deren insgesamt geringerer wirtschaftlicher Bedeutung überwiegend die Annahme eines „wirtschaftlichen Interesses" zu verneinen sein. Gerade hier bietet aber das alternativ zu prüfende „örtliche Bedürfnis" Möglichkeiten, versorgungs- oder sonstige kommunalpolitische Gründe in die Entscheidung einfließen zu lassen.
Prüfungsmaßstab ist die Über- oder Unterversorgung des Bereichs mit bestimmten Gütern oder Dienstleistungen.
„Positive Auswirkungen auf die Wirtschaft"
Anhaltspunkte, die z. B. eher keine positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft befürchten lassen, können sich vor allem aus der Person des Antragstellers selbst, etwa beim Fehlen der für die Ausübung eines Gewerbes erforderlichen Zuverlässigkeit (z. B. aufgrund einschlägiger straf-, steuer-, sozialversicherungs-rechtlicher Verfehlungen in der Vergangenheit) oder aufgrund fehlender Fachkundevoraussetzungen (z. B. Meisterprüfung im Handwerk oder Sachkundeprüfung im Güterkraftverkehr) ergeben.
Wichtig:
Bei ihrer Entscheidung über die Erteilung des Aufenthaltstitels ist die Ausländerbehörde nicht an die Stellungnahme aus wirtschaftlicher Sicht gebunden. Die Stellungnahmen gegenüber der Ausländerbehörde haben lediglich internen Charakter. Ihre - selbst positiven - Ergebnisse werden Antragstellern grundsätzlich nicht mitgeteilt oder zugänglich gemacht, um der zur alleinigen Entscheidung berufenen Ausländerbehörde nicht vorzugreifen.