20. Oktober 2022

Konjunkturlage der heimischen Wirtschaft stark eingetrübt

Die Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft in der Region Limburg-Weilburg nach dem Corona-Tief wurde schon im Frühjahr mit dem russischen Überfall auf die Ukraine gebrochen. Mittlerweile schicken die gegenseitigen Sanktionen von EU und Russland, eine ungesicherte Energieversorgung, Lieferkettenprobleme, extreme Preissteigerungen und ein drohendes Wiedererstarken der Corona-Pandemie die Konjunktur in Deutschland auf Talfahrt. Wie stark die heimischen Unternehmen betroffen sind, zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der IHK Limburg.
Nachdem sich zum Jahresanfang noch eine konjunkturelle Erholung zeigte, drehte der IHK-Konjunkturklimaindex für den heimischen Wirtschaftsraum nach Beginn des Ukrainekrieges ins Minus. Zum Frühjahr 2022 fiel der Index bereits auf 96 Punkten unter die 100-Punktelinie und damit in den Bereich einer eher negativen Gesamtstimmung. Diese Tendenz hat sich über den Sommer deutlich verstärkt. Die Ergebnisse der aktuelle Konjunkturumfrage zeigen zusammengefasst nur noch sehr schwache 71 Punkte im Konjunkturindex. Im letzten Herbst wurden noch hoffnungsvolle 114 Punkte erreicht.
„Deutschlandweit wurden die Wachstumsprognosen inzwischen deutlich heruntergefahren. Zu den seit der Corona-Krise bestehenden Lieferkettenproblemen und Knappheiten bei Rohstoffen und Vorprodukten sind inzwischen erhebliche Preissteigerungen auf allen Wirtschaftsstufen und in großer Breite getreten. Ursächlich dafür ist vor allem die politisch gesteuerte Verknappung des Energieangebotes“, sagt IHK-Präsident Ulrich Heep.
Zeigte sich im Zuge des Coronabschwungs in den Jahren 2020 und 2021 noch eine unterschiedliche Betroffenheit der Branchen, so sind jetzt alle Branchen auf Talfahrt und die Indizes im negativen Bereich (unter 100 Punkte): Produzierendes Gewerbe (Industrie und Bau) 70 Punkte, Einzelhandel 66 Punkte, Dienstleistungen 73 Punkte.
In der regionalen Wirtschaft wird die gegenwärtige Lage insgesamt noch mit einem leicht positiven Saldo von 9 Punkten bewertet: 28 Prozent werten gut, 53 Prozent befriedigend und 19 Prozent schlecht. Jedoch haben sich vor allem die Zukunftsaussichten stark verschlechtert: Nur 4 Prozent erwarten eine zukünftig bessere Geschäftslage, 39 Prozent gehen von einer stabilen Geschäftslage aus, 57 Prozent jedoch rechnen mit einer Verschlechterung. Auf die weitere Entwicklung wird mit deutlichem Pessimismus geblickt.
Stark gestiegene Energiepreise
Vor allem die stark gestiegenen Preise für Strom, Gas und Kraftstoffe stellen für die Unternehmen aller Branchen eine zum Teil existenzielle Belastung dar. 84 Prozent der heimischen Unternehmen sehen sich von den außergewöhnlich stark und schnell gestiegenen Energiepriesen erheblich betroffenen und müssen reagieren. Dabei greift man zu verschiedenen Maßnahmen. 58 Prozent der Unternehmen wollen die gestiegenen Preise an ihre Kunden weitergeben, vor allem in den Branchen Industrie, Bau, Großhandel, Verkehr und Gastgewerbe.
Jedes dritte Unternehmen sieht die Notwendigkeit bzw. Möglichkeit, mit Energieeffizienzmaßnahmen Energie zu sparen und will hier investieren, vor allem die energieintensiven Vorleistungsgüterproduzenten. 12 Prozent der Unternehmen wollen auf andere Energieträger ausweichen, um Kosten zu sparen bzw. die Produktion zu sichern. Nachgedacht wird darüber vor allem im Baugewerbe und in der Verkehrsbranche.
„Die inzwischen viel zu hohen Energiepreise, die ja aus einer politisch gesteuerten Verknappung resultieren, müssen von der Politik als ein existenzielles Problem für Wirtschaft und Gesellschaft wahrgenommen werden. Ganz ideologiefrei muss schnellstens das staatlich beinflussbare Angebot an Energie erhöht werden, damit auch die Preise fallen“, betont Heep. „Die Rückmeldungen aus den Unternehmen zeigen ganz klar: Wir können uns diese Energiepreise nicht dauerhaft leisten.“
Risiken für die weitere Entwicklung
Der pessimistische Blick auf die weitere Geschäftsentwicklung korrespondiert mit der Ballung an relevanten wirtschaftlichen Risiken, zu denen auch die demografische Entwicklung, zunehmende staatliche Eingriffe und die sich verschlechternden weltpolitischen Rahmenbedingungen gehören.
Von den regelmäßig bei den Unternehmen abgefragten Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung hat sich das Thema der Energie- und Rohstoffpreise schon länger nach oben geschoben und steht seit dem Frühjahr 2022 unverändert an der Spitze: 81 Prozent aller Unternehmen sehen aktuell hier ein Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Noch nie war ein Risiko in dieser alarmierenden Breite und Nachdrücklichkeit benannt worden.
An zweiter Stelle (von 59 Prozent der Unternehmen genannt) steht nach einem Sprung nach oben inzwischen die Sorge um die Inlandsnachfrage. Eine lange nicht gekannte hohe Inflationsrate lässt die Ausgabefreude von Investoren und Konsumenten schrumpfen. Der Fachkräftemangel verschärft sich trotz der konjunkturellen Abkühlung und wird von 53 Prozent der Unternehmen als Risiko genannt. Jedes zweite Unternehmen sieht hier seine wirtschaftliche Entwicklung eingeschränkt. Stark zugenommen hat auch die Zahl der Unternehmen (49 Prozent), die steigende Arbeitskosten als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung benennen.
Die politischen Rahmenbedingungen sieht ebenfalls fast jedes zweite Unternehmen (48 Prozent) eher als Risiko denn als Chance für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. In den offenen Antworten beklagen viele Betriebe immer wieder eine Überregulierung der Wirtschaftsabläufe bzw. der Unternehmen. Sie stellen die Frage, wie unter diesen Bedingungen heimische Produktion und Unabhängigkeit vom Ausland möglich sein soll.
Für die Konjunkturumfrage werden dreimal im Jahr rund 500 Mitgliedsunternehmen der IHK Limburg aus den verschiedenen Branchen befragt. Der Konjunkturklimaindex setzt sich zusammen aus der Beurteilung der aktuellen und der zukünftigen Geschäftslage. Bei einem Wert unter 100 kann man von einer negativen Gesamtstimmung sprechen, ab 100 Punkten von einer befriedigenden Beurteilung, ab 120 Punkten von einer guten, ab 130 Punkten von einer sehr guten Beurteilung.