Hotelsterne versus Online-Bewertungen & Co.

Sind die Hotelsterne der Hotelstars Union (Deutsche Hotelklassifizierung) in Zeiten von Google-, Tripadvisor oder anderen Onlinebewertungstools noch zeitgemäß? Bringt der damit verbundene hohe Aufwand noch Pluspunkte im Geschäftsverlauf von Beherbergungsbetrieben? Der für das Land Hessen zuständige DEHOGA-Hauptgeschäftsführer Julius Wagner im Interview.
IHK: Herr Wagner, brauchen die Tourismuswirtschaft und die Hotellerie die Sterne des DEHOGA heute überhaupt noch?
Ein klares „Ja“. Und zwar nicht, weil es sich um das Klassifizierungssystem des DEHOGA handelt, sondern weil die Hotelsterne einerseits ein innerbetriebliches Qualitätsmanagementsystem darstellen, das den Hotels nach einem klar definierten Kriterienkatalog vor allem selbst Kontrollmechanismen für etablierte Marktstandards an die Hand gibt. Andererseits, und dies ist der unmittelbare, auf den Gast direkt bei seiner Buchungsentscheidung wirkende Marketingeffekt, sind die Sterne gerade gegenüber Onlinebewertungen die „harte Währung“.
IHK: Was meinen Sie mit „harter Währung“?
Objektive Kriterien, für jeden transparent, klare Botschaften des zu Erwartenden. Die Sterne haben den Charakter einer DIN-Norm. Und dennoch bleibt Raum für Individualität der Konzepte der Unternehmen. Denn in dem Rahmen entlang der „Muss“- und „Kann“-Kriterien der jeweiligen Sternekategorie halten wir unsere Prüfer immer dazu an, auch einen Schritt zurück zu treten und mit vernünftiger Distanz eine Gesamtschau aus Sicht des Gastes vorzunehmen. Harte Währungen unterliegen den Gesetzen des Marktes… und die werden auch von einem Produktportfolio in der Hotellerie mitgestaltet, das unheimlich vielfältig und individualisiert ist.
IHK: Haben Sie dennoch nicht das Gefühl, dass die Online-Bewertungen durch Gäste die Bedeutung der Hotelklassifizierung Stück für Stück mindern?
Natürlich wissen wir um die unterschiedlichen Orakelsprüche auch innerhalb der Branche. Und um das auch klar zu betonen: Die Hotelsterne sind ein freiwilliges System. Es steht weder dem DEHOGA noch sonst wem an, Unternehmerinnen und Unternehmern zu erzählen, wie sie ihr Geschäft machen sollen. Es ist ein Angebot. Und klar, vor diesem Hintergrund sehen wir ganz deutlich, dass Onlinebewertungen den Markt gewaltig in Bewegung gebracht haben. Das ist gut. Es wird bunter, authentischer, angereicherter mit subjektiven, persönlichen Werturteilen. Für die Hoteliers ist das eine dauernde große Herausforderung und zugleich ein Pool voller Chancen. Die Klaviatur zu bespielen bleibt dabei anspruchsvoll, und man darf dieser Leistung, die heute in allen Dienstleistungsbereichen für die Unternehmer einfach mal on top kommt, ebenso den gebührenden Respekt zollen, wie man verdienten Hoteliers vielfach ganz in ihrem eigenen Interesse in den (nicht mehr ganz so) neuen Sattel des professionellen Umgangs mit Gästebewertungen helfen muss.
IHK: Interessant, dies mal in dieser Klarheit aus dem Munde eines Verbandsvertreters zu hören. Gestatten Sie aber nochmal die Nachfrage: Zählen Online-Bewertungen heute mehr als die Sternekategorie?
Entschuldigung, ich bin bei der Weggabelung etwas weiter gelaufen. Noch mal zurück an die „Kreuzung“: hier Hotelsterne, dort Online-Bewertungen. Ich weiß gar nicht, warum das ein Gegeneinander oder ein Verdrängungsding sein soll. Eine solche Wettbewerbssituation stellt man her, wenn man sich ganz gerne von dem einen oder dem anderen guten Gewissens verabschieden möchte, oder?! Ich kann das verstehen. Hoteliers müssen heute mehr denn je echte Multitalente sein. Das gilt für die großen Companies wie für den kleinen Familienbetrieb. Der Unterschied liegt meist nur in der Größe, nicht in den Anforderungen per se. Aber, und das ist es meiner Meinung nach, Hotelsterne und Online-Bewertungen machen zusammen sehr viel Sinn. Und das gilt sowohl mit dem Blick auf Sales und Marketing als auch hinsichtlich des nach innen gerichteten Qualitätsmanagements. Daher ist es für uns zum Beispiel ganz selbstverständlich, dass wir bei neuen wie auch bestehenden Klassifizierungen die Onlinebewertungen dauerhaft im Auge haben. Sackt ein Betrieb bedrohlich im TrustScore ab, klingeln bei uns die Sterneglöckchen, aber unterstützend, mahnend und manchmal auch mit der notwendigen Härte. Wir wollen den Betrieben Support bieten, sie nicht gängeln, doch damit Hotelsterne neben Kundenbewertungen ihren eigenen orientierungsgebenden Charakter behalten, muss man die Spielregeln wahren.
IHK: Keine leichte Aufgabe für einen Verband, der im Übrigen für die Interessenvertretung seiner Mitglieder steht…
Natürlich nicht. Wenn man’s leichter haben will, könnte man z.B. bei booking anklopfen und nach einem Job fragen. Aber hey, wir stehen für das Gastgewerbe. Wir stehen für Vielfalt wie keine zweite Branche in diesem Land. Das macht auch die Beteiligung der Menschen so enorm groß und vielschichtig. Zu Gastronomie und Hotellerie hat jeder etwas beizutragen, und seien es Onlinebewertungen oder einfach „foodporn“.
IHK: Booking.com macht Ihnen Kopfzerbrechen, oder?
Um beim Thema zu bleiben: es ist und bleibt ein steiniger Weg, mit den großen Buchungsportalen und OTAs Konsens über gewisse Formen der Zusammenarbeit zwischen ihnen und der Hotellerie zu erzielen. Hotelsterne, und das haben wir immerhin erreicht, sind Hotelsterne, und daneben gibt es keine anderen, weder von booking noch von HRS. Viel härter aber ist der Kampf um den Erhalt der Unabhängigkeit der Preispolitik der Hotellerie und damit schließlich auch um den Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Keine Frage, die Branche nutzt die Distributionskanäle der Portale und profitiert davon. Doch es muss eine Geschäftsbeziehung auf Augenhöhe sein, wenn sie dauerhaft Bestand haben soll. Wenn am Ende des Ringens um die sog. „Bestpreisklauseln“ die Hotellerie im Würgegriff einer Maschinerie liegt, die ihr keine Luft zum unternehmerischen Atmen mehr lässt, dann verliert dieser Partner, für den wir hier einstehen, seine ganze wirtschaftliche Kraft. Die Mechanismen ähneln den Gesetzen der Natur: ein Parasit saugt seinen Wirt leer und verendet danach selbst. In einer Symbiose finden Individuen zweier unterschiedlicher Arten eine Zusammenlebensform, die für beide Partner vorteilhaft ist.
IHK: Das ist ein Wort zum Schluss. Vielen Dank, Herr Wagner.
Bis auf Weiteres. Und Dank an Sie.
Die Deutsche Hotelklassifizierung steht als Markenzeichen seit 1996 für ein bundesweit einheitliches Klassifizierungssystem.
Unter der Schirmherrschaft von HOTREC – Hospitality Europe, haben die Hotelverbände aus Deutschland, Niederlanden, Österreich, Schweden, Schweiz, Tschechien und Ungarn die Hotelstars Union gegründet.
Mittlerweile sind weiter 10 Länder der Sternefamilie beigetreten:
Der DEHOGA Hessen führt die Deutsche Hotelklassifizierung nach den einheitlichen Kriterien und nach Prüfung von zwei voneinander unabhängigen Prüfern durch.
Dabei werden nahezu ausschließlich objektive Kriterien wie Zimmerausstattung und Dienstleistungsangebot bewertet. Subjektiv bewertet werden die drei zentralen Punkte Hygiene, Erhaltungszustand und Gesamteindruck.
Bislang haben sich in Hessen 39,4% aller im Jahr 2016 gemeldeten Hotels und Hotels garni klassifizieren lassen.Die Kriterien der Deutschen Hotelklassifizierung werden regelmäßig anhand den Ergebnissen der von TNS-Infratest-Dimap durchgeführten Gästebefragungen jeweils den Markterfordernissen angepasst und damit die konsequente Ausrichtung der Bewertungskriterien an den Gästewünschen erreicht.
Das Sternesystem des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes ist ein geschütztes Markenzeichen, Hotels dürfen sich nicht eigenmächtig mit Sternen schmücken.