24.10.2022

Konjunktur: Lippische Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen

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Nach den Schockwellen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, haben die Schockwellen die lippische Wirtschaft voll erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt die Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold (IHK Lippe). Die Umfrage im Herbst 2022 ist die zweite, die die Auswirkungen des Krieges auf die heimische Wirtschaft abbildet – diesmal in voller und negativer Deutlichkeit! Die vielfältigen wirtschaftlichen Auswirkungen sind aktuell schon in den Rückmeldungen der lippischen Unternehmen verankert.
Der Konjunkturklimaindikator der IHK Lippe sackt weiter auf 68,9 Punkte ab (Vorumfrage: 92,7 Punkte). Seit der Jahrtausendwende gab es niedrigere Indexwerte nur in der Zeit nach der Finanzkrise, als die Welt ebenfalls den Atem anhielt.
Der Indikator setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, die sich im Herbst dieses Jahres beide weiter negativ entwickelt haben. Die Beurteilung der gegenwärtigen Geschäftslage unterscheidet sich dennoch von den Geschäftserwartungen der Unternehmen in Lippe.
Über alle Branchen hinweg bewerten nur 32,1 Prozent aller Unternehmen die aktuelle Geschäftslage mit “gut”. In der vorherigen Umfrage im Frühjahr waren dies insgesamt 1,1 Prozent mehr. Der Rückgang der positiven Lagemeldungen verteilt sich dabei wie folgt auf die Branchen: Handel (- 15 %), Bau (10,1%), Industrie (- 7,7%), Dienstleistungen (15,9%), sowie Gastgewerbe und Gastronomie (42,4%). Nur noch 44,3 Prozent der antwortenden Unternehmen geben eine befriedigende Geschäftslage an (- 8,1% im Vergleich zur Vorumfrage). Mehr als jedes fünfte Unternehmen verzeichnet eine schlechte Geschäftslage (7%).
Das Geschäftsumfeld bietet derzeit viele Argumente für schlechte Ergebnisse. Auf die lange Liste gehören neben dem Krieg in der Ukraine und einer möglichen Verschärfung der Eskalation anhaltend starke Preissteigerungen für Rohstoffe und Energie, die Wareneinkäufe verteuern: “Wir sind weiter im multiplen Krisenmodus: Hohe Energie- und Materialpreise, gestörte Lieferketten und ein deutlich nachlassender Inlandsabsatz stellen die lippischen Unternehmen jetzt und in den nächsten Monate vor schwere Herausforderungen”, kommentiert Volker Steinbach, Präsident der IHK Lippe, das Ergebnis der Konjunkturumfrage.
Die allgemeine Geschäftserwartung für die nächsten zwölf Monate zeigt ein düsteres Bild, da unter anderem die weitere Entwicklung in der Ukraine und die Energieversorgung unvorhersehbar sind. 61,7 Prozent der lippischen Unternehmen gehen vor einer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung aus. In der Industrie sind es sogar fast zwei Drittel der Unternehmen. Branchenübergreifend glauben nun 62,2 Prozent, dass sich ihre Ertragslage im laufenden Jahr verschlechtern wird. Diese Entwicklung muss mit großer Sorge betrachtet werden, denn die lippische Wirtschaft war gerade dabei, sich von den mit der Corona-Pandemie einher gehenden Einbußen zu erholen. In keiner der angefragten Branchen sind im Saldo die Geschäftserwartungen positiv. “Diese Entwicklung betrachten wir mit großer Sorge. Gerade die vielfältigen Unsicherheiten fordern nun enormen unternehmerischen Mut und Weitsicht”, kommentiert Steinbach weiter.
Als größtes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung in Lippe werden branchenübergreifend von 79,8 Prozent die steigenden Energie- und Rohstoffpreise genannt. Es folgen der sinkende Inlandsumsatz mit 67,3 Prozent und dicht dahinter die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen mit 55,2 Prozent. Weitere Risiken werden in höheren Arbeitskosten (47,1 Prozent), im Fachkräftemangel (43,9 Prozent), im sinkenden Auslandsabsatz (19,3 Prozent), in Finanzierungsrisiken (11,7 Prozent) sowie in steigenden Wechselkursen (7,2 Prozent) gesehen.
Die angespannte Situation führt insgesamt zu einer deutlich geringeren Investitionsneigung. 48,9 Prozent planen entsprechend geringere Ausgaben ein. In der Vorumfrage im Frühjahr waren dies noch 32,2 Prozent. Gründe gegen eine Ausweitung der Investitionen sind eine zu geringe Nachfrage (67,1 Prozent), vorhandene Kapazitätsreserven (23,8 Prozent), Eigenkapitalmangel (18,9 Prozent), zu hohe Fremdkapitalzinsen (14 Prozent), administrative Hemmnisse (7,7 Prozent) und die Erzielung besserer Renditen bei Finanzanlagen (2,8 Prozent). Die Finanzlage ist jedoch bei zwei Dritteln der Unternehmen aktuell unproblematisch.
Die Beschäftigungspläne der Unternehmen bleiben trotz der hohen Unsicherheiten größtenteils stabil. 29,9 Prozent wollen in den kommenden zwölf Monaten Arbeitsplätze reduzieren. 11,7 Prozent wollen dafür zusätzliches Personal einstellen. Bei 58,4 Prozent der Unternehmen soll die Zahl der Mitarbeitenden gleich bleiben. Eine Entlassungswelle steht trotz der in vielen Branchen kritischen Wirtschaftslage auch aufgrund des Fachkräftemangels nicht an, jedoch agieren viele Unternehmen sehr zurückhaltend im Bereich der Neueinstellungen. “Die lippischen Unternehmen stehen zu ihren Beschäftigten”, unterstreicht Steinbach.
190 Unternehmen mit rund 14.177 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben sich an der aktuellen Konjunkturumfrage beteiligt.