Ist die Pflichtmitgliedschaft sinnvoll?

Ja – denn ohne die Mitgliedschaft aller gewerblichen Unternehmen könnten die Industrie- und Handelskammern weder das Gesamtinteresse der Wirtschaft vertreten noch hoheitliche Aufgaben übernehmen und wären ein „verlängerter Arm des Staates“. Hinter der „gesetzlichen Mitgliedschaft“ steht nichts anderes als der Gedanke der „Selbstverwaltung der Wirtschaft“.
Alle deutschen Unternehmen im Inland – ausgenommen Handwerksbetriebe, Freie Berufe und landwirtschaftliche Betriebe – sind per Gesetz Mitglied einer Industrie- und Handelskammer. Sie leisten zu ihrer regionalen IHK einen Pfl ichtbeitrag, der sich an ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientiert.
Der besondere Vorteil der gesetzlichen Mitgliedschaft besteht darin, dass die IHK dadurch alle Branchen und Betriebsgrößen gleichermaßen vertreten kann. So gibt die gesetzliche Mitgliedschaft aller gewerblichen Unternehmen – unabhängig von Größe, Branche und Struktur, Rechtsform und Beitragshöhe – allen Unternehmen die Möglichkeit, ihre Interessen in den Meinungsbildungsprozess der IHK einzubringen.
Die IHKs beziehen die unterschiedlichen Interessen bei der Ermittlung des Gesamtinteresses abwägend und ausgleichend ein. Anders als bei Verbänden, wo Einzelinteressen einiger Großunternehmen oder Branchen dominieren können, sichert bei den IHKs die gesetzliche Mitgliedschaft jederzeit eine repräsentative Struktur und die Unabhängigkeit gegenüber Partikularinteressen. Sie macht es möglich, dass die IHKs alle Gewerbetreibenden ihrer Region gleichberechtigt vertreten.
So engagieren sich die IHKs zum Beispiel für eine bessere Infrastruktur und Verkehrsanbindung, für niedrigere Steuern und Abgaben, für Bürokratieabbau und Fachkräftenachwuchs durch Aus- und Weiterbildung. Dies kommt allen zugute – Wettbewerbern wie Geschäftspartnern.
Funktionieren kann dies allerdings nur, wenn alle mitmachen und sich an der Finanzierung beteiligen. Ansonsten hätten vielleicht nur die finanzstarken Unternehmen das Sagen, nach dem Motto „Wer bezahlt, bestellt die Musik“.
Übertragung öffentlicher Aufgaben
IHKs ersetzen die staatliche Verwaltung – auch dies wird erst möglich durch die gesetzliche Mitgliedschaft. Die IHKs erfüllen mehr als 50 öffentliche Aufgaben und nehmen eine ganze Reihe hoheitlicher Aufgaben für die Unternehmen wahr. Ohne die IHKs müsste der Staat diese Aufgaben mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand bestreiten: es bräuchte beispielsweise eine Amt, dass die betriebliche Ausbildung überwacht und die Auszubildenden prüft. Es bräuchte regionale Wirtschaftsförderungsämter, Sachverständigenämter, staatliche Kommissionen zur Ernennung von Finanz- und Handelsrichtern, staatliche Gutachterkommissionen für Wirtschaftsfragen in der Verkehrsund Bauleitplanung – die Liste ließe sich weiter fortsetzen. Der Staat ließe sich solche zusätzlichen Aufgaben von den Steuerzahlen erstatten.
Dadurch, dass der Staat zudem auf die vielen tausend ehrenamtlich tätigen verzichten müsste, und dadurch, dass staatliche Behörden weniger effi zient und praxisnah arbeiten würden, müssten die Unternehmen für diese zusätzlichen Staatsaufgaben über höhere Steuern und Abgaben mehr zahlen, als sie hierfür an die IHKs entrichten.
Würde der Staat die Aufgaben selbst wahrnehmen müssten die Unternehmen zudem auf Mitsprache- und Beteiligungsmöglichkeiten in diesen Angelegenheiten verzichten.
Unabhängigkeit
Nicht zuletzt sichert die gesetzliche Mitgliedschaft die politische Neutralität der IHKs und garantiert deren Unabhängigkeit. Ohne die Pflichtmitgliedschaft wären die IHKs ein „verlängerter Arm“ des Staates. Sie unterlägen eine strengeren staatlichen Fachaufsicht und staatlichen Weisungsrechten. Der Staat müsste eine Vielzahl von Verordnungen erlassen, um das Satzungsrecht der IHKs zu ersetzen. Die Wirtschaft hätte in der Folge viel weniger Gestaltungsspielraum. (Text: DIHK)