Fachkräftemangel in der Logistikbranche „nimmt Fahrt auf“!

In Deutschland fehlen Fernfahrer. So auch in Sachsen-Anhalt. Fernfahrer, die Waren transportieren. Systemrelevante Fachkräfte, welche die Versorgung hierzulande sicherstellen. Der Fachkräftemangel hat auch in der Logistikbranche Fahrt aufgenommen. Die Tendenz? Steigend! Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e. V. spricht von etwa 60.000 bis 80.000 fehlenden Fernfahrern in der Bundesrepublik. Jährlich gingen rund 30.000 Fahrer in Rente und nur rund 15.000 Nachwuchskräfte kämen nach, so Prof. Dr. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e. V.  
»Die aktuelle wirtschaftliche Situation ist nicht schlecht. Die Preise am Markt normalisieren sich.«
Hans-Dieter Otto, Geschäftsführer der Otto Spedition GmbH, Vizepräsident der IHK Magdeburg, Mitglied im BGL-Präsidium
Dieses Problem wird auch in hiesigen Unternehmen deutlich. Hans-Dieter Otto, Geschäftsführer der im Harz ansässigen Otto Spedition GmbH, Vizepräsident der IHK Magdeburg sowie Mitglied im BGL-Präsidium, dazu: „Die aktuelle wirtschaftliche Situation ist nicht schlecht. Die Preise am Markt normalisieren sich. Noch vor einem Jahr wurde aufgrund des pandemiebedingten Überschusses an Laderaum zu Dumpingpreisen gefahren. Dies hat sich geändert. Es gibt ausreichend Fahrten, jedoch nicht ausreichend Fahrer. So lässt sich zusammenfassen: Derjenige, der einen Fahrer hat, wird die Fahrt machen!“ Nach Aussagen des Unternehmers seien in seinem Betrieb ausreichend Kraftfahrer vorhanden. Man strebe stets danach, ein junges, zukunftsfähiges Unternehmen abzubilden, das potenziellen Fachkräften einen sicheren Arbeitsplatz unter bestmöglichen Rahmenbedingungen biete. Doch verzeichne man auch im eigenen Haus ein sinkendes Interesse junger Menschen an einer Ausbildung zum Berufskraftfahrer. „Die Anzahl und Qualität der potenziellen Auszubildenden sinkt. Auch in unserem Unternehmen. Der Beruf des Kraftfahrers ist unpopulär. Während wir in den vergangenen Jahren stets drei Ausbildungsplätze vergeben konnten, ist es in diesem Jahr nur noch einer. Der Fachkräftemangel in unserer Branche muss stärker in den Fokus gerückt werden. Es muss jetzt gegengesteuert werden. Dringend!“
Der Fachkräftemangel trübt die aktuell gute wirtschaftliche Situation der Branche. Unstrittig ist jedoch die Tatsache, dass Kraftfahrer gebraucht werden. Sie sind systemrelevant. Das zeigte die Pandemie einmal mehr und beweist ebenfalls der Blick nach Großbritannien, wo es aufgrund des Mangels an Fernfahrern aktuell zu Versorgungs- und Lieferengpässen kommt. Diesbezüglich sind sich ebenfalls Unternehmer Hans-Dieter Otto und BGL Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt einig. Es besteht Handlungsbedarf. Auch auf der am 09. September 2021 stattgefundenen BGL-Mitgliederversammlung wurde dieser Umstand nochmals deutlich. „Was in Großbritannien passiert, ist durch den Brexit beschleunigt. Ich gehe aber fest davon aus, dass wir in Westeuropa die gleiche Situation haben werden, nur etwas zeitversetzt. Wir warnen davor, dass auch wir in einen Versorgungskollaps laufen“, erläutert Engelhardt. So scheint die drastische Lage in Großbritannien auch auf Deutschland übertragbar zu sein. In diesem Zusammenhang fordert der Verband eine Überarbeitung der Förderprogramme von Aus- und Weiterbildung sowie bessere Arbeitsbedingungen für Fahrer. 
»Wir müssen unsere Kräfte bündeln und auch politische Akteure in die Pflicht nehmen, um langfristig stabile Rahmenbedingungen für die Logistikbranche garantieren zu können.«
Prof. Dirk Engelhardt, BGL-Vorstandssprecher
„Wir müssen unsere Kräfte bündeln und auch politische Akteure in die Pflicht nehmen, um langfristig stabile Rahmenbedingungen für die Logistikbranche garantieren zu können. Denn schlussendlich geht es auch ganz einfach darum, etablierte Fachkräfte zu halten und junge Menschen im logistischen Bereich auszubilden und zu binden. Und dies funktioniert nur über Wertschätzung, gute Rahmenbedingungen und eine gezielte Imagearbeit“, erklärt Hans-Dieter Otto abschließend. Die Logistikbranche zählt zu den größten Wirtschaftseinheiten in der Bundesrepublik. Etwa drei Millionen Beschäftigte agieren derzeit im logistischen Bereich. Demnach müsse der Beruf des Kraftfahrers attraktiv bleiben. Nur so könne die Versorgung der Bevölkerung langfristig gesichert werden. Ein Umstand, der den Diskurs in den kommenden Monaten bestimmen wird.
Autorin: Franziska Hirschelmann