Erfolgsgeschichte

Sprache & Motivation als Erfolgsfaktoren in der Ausbildung

Die Nordzucker AG ist einer der führenden Zuckerhersteller weltweit. Aus Rübe und Rohr gewinnt das Unternehmen Weißzucker, Rohzucker, Raffinade und flüssigen Zucker. Ein Werk des Konzerns steht seit 1994 in Klein Wanzleben im Landkreis Börde. Dort arbeiten derzeit 190 Mitarbeitende, darunter aktuell 13 Auszubildende. Die Ausbildung der eigenen Fachkräfte von morgen spielt auch bei der Nordzucker AG eine wesentliche Rolle. Auch hier spürt man die Trends des regionalen Aus-bildungsmarktes: weniger Bewerbungen im Allgemeinen, weniger geeignete Bewerber im Speziellen und die Konkurrenz aus der Landeshauptstadt!
Aktuell erfolgt die Ausbildung vor Ort in den Berufen Industriemechaniker, Elektroniker, Fachlagerist und Fachkraft für Lager-logistik. In diesem Jahr erhielten alle Bewerber eine Chance: Sie alle wurden eingehend auf Eignung und Neigung getestet. Das Praktikum dient dem Unternehmen dabei als entscheidender Schlüssel.
»Man lernt sich gegenseitig kennen und die Bewerber sehen, worauf sie sich bei uns einlassen«, so Lars Wärmer, Ausbildungsleiter am Standort.

Neuen Zielgruppen öffnen

Dennoch konnten in der Vergangenheit nicht alle vakanten Ausbildungsstellen besetzt werden – für das Unternehmen Zeit, sich neuen Zielgruppen zu öffnen. Daher entschied man sich, aktiv auf Menschen mit Migrationshintergrund zuzugehen und so Auszubildende zu rekrutieren. Erste Informationen bekam Lars Wärmer auf einem gemeinsamen Workshop der IHK Magdeburg und der Handwerkskam-mer Magdeburg im Magdeburger Rathaus. Dort wurden Unterstützungsmöglichkeiten bei der Integration vorgestellt. Das Interesse war geweckt. So lud sich Lars Wärmer alle beteiligten Akteure im Juli 2018 ins Haus. An einem Tisch mit der Berufsberatung der Agentur für Arbeit, dem Jobcenter und der IHK Magdeburg wurden mögliche Wege der Akquise diskutiert und ein Plan aufgestellt. Für das Unternehmen war eines sofort klar: Am besten funktioniert dies über eine Testphase in Form eines angebotenen Praktikums. Mehrere Migranten folgten dem Angebot und lernten neben den allgemeinen Grundzügen des dualen Systems, die konkreten praktischen Tätigkeiten in der Ausbildungswerkstatt intensiv kennen. »Die Praktikanten arbeiteten von Beginn an Seite an Seite mit den bereits lernenden Auszubildenden«, so Wärmer. Während der ein oder andere Bewerber feststellte, dass dies nicht die richtige Berufswahl sei, blieb ein Kandidat am Ball. 

Ausbildung mit Unterstützung

Salih kommt aus Syrien und zeigte im gesamten Praktikum ein hohes Interesse. Nach Rück-sprache mit dem Jobcenter entschied man sich für eine »Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE)«. Die Unterstützung im berufsschulischen Bereich und eine sozialpädagogische Betreuung obliegen in diesem Fall einem erfahrenen Bildungsträger. Die fachpraktischen Fähigkeiten werden durch einen Kooperationsbetrieb, der Nordzucker AG, vermittelt. Am 01.10.2018 begann Salih seine Ausbildung zum Industriemechaniker. Die Praxis lief gut, in der Berufsschule geriet der Auszubildende jedoch, auch aufgrund vorhandener Sprachdefizite, alsbald an seine Grenzen. Da dadurch abzusehen war, dass diese Ausbildung zu schwer werden würde, entschied man sich für die Umwidmung zum Maschinen- und Anlagenführer. Dies war aus Sicht des Ausbildungsleiters Lars Wärmer die beste Entscheidung: »Salih kam sofort besser in der Berufsschule mit und zeigte durch neu gewonnene Erfolgserlebnisse eine positive Arbeitseinstellung.«

Willkommenskultur leben

Die Nordzucker AG führt regelmäßig Azubiprojekte wie beispielsweise die Teilnahme an den DigiScouts durch. Dem Unternehmen sind eine hohe Ausbildungsqualität und passgenaue Unterstützungsangebote für die Auszubildenden besonders wichtig. Jeder Auszubildende soll möglichst zum Berufsabschluss geführt werden: »Ich hänge an meinen Azubis und will, dass sie sich weiterentwickeln.« Dies und die offene Willkommenskultur des Unternehmens war für die Integration Salihs in Ausbildung besonders förderlich. Anfangs vorhandene Vorurteile einzelner Auszubildender konnten schnell beigelegt werden. So gehörte Salih von Beginn an ins Auszubildendenteam und war gut integriert.  Während der Ausbildung stellte sich das Unternehmen daher vor allem eine Frage: Wie unterstützen wir unseren Auszubildenden beim Erwerb der deutschen Sprache? Im privaten Umfeld fällt vielen das Deutsch sprechen und lernen schwer. Im Unternehmen jedoch war Salih »gezwungen«, sich zu verständigen. Alle sprachen mit ihm Deutsch. Als Unterstützung während der Ausbildung erhielt Salih einmal pro Woche Sprachförderung und Stützunterricht durch den Bildungsträger, und einmal pro Woche gab ihm ein anderer Auszubildender Nachhilfe zu fachbezogenen Begriffen und Werkzeugen. Lars Wärmer sieht Sprachverständnis und Motivation als die Erfolgsfak-toren für den erfolgreichen Berufsabschluss bei Menschen mit Migrationshintergrund: »Am besten ist die Möglichkeit, für Auszubildende an berufsbezogenen Sprachkursen, parallel zur Ausbildung, teilzunehmen. Davon müsste es mehr Angebote geben.«

Berufsorientierung stärken

Trotz der intensiven Begleitung der Auszubildenden kennt auch die Nordzucker AG das Thema »Ausbildungsabbrüche«. Diese ließen sich aus Sicht von Lars Wärmer bedeutend reduzieren, wenn es eine gezieltere Berufsorientierung gäbe. Jugendliche sollten alle für sie möglichen Ausbildungsberufe und dazugehörige Unternehmen in der Region kennen. Dafür setzt er sich seit Jahren auch ehrenamtlich ein. Salih hat seine Berufswahlentscheidung nicht bereut. Er entwickelte sich zu einem der mo-tiviertesten Auszubildenden seit jeher und schloss im Sommer 2020 seine Ausbildung erfolgreich ab. Direkt im Anschluss bekam er einen Arbeitsvertrag angeboten.
Lars Wärmer ist begeistert von seinem ehemaligen Auszubildenden: »Wir wollen ihn fürs Leben behalten!« Die Praktikanten arbeiteten von Beginn an Seite an Seite mit den bereits lernenden Auszubildenden.«Lars Wärmer Ausbildungsleiter am Standort Klein Wanzleben