IHK-Konjunkturumfrage Herbst 2020

Heimische Wirtschaft von Corona-Krise erheblich beeinträchtigt

23. Oktober 2020 – Die Corona-Pandemie ist der große Bremsfaktor für die Wirtschaft der Region Limburg-Weilburg in 2020 und voraussichtlich auch in 2021. Die Branchen sind unterschiedlich schwer getroffen, vor allem von den Maßnahmen zur Begrenzung der Ansteckungsrate. Eine Erholung kommt nur langsam voran und hängt sehr stark von der weiteren Entwicklung des Pandemieverlaufes ab sowie den Maßnahmen zur Eindämmung des Virus.
Die Unternehmen der heimischen Region sind von den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie weiterhin erheblich behindert und das Investitions- und Konsumverhalten ist von starker Verunsicherung geprägt, wie die aktuelle Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Limburg zur wirtschaftlichen Lage zeigt. Der IHK-Konjunkturklimaindex, der Lage und Erwartungen der befragten heimischen Betriebe zusammenfasst, hat sich nach 111 Punkten zum Jahresbeginn und dem Einbruch im Frühjahr auf 66 Punkte zum Herbst hin auf 93 Punkte verbessert. Der positive Bereich fängt bei 100 Punkten an.
Der aktuelle Indexwert liegt trotz der Verbesserung gegenüber dem Frühjahr noch deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 119 Punkten. Ähnlich niedrige Werte gab es in der New-Economy-Krise Anfang der 2000er Jahre sowie in der Finanzkrise 2009. Nach dem Tiefpunkt in der Finanzkrise war der Index nach einem Jahr wieder über der 100-Punkte-Marke. Wie lange es diesmal braucht, bis die Wirtschaft wieder in „ruhigem Fahrwasser“ ist, hängt neben den sonstigen Risiken für die wirtschaftlichen Abläufe (Fachkräftemangel, Energiepreise, Umweltvorgaben, öffentliche Verschuldung/Steuererhöhungen, internationale Konflikte, Handelshemmnissen/Brexitstörungen etc.) vor allem von der Bewältigung der Auswirkungen von Covid-19 ab.
Stimmung gedrückt
Sowohl die aktuelle als auch die zukünftige Geschäftslage werden von den heimischen Unternehmen aufgrund der pandemiebedingten Störungen der Wirtschaftsabläufe deutlich schlechter eingeschätzt als die Jahre zuvor, auch wenn es eine Aufhellung gegenüber dem Frühjahr gab. So bewerten nur 29,5 Prozent der Unternehmen im Bezirk der IHK Limburg ihre momentane Geschäftslage mit gut, 44 Prozent geht es immerhin befriedigend, 26,5 Prozent aber bezeichnen ihre Geschäftslage als schlecht. Die meisten Unternehmen blicken auch eher pessimistisch auf die weitere Entwicklung. Für die kommenden zwölf Monaten rechnen 30 Prozent der Betriebe mit einer Verschlechterung der Geschäftslage, 56 Prozent erwarten eine gleichbleibende, nur 14 Prozent eine bessere Geschäftslage.
Die Umfrageergebnisse für den IHK-Bezirk Limburg entsprechen der konjunkturellen Lage, in der sich die gesamte deutsche Wirtschaft bzw. die Weltwirtschaft befindet. Im Jahr 2019 wuchs das Bruttoinlandsprodukt noch um schwache 0,6 Prozent, nach 1,5 Prozent in 2018. Für 2020 geht der Deutsche Industrie- und Handelskammertag von einem Minus von 7 Prozent aus und es ist unwahrscheinlich, dass dieser Rückgang in 2021 wettgemacht werden kann.
Erholung langwierig
Maßgebend für eine Erholung wird sein, wie sich die Rahmenbedingungen in den nächsten Monaten entwickeln. Dabei wird sich der Aufholprozess für die Wirtschaft deutlich langsamer vollziehen als der Einbruch und sich für die einzelnen Branchen auch unterschiedlich gestalten. Abhängen wird die Belebung der Wirtschaftsentwicklung von den Stufen der Lockerung bzw. der aktuell anstehenden erneuten Verschärfung der pandemiebedingten Einschränkungen in Deutschland und in den Nachbarländern aber auch davon, wie schnell die Weltwirtschaft insgesamt die Rezession überwindet.
Die Wirtschaftsforschungsinstitute empfehlen der Regierung, mit zielgerichteten Maßnahmen Unternehmen zu unterstützen, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Aus Sicht der Wirtschaft sind dabei gut ausbalancierte Anti-Corona-Maßnahmen ebenso wichtig wie Spielräume für dringend notwendige Investitionen in die Zukunft. Die deutschen Unternehmen brauchen zudem praxistaugliche Regelungen für den Reiseverkehr. Geschäftsreisen sind für viele deutsche Unternehmen wichtig für das Aufrechterhalten von Produktion und internationalen Lieferketten - aber auch, um neue Aufträge zu erhalten.
Risiken neu bewertet
Die Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung ihres Unternehmens haben die heimischen Betriebe in der Corona-Krise neu bewertet. So hat sich die Sorge um die Inlandsnachfrage ganz nach vorn geschoben, genannt von 62 Prozent der Unternehmen (insbesondere von Gastgewerbe und Handelsunternehmen). An zweiter Stelle steht – angesichts drastischer Eingriffe in die Wirtschaftsabläufe aufgrund von Corona und dramatischer Zunahme der Staatsverschuldung – die Sorge um die politischen Rahmenbedingungen, genannt von 44 Prozent der Unternehmen. Besonders häufig genannte Befürchtungen sind hier: zukünftige Steuererhöhungen, Rückgang staatlicher Investitionen, nicht mehr zu bewältigende Bürokratie und neue Regulierungen, Reiseeinschränkungen, nachhaltige Schwächung des Automobil- und Industriestandortes Deutschland, Gefahr von „Zombieunternehmen“. An dritter und vierter Stelle der Risiken stehen die Sorge um ausreichend Fachkräfte und die Entwicklung der Arbeitskosten, aber deutlich weniger genannt als in den vorhergehenden Umfragen. Zugenommen hat die Sorge um die Auslandsnachfrage, genannt von jedem vierten Unternehmen (bzw. fast jedem zweiten Industrieunternehmen). Die Sorge um die Energie- und Rohstoffpreise ist angesichts des gesunkenen Bedarfs aktuell abgeflaut.
Konjunktur in den Branchen
Produzierendes Gewerbe
In der Industrie erreicht der Konjunkturklimaindex mit 89 Punkte eine Verbesserung um 21 Punkte gegenüber dem Frühjahr mit 68 Punkten (zum Jahresanfang waren es noch 104 Punkte). Die Lagebeurteilung hat sich nicht verbessert, aber die Zukunftserwartungen haben sich leicht aufgehellt. Ihre gegenwärtige Lage bezeichnen aktuell 19 Prozent der Industrieunternehmen als gut, 45 Prozent als befriedigend und 36 Prozent als schlecht.
Mit Blick auf die zukünftige Geschäftslage erwarten 23 Prozent der Unternehmen der Branche insgesamt eine Verbesserung, 27 Prozent rechnen mit einer ungünstigeren Entwicklung, der Rest (51 Prozent) geht von einer stabilen Entwicklung aus.
Die Auftragseingänge des verarbeitenden Gewerbes aus dem Inland und Ausland sind in den letzten vier Monaten per Saldo deutlich gesunken: bei den Aufträgen aus dem Ausland um 52 Prozent, bei den Inlandsaufträgen um 36 Prozent. Vor allem die Investitionsgüterproduzenten sind betroffen, weniger die Vorleistungsgüter oder Verbrauchsgüterproduzenten. Bezüglich der Exporterwartungen haben gegenüber dem Frühjahr die Zahl der Unternehmen zugenommen, die mit einem wieder steigenden Exportvolumen in den nächsten zwölf Monaten rechnen. Dadurch hat sich der der negative Saldo von minus 58 Prozent auf minus 18 Prozent „verbessert“, d. h. die Talfahrt flacht sich ab.
Der Konjunkturklimaindex im heimischen Baugewerbe erreicht zum Herbst 2020 einen Wert von fast „guten“ 117 Punkten nach 86 Punkten im vergangenen Frühjahr und sehr guten 131 Punkten zum Jahresanfang. Angesichts von Corona geht es dem Bauhauptgewerbe (Industriebau, Tiefbau, Straßenbau etc.) und insbesondere dem Ausbaugewerbe vergleichsweise gut. Die gegenwärtige Lage wird von 64 Prozent aller Bauunternehmen als gut bezeichnet, 32 Prozent sind insgesamt zufrieden, 5 Prozent geht es schlecht. Die Auftragseingänge haben in den letzten Monaten im Ausbaugewerbe per Saldo wieder zugenommen, im Bauhauptgewerbe gab es einen leichten Rückgang. Bezüglich der weiteren Entwicklung in den kommenden Monaten wird im Baugewerbe per Saldo mit einer Verschlechterung gerechnet.
Handel
Die Stimmung im heimischen Einzelhandel hat sich gegenüber dem Frühjahr aufgehellt. Der Konjunkturklimaindex ist von 70 Punkten auf jetzt 103 Punkte in den knapp befriedigenden Bereich gestiegen. Anfang des Jahres stand der Wert mit 112 Punkten noch deutlicher im positiven Bereich. 42 Prozent der befragten Einzelhändler bezeichnen ihre gegenwärtige Lage als gut, 14 Prozent als schlecht, 44 Prozent sind zufrieden. Die Umsätze sind nach den starken Rückgängen im Frühjahr in den letzten vier Monaten insgesamt stabil geblieben. Bei 25 Prozent der Händler sind die Umsätze gestiegen, bei ebenso vielen gefallen, der Rest hatte etwa gleichbleibende Umsätze. Die Maßnahmen zum Infektionsschutz führten bei den privaten Haushalten zu einer Einschränkung des Konsums oder Neuorientierung. In den Branchen des Einzelhandels gibt es Gewinner und Verlierer
Die heimischen Einzelhändler sind beim Blick auf die Zukunft nicht mehr so pessimistisch wie im Frühjahr. Dennoch erwarten nur 6 Prozent eine Verbesserung ihrer Geschäftslage, 23 Prozent jedoch eine Verschlechterung, 71 Prozent rechnen eher mit keiner Veränderung der Lage bzw. sind unsicher, ob es besser oder schlechter wird.
Ähnlich wie im Einzelhandel ist die Konjunktureinschätzung im Großhandel. Nach guten 117 Punkten zum Anfang des Jahres gab es im Frühjahr beim Klimaindex einen Rückgang auf 73 Punkte und nun zum Herbst eine Erholung auf 105 Punkte. Die gegenwärtige Lage wird von 36 Prozent der Großhändler und Handelsvermittler als gut und von 60 Prozent als befriedigend bezeichnet, 4 Prozent urteilen „schlecht“. Die Umsatzentwicklung der letzten vier Monate verlief nach den deutlichen Rückgängen im Frühjahr per Saldo wieder positiv: 32 Prozent der Großhändler konnten steigende Umsätze verzeichnen, 16 Prozent fallende Umsätze. Bei dem Rest der Großhändler waren die Umsätze konstant geblieben.
Mit Blick auf die zukünftige Geschäftsentwicklung ist der Großhandel per Saldo gegenüber dem Frühjahr nicht mehr so pessimistisch. Jedoch erwarten weiter nur 4 Prozent der Unternehmen für die kommenden Monate eine günstigere Geschäftsentwicklung, 20 Prozent jedoch eine Abschwächung. Die übrigen Großhändler (76 Prozent) rechnen mit einer eher gleichbleibenden Entwicklung.
Der auffällig hohe Anteil von Unternehmen im Handel, welche bei der Frage der weiteren Entwicklung „gleichbleibend“ einschätzen, kann auch als Zeichen der Unsicherheit gedeutet werden. Gerade der Handel ist von der noch unabsehbaren Entwicklung des Coronageschehens in den nächsten Monaten besonders abhängig und betroffen.
Dienstleister
Auch die Konjunktur im sonst so stabilen Gesamtbereich des Dienstleistungsgewerbes war im Frühjahr (von 111 Punkten auf 69 Punkte) heftig eingebrochen. Sie hat sich nun um fast 20 Punkte auf einen Index von 88 Punkte verbessert, liegt jedoch weiter deutlich unter der positiven 100-Punkte-Marke. Die aktuelle Geschäftslage wird von 25 Prozent der Unternehmen als gut bewertet aber von 32 Prozent als schlecht, der Rest ist zufrieden. In Einzelbranchen sah und sieht es dabei schlechter aus. Die Geschäftserwartungen haben sich gegenüber dem Frühjahr aufgehellt, doch überwiegt weiterhin deutlich der Pessimismus.
Zu den Dienstleistern gehören mit ihrer jeweiligen Konjunkturlage unter anderem die folgenden Branchen:
Bei den unternehmensbezogenen Dienstleistern war der Konjunkturklimaindex von 110 Punkte zu Jahresanfang auf 83 Punkte im Frühjahr gesunken und hat sich nun zum Herbst hin auf befriedigende 105 Punkte erholt. Auch wenn die Umsätze in den letzten Monaten per Saldo noch um 18 Prozent zurückgegangen sind: den Unternehmen aus den Bereichen Information und Kommunikation, Immobilienwirtschaft, Public Relations, Werbung und Marktforschung sowie Unternehmensberatung geht es nach eigener Einschätzung wieder besser. 26 Prozent der Unternehmen sagen, es geht gut, 15 Prozent schlecht, der Rest ist zufrieden. Beim Blick in die Zukunft stehen sich Optimisten und Pessimisten in gleicher Zahl gegenüber.
Deutlich schlechter sieht es bei den personenbezogenen Dienstleistern aus (Reisebüros, Fitness- oder Kosmetikstudios, Tanzschulen etc.). Hier sind die Umsätze nach bereits sehr starkem Rückgang im Frühjahr in den letzten Monaten weiter gefallen, per Saldo um 53 Prozent. Der Grund ist vor allem, dass die Unternehmen Leistungen für ihre Kunden aufgrund der angeordneten Schutzmaßnahmen nicht mehr oder nur eingeschränkt erbringen dürfen. Entsprechend ist der Klimaindex, nach 95 Punkten am Jahresanfang, von einem sehr schlechten Wert von 40 Punkten im Frühjahr auf aktuell nur 54 Punkte geklettert. 11 Prozent der Unternehmen geht es gut, jedoch 68 Prozent schlecht, der Rest ist zufrieden. In die Zukunft blickt man per Saldo mit Besorgnis, einem Optimisten stehen drei Pessimisten gegenüber.
Im Gastgewerbe hatte der Konjunkturklimaindex zum Jahresbeginn 2020 einen für die Branche besonders guten Wert mit 117 Punkten erreicht. Im Frühjahr stürzte er auf 15 Punkte regelrecht ab, die Auslastung war per Saldo um 94 Prozent gefallen. Zum Herbst hin ist der Index jetzt mühsam auf 64 Punkte geklettert, von einer Erholung kann man kaum sprechen. Die ersten Lockerungen bei den Schutzmaßnahmen bieten zwar einen Hoffnungsschimmer, aufgrund der weiterhin erforderlichen Abstands- bzw. Schutzbestimmungen ist aber eine rentierliche Auslastung und Leistungserbringungen bei den meisten Unternehmen noch nicht in Sicht. Sollten sich die Schutzverordnungen wieder deutlich verschärfen, hätte das negative Auswirkungen auf die Branche. 42 Prozent bezeichnen ihre augenblickliche Geschäftslage aufgrund der nicht mehr vorhandenen Auslastung als schlecht, nur 16 Prozent als zufriedenstellend. Bei den Zukunftsaussichten ist man auch im Blick auf die kühlere Jahreszeit sehr pessimistisch: Nur 11 Prozent erwarten in absehbarer Zeit eine Verbesserung, 56 Prozent eher eine Verschlechterung, der Rest sieht keine Veränderung.
Im Verkehrsbereich war der Klimaindex von 111 Punkten zu Jahresanfang auf 52 Punkte im Frühjahr eingebrochen – als Folge davon, dass Transporte nicht mehr erlaubt (z.B. Busreisen), nicht mehr benötigt (unterbrochene Lieferkette bzw. Angebots- oder Nachfrageausfall) bzw. behindert (Grenzregelungen) waren. Zum Herbst hin hat sich der Klimaindex zwar auf 83 Punkte erholt, die Lage aber bleibt schwierig. 20 Prozent der Unternehmen des Transportgewerbes bezeichnen ihre augenblickliche Geschäftslage als gut, 54 Prozent als zufriedenstellend, doch 35 Prozent sind unzufrieden. Im Blick auf die Zukunft rechnen 30 Prozent der Verkehrsunternehmen mit einer Verschlechterung, zwei Drittel erwartet keine Veränderung der Geschäftslage, 10 Prozent sehen positive Tendenzen.