Verkehrswirtschaft

10 Fragen und Antworten zum EU-Kartenführerschein

Dr. Klaus Scherbath, ehemaliger Leiter der DEKRA Akademie in Magdeburg und jetzt ehrenamtlich im Verein "sicher.mobil.leben" tätig, beantwortet Fragen zur Neuregelung des Führerscheinrechts.

Was habe ich beim Pflichtumtausch zu beachten?

Der Pflichtumtausch gilt für alle vor dem 19.01.2013 ausgestellten Papier- und Kartenführerscheine im Zeitraum bis zum Januar 2033. Dies betrifft je nach Geburtsjahr der Fahrerlaubnisinhaber oder dem Ausstellungsdatum der ab 1999 gültigen Kartendokumente bundesweit etwa 43 Millionen, in Magdeburg und den angrenzenden Landkreisen ca. 600.00 Personen.
Fahrerlaubnisinhaber vereinbaren eigenverantwortlich einen Beratungstermin mit der zuständigen Behörde.
Beim Umtausch der alten Führerscheine in das neue und einheitliche Scheckkartenformat D1 mit Fälschungsschutz bleiben die erworbenen Berechtigungen zum Führen unterschiedlicher Kraftfahrzeuge ohne regelmäßige Untersuchungen oder sonstige Prüfungen uneingeschränkt erhalten. Letztere gelten wie bisher nur für Berufsgruppen mit besonderer Verantwortung im Straßenverkehr. Es kommt zur Ergänzung und Zuteilung von siebzehn Fahrerlaubnisklassen. Inhaltliche Details und Neuerungen enthalten die nachfolgende Antworten.

Welche Änderungen beinhaltet der neue EU-Führerschein? 

Es gibt nun anstelle der bisher 110 Führerscheinvarianten in Europa ein fälschungssicheres, zweiseitiges Kartendokument mit einheitlichen Bezeichnungen von fünfzehn international geregelten und zwei deutschen Fahrerlaubnisklassen. Auf der Vorderseite steht unter 4a/4b der Zeitraum der Befristung von jetzt fünfzehn Jahren. Die Spalte 9 der Rückseite beinhaltet sämtliche Fahrerlaubnisklassen, das Datum der Fahrerlaubniserteilung der jeweiligen Klasse in Spalte 10 (auch B1, die national nicht erteilt wird), die Gültig-keitsdauer befristet eingetragener Klassen in Spalte 11. Nicht erteilte Klassen werden durch einen Strich entwertet. Beschränkungen und Zusatzangaben als zwei- oder dreistellige Schlüsselzahlen in Spalte12, Eintragungen anderer Mitgliedsstaaten nach Wohnungswechsel ins Ausland in Spalte 13 und Eintragungen zum Erteilungsdatum von Hand in Spalte 14.
Da beim Umtausch insbesondere der grauen und rosafarbenen Papierführerscheine vereinzelt Fehler auftreten, kommt darauf an, die Vollständigkeit der zugeteilten Klassen und auch die Kenn-zahlen wie B96 zum Führen von Wohnwagen bis maximal 4.250 Kilogramm mit europaweiter Gültigkeit oder 184 für „Begleitetes Fahren mit 17 Jahren“ nur in Deutschland rechtsverbindlich zu überprüfen. Im Rahmen der Vierten Führerscheinrichtlinie schlägt die EU eine länderübergreifende Anerkennung vom begleiteten Fahren vor.
Wer ohne gültigen Führerschein fährt, erhält bei Kontrollen ein Bußgeld von 10 €.

Welche Bezeichnung haben die Fahrerlaubnisklassen?

Es gibt nunmehr fünf europaweit geltenden Hauptklassen
  • A/Mopeds und mehrrädrige Krafträder,
  • B/Kraftfahrzeuge wie PKW und Kleintransporter bis 3.500 Kilogramm zulässige Gesamtmasse und für maximal acht Personen, außer dem Fahrer, gebaut und ausgelegt,
  • C/Kraftfahrzeuge wie LKW- oder Sattelzugmaschinen über 3.500 Kilogramm,
  • D/Kraftfahrzeuge zur Beförderung von mehr als acht Personen im Bus,
  • E/Anhänger über 750 Kilogramm der Klassen B, C und D
sowie die beiden nationalen Hauptklassen
  • L/Selbstfahrende Arbeitsmaschinen, Gabelstapler und andere Flurförderzeuge bis 25 km/h, auch mit Anhänger,
  • - T/Zugmaschinen für land- und forstwirtschaftliche Zwecke bis  maximal 60 km/h oder 40 km/h für Fahrer unter 18 Jahren, auch mit Anhänger sowie Einschluss von AM und L .   
Zum den insgesamt sieben Hauptklassen gehören die zehn Teilklassen AM, A1, A2, B1, BE, C1, C1E, CE, D1E und DE. Die Klassen A, B, L und T haben eine Gültigkeit von fünfzehn Jahren, die gewerbliche Fahrgastbeförderung in Kleinbussen und im Taxi sowie die C- und D-Führerscheine nur noch fünf Jahre.

Welche Besonderheiten gibt es beim Mopedführerschein AM?

Mit der Dritten EU-Führerscheinrichtlinie vom 19.01.2013 gibt es erstmals eine länderübergreifende Regelung zum Erwerb des Mopedführerscheins mit 16 Jahren. Die neue A-Teilklasse ersetzt die alten Klassen M und S.
In allen Bundesländern besteht seit Juli 2021 die Möglichkeit, bereits mit 15 Jahren steuer- und zulassungsfreie AM-Leichtkraftfahrzeuge wie den emissionsarmen City PKW und auch den Truck als Elektrokleintransporter mit  Versicherungskennzeichen unbegleitet zu führen, sichtbar an der nationalen Kennzahl 195 in Spalte 12 des Führerscheins. Jugendliche können jetzt sechs Monate vor Erreichung des Mindestalters mit 14 ½  Jahren die theoretische Führerscheinausbildung beginnen, um frühzeitig mobil zu sein und soziale Teilhabe zu verwirklichen. Die zweijährige Probe- zeit als Fahranfänger entfällt.
Die Saalemühle Alsleben stellt Auszubildenden gemäß dem motivierenden Slogan „Leicht - aber cool und sicher“ kostengünstige Mühlen-Flitzer gegen eine überschaubare Mobilitätspauschale zur privaten Nutzung und als Firmenfahrzeug zur Verfügung.
Das aktuelle Problem besteht darin, dass Jugendliche AM-Kraftfahrzeuge mit Automatikgetriebe ohne Begleitung fahren dürfen, ohne jemals eine Fahrstunde absolviert zu haben. Bisher gibt es diesbezüglich leider keine fahrerlaubnisrechlichen Konsequenzen, bis auf Ausnahmeregelungen in Berlin zur praktischen Prüfung.

Was gehört zur Besitzstandregelung für Inhaber der ehemaligen Klasse 3?

Soweit Inhaber einer Fahrerlaubnis der alten Klasse 3/PKW keine Fahrzeugkombinationen führen, die nach dem neuen Recht in die Klasse CE fallen, brauchen sie sich keinen ärztlichen Untersuchungen stellen. Beim Umtausch erhalten sie im neuen EU-Führerschein neben den Klassen AM, B, BE und L auch C1 und C1E ohne Befristung bestätigt. Die Berechtigung mit Klasse 3 auch CE-Fahrzeugkombinationen zu führen, erlischt mit Vollendung des 50. Lebensjahres. Inhaber der Klasse 3 genießen Bestandsschutz und dürfen schwere Wohnmobile bis 7,5 Tonnen bewegen. Bei Nutzung eines Anhängers über 750 Kilogramm benötigt der Fahrer die Klasse C1E.

In welchem Alter können Jugendliche einen Führerschein erwerben?

AM-Führerschein mit 15 Jahren, Klasse A1 für Leichtmotorräder bis 125 cm³ mit 16 Jahren, Klassen B und BE zum Fahren mit privater oder betrieblicher Begleitperson bzw. allein nach behördlicher Sondergenehmigung und erfolgreicher Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) ab 17 Jahre, regulär Klassen B und BE mit 18 Jahren. Jugendliche, die eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer im Sektor „Güterverkehr“ bzw. „Personenbeförderung“ oder zur Fachkraft im Fahrbetrieb absolvieren, können den B-Führerschein bereits mit 17 Jahren erwerben, Klassen C/CE und D anschließend mit 18 Jahren. Für Einsatzfahrzeuge zum Beispiel der Freiwilligen Feuerwehren oder des THW gelten Sonderbestimmungen. Junge Maschinisten können seit Mai 2014.die Klassen C und D schon mit 18 bzw. 21 Jahren erwerben, regulär ohne Ehrenamt erst mit 21 bzw. 24 Jahren.

Was muss bei der Führung von Wohnmobilen beachtet werden?

Bezogen auf die zulässige Gesamtmasse, bestehend aus dem Leergewicht des Wohnmobils und der maximalen Zuladung, dürfen diese Kraftfahrzeuge bis 3,5 Tonnen mit dem B-Führerschein gefahren werden, bis 7,5 Tonnen mit der Klasse C1.
Bei der Nutzung eines Anhängers über 750 Kilogramm benötigt der Fahrer C1E, was die Umtauschpflicht nach fünf Jahren einschließt. Bei Überschreitung der Gesamtmasse durch weitere Zuladungen - dazu gehört schon ein zweiter Fahrer - drohen hohe Bußgelder, in Finnland 700 € schon bei 2 % der Überschreitung, in Österreich bis zu 5.000 € oder auch die Stilllegung des Wohnmobils.

Fahreignungsregister - was sollte man darüber wissen?

Das neue Fahreignungsregister mit einheitlichem Punkte- und Maßnahmenkatalog vom Mai 2014, bisher Verkehrszentralregister Flensburg, erfasst Verkehrsteilnehmer, die gegen Vorschriften im Straßenverkehr verstoßen und ein bis drei Punkte erhalten haben. Bei einem Punkt verjährt die Frist nach zweieinhalb Jahren, bei zwei  Punkten nach fünf Jahre. Für Straftaten im Straßenverkehr, die mit drei Punkten geahndet wurden, beträgt die Verfallsdauer zehn Jahre. Das Register speichert auch die Probezeit der Fahranfänger. Nach Ermahnung und Verwarnung laut Bewertungssystem droht bei acht oder mehr Punkten der Fahrerlaubnisentzug.
Das Fahreignungsregister, auch „Punktetacho“ genannt, hilft nicht nur Behörden den Überblick zu behalten, sonder bietet auch Verkehrsteilnehmern die Möglichkeit, sich über die eigenen Einträge zu informieren.

Gibt es beim betrieblichen Erwerb einer Fahrerlaubnis Förderungen?

Das neue Landesprogramm WEITERBILDUNG ermöglicht Beschäftigten und betrieblich Auszubildenden neben weiteren Zusatzqualifikationen den Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klassen B, C, D, L und T bei Nachweis eigenständiger Fahrtätigkeit.
Nach Rücksprache mit Schulleitungen und der HWK beginnt der Verein „sicher.mobil.leben“ das landesweite Modellprojekt „Mit dem neuen EU-Führerschein clever mobil“ in den Berufsbildenden Schulen Schönebeck und Halberstadt die unterrichtsergänzende Expertentätigkeit mit den Aus- bildungsberufen wie „Kraftfahrzeugmechatroniker“, „Elektroniker“, „Maler/Lackierer“ und „Tischler“. Weitere Einrichtungen und Berufe mit notwendiger Fahrtätigkeit zur Erledigung kundennaher Dienstleitungen und Kompetenzmerkmal folgen.

Kommt das Führerscheinthema in schulischen Projekten zur Anwendung?

Die bildungspolitische Grundlage dafür bildet der KM-Runderlass zur Mobilitäts- und Verkehrserziehung an den allgemein- und berufsbildende Schulen des Landes Sachsen-Anhalt vom 01.06.2013. Zu dieser Regelaufgabe gehört ab der Klassenstufe 9/10 und für die Sekundarstufe II (Gymnasien und Lehrgänge der beruflichen Bildung) die verbindliche Behandlung der Schwerpunktthematik „Halten und Führen von Kraftfahrzeugen“. Bei der Umsetzung gibt erhebliche inhaltliche, personelle und organisatorische Probleme.bis hin zur fehlenden Aktualisierung der Lernmodule und einer themenorientierten Weiterbildung der Verantwortlichen für Verkehrserziehung.
Als Seniorexperte habe ich in den letzten Jahren landesweit über 165 Mobilitätsprojekte in allen Schulformen, beginnend in Magdeburger Förderschulen, und Jugendclubs sehr erfolgreich praktiziert. Neu der unterrichtsergänzende Einsatz in Berufsvorbereitungsklassen für benachteiligte Jugendliche, um die altersgerechte Mobilitätsentwicklung zu unterstützen und eine ver- verstärkte berufliche Teilhabe zu organisieren. Dazu gab es bisher in Schönebeck, Aschersleben und Halberstadt enormen Zuspruch von den Teilnehmern, Lehrkräften und Schulleitern.

Quelle: Volksstimme