Insolvenzrecht

Verhalten bei Unternehmenskrisen

1. Einleitung

Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten eines Unternehmens bestehen für die Verantwortlichen eine Reihe von rechtlichen Pflichten. Gerade junge Unternehmen gehen oft mit zu optimistischen Erwartungen und gelegentlich sorglos bei der Planung und Kontrolle ihrer Finanzen zu Werke. Unternehmerische Fehler können sich - auch bei Hinzutreten äußerer Einflüsse (Konjunktur, Marktveränderungen etc.) - schnell zu ernsten Krisen entwickeln, die die Existenz des Betriebes bedrohen.
Neben der Vermeidung einer persönlichen Haftung für die verschiedensten Unternehmensverbindlichkeiten sollte es vor allem darum gehen, keine Straftatbestände zu verwirklichen. Die Aufdeckung möglicher Straftaten geschieht häufig durch den Insolvenzverwalter auf der Suche nach verwertbaren Vermögensgegenständen.
Ziel der dieses Informationsblattes ist es zum einen, Unternehmer/innen auf die einschlägigen Vorschriften aufmerksam zu machen. Zum anderen sollen Empfehlungen gegeben werden, um (strafrechtlich) relevante Pflichtverletzungen zu vermeiden.
Welche Vorschriften zu beachten sind, richtet sich unter anderem nach der Rechtsform des Unternehmens. Während die strafrechtlichen Vorschriften des Strafgesetzbuchs (StGB) grundsätzlich auf alle Unternehmer/innen Anwendung finden, bestehen vor allem für die Geschäftsführer, Vorstände und Liquidatoren einer GmbH, GmbH & Co. KG oder AG zusätzliche gesetzliche Regelungen. Die nachstehenden Aufzählungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aus Gründen der Übersicht wird vorliegend nur auf die wichtigsten Normen eingegangen. Im Einzelfall können darüber hinaus weitere Straftatbestände, wie Diebstahl, Unterschlagung, Verstrickungsbruch oder Urkundenfälschung verwirklicht werden.

2. Krisenerkennung

Eine entscheidende Voraussetzung zur erfolgreichen Bewältigung einer Krise ist deren frühe Erkennung. Je früher die Krise erkannt und bekämpft wird, desto höher sind die Chancen, dass der Betrieb - gegebenenfalls unter Einschaltung erfahrener Berater - noch gerettet werden kann. Ein rasches Handeln ist vor allem wichtig, weil Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder innerhalb einer gesetzlichen Frist von drei Wochen ab Vorliegen eines Insolvenzgrundes (§§ 17, 19 InsO) Insolvenzantrag stellen müssen. Zögern Sie deshalb bei Krisenanzeichen nicht. Sprechen Sie rechtzeitig mit Ihren Beratern, Mitarbeitern oder Kunden und suchen Sie mit diesen nach Lösungsmöglichkeiten. Scheuen Sie sich auch nicht Ihre Kammer um Rat zu fragen, auch sie kann möglicherweise zusammen mit anderen Organisationen zu einer Problemlösung beitragen.

Maßnahmen zur Krisenfrüherkennung

Noch besser als die Krise frühzeitig zu erkennen ist natürlich, diese durch Vorbeugung zu vermeiden. Hierfür bieten sich folgende Instrumente an:
  • Ergebnis-, Finanz- und Liquiditätsplanung
  • Forderungsmanagement und straffes Mahnwesen
  • monatliche BWA-Besprechung (unter Hinzuziehung des steuerlichen bzw. betriebswirtschaftlichen Beraters)
  • regelmäßige Abteilungsbesprechungen
  • offener Umgang mit der Hausbank
  • Kundenumfragen
Eine Krisenfrüherkennung ist auch aus Gläubigersicht von entscheidender Bedeutung. Nicht selten geraten Unternehmen ohne eigenes Verschulden in Probleme, da ihre Vertragspartner aufgelaufene Forderungen nicht rechtzeitig begleichen. Achten Sie daher auf Alarmzeichen, die auf eine drohende Insolvenz ihres Vertragspartners hinweisen könnten, beispielsweise:
  • Marktsättigung bzw. Änderung der Verbrauchergewohnheiten
  • (vorübergehende) Standortverschlechterung
  • Ausscheiden von leitenden Mitarbeitern bzw. persönlich haftenden Gesellschaftern
  • auffällig hohe Privatausgaben der Geschäftsführung
  • dauernde Überschreitung der Zahlungsziele
  • Wechsel der Bankverbindung
  • ungerechtfertigte Reklamationen, Wechselproteste, Scheckrückgaben und Nichteinlösung von Lastschriften
  • Stundungsansinnen
  • negative Mitteilungen von Kunden, Lieferanten und Außendienstmitarbeitern
  • hohe Preisnachlässe
  • Abfallen der Produktqualität

3. Hinweise zur Krisenbewältigung

Befindet sich Ihr Unternehmen bereits in einer Notlage, sollten Sie möglichst sofort reagieren und geeignete Maßnahmen treffen. Hierbei können Sie sich zum Beispiel von folgenden Überlegungen leiten lassen:

a) Prüfen des Unternehmenskonzepts

  • Sind Ihre Produkte/Dienstleistungen noch rentabel und zeitgemäß? Stimmt deren Qualität?
  • Haben Sie noch Vorsprung vor Ihren Wettbewerbern?
  • Sind bestimmte Kosten zu hoch?
  • Muss der Personalbestand überprüft und angepasst werden?

b) Sofortmaßnahmen gegen Zahlungsunfähigkeit

  • Bareinlage
  • Verkauf von nicht betriebsnotwendigen Wirtschaftsgütern
  • unverzügliches Eintreiben von Forderungen
  • Abbau von Vorräten durch Sonderangebote
  • Verkauf und anschließendes "Zurück-Leasen" von Objekten (sale and lease back)
  • Besorgung von Beteiligungskapital
  • Einschalten von Inkasso-Firmen

c) Schritte zur Liquiditätsverbesserung

  • Stundungen bzw. Ratenzahlungen mit Kreditinstituten und Lieferanten vereinbaren
  • Kreditumfänge erhöhen
  • teure Kontokorrentkredite in langfristige Darlehen umwandeln
  • prüfen, ob öffentliche Förderprogramme in Frage kommen (DtA-Existenzgründungsprogramm, KfW-Mittelstandsprogramm „Liquiditätshilfe“, Bürgschaftsprogramme)

d) Längerfristige Maßnahmen

  • ein effizientes Mahnwesen aufbauen
  • freiwillige Leistungen einschränken und (unnötige) Kosten eliminieren
  • leistungsbezogenes Vergütungssystem einführen
  • Arbeitsabläufe/Produktionsverfahren optimieren
  • Organisation/Verwaltung straffen
  • neue Produkte, Dienstleistungen und Werbemaßnahmen einführen, neue Märkte/Zielgruppen erschließen
  • Mitarbeitergespräche mit Zielvereinbarungen einführen
Achten Sie bitte bei der Umsetzung der Maßnahmen auch auf deren fristgerechte Durchführung und Überwachung. Legen Sie fest, wer was bis wann zu erledigen hat und was zur Erreichung eines Ziels konkret gemacht werden soll.

4. Vorschriften aus dem Strafgesetzbuch

Wer seine Rechte und Pflichten in der Unternehmenskrise kennt, kann die Folgen seiner Handlungen besser einschätzen und im Zweifel schwerwiegende Fehler vermieden. Wir möchten deshalb nachstehend einen Überblick über einzelne Haftungstatbestände geben.

4.1. Bankrott (§ 283 StGB)

Zentrale Vorschrift aus dem Bereich des Strafgesetzbuchs ist § 283 StGB mit seinen insgesamt acht Alternativen. Im Folgenden sollen die einzelnen Tatbestände näher erläutert und Hinweise gegeben werden, wie deren Verwirklichung vermieden werden kann.
Der Tatbestand des Bankrotts umfasst die Vornahme bestimmter Tathandlungen (Abs. 1 Nr. 1 bis 8) während einer wirtschaftlichen Krise (Überschuldung, drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit) bzw. die Herbeiführung der Krise durch die genannten Tathandlungen.
a) Beiseiteschaffen, Verheimlichen und Beschädigen von Haftungsvermögen (§ 283 Abs. 1 Nr. 1)
Ein Beiseiteschaffen liegt vor, wenn der Gläubigerzugriff durch rechtliche oder tatsächliche Verfügungen vereitelt oder erschwert wird. Unter Verheimlichen wird jedes Verhalten verstanden, durch das ein Vermögensbestandteil der Kenntnis der Gläubiger entzogen wird. Zu den vom Tatbestand umfassten Vermögensbestandteilen zählen unter anderem alle beweglichen und unbeweglichen Sachen, Forderungen, Patente, Lizenzen, die Kundenkartei, aber auch der Firmenname. Auch der Abschluss langfristiger Verträge kann im Einzelfall eine strafrechtliche Haftung begründen.
Um eine Strafbarkeit zu vermeiden, raten wir dringend von den nachstehenden Tathandlungen ab:
  • Wegschaffen von Betriebsvermögen und Vorräten
  • nicht gerechtfertigte Sicherungsübereignungen
  • Einziehung von Forderungen über fremde Konten
  • Zahlung von Schmiergeldern
  • Geldüberweisungen vom Geschäftskonto auf eigene oder fremde Konten
  • Ableugnen von Vermögensbestandteilen
  • heimliches Einziehen von Forderungen
  • Vortäuschen eines den Gläubigerzugriff hindernden Rechtsverhältnisses
b) Eingehen von Risikogeschäften sowie wirtschaftlich unvertretbare Ausgaben (§ 283 Abs. 1 Nr. 2)
Vorab ist festzuhalten, dass ein Handeln, das dem allgemeinen unternehmerischen Risiko unterfällt, nicht als Bankrottdelikt strafbar ist. Die Vorschrift ist daher eng auszulegen. Unter den Begriff des Risikogeschäftes fallen nach dem Wortlaut alle Verlust-, Spekulations- und Differenzgeschäfte, wobei unter einem Verlustgeschäft nur solche Geschäfte verstanden werden, die von vornherein auf eine Vermögensminderung angelegt sind. Unter die wirtschaftlich unvertretbaren Ausgaben fallen nur solche Ausgaben, deren Sinnlosigkeit für wirtschaftlich denkende Beobachter eindeutig feststeht. Kein Verstoß liegt daher vor, wenn Sachkundige über die Vertretbarkeit einer Maßnahme unterschiedlicher Meinung sind. Bei der Beurteilung des Merkmals "wirtschaftlich unvertretbar" ist die Vermögenssituation des Betroffenen bzw. seines Unternehmens mit zu berücksichtigen. Bei Unternehmen ohne Haftungsbegrenzung ist daher auch das (voll haftende) Privatvermögen des Unternehmers in die Betrachtung mit einzubeziehen. Unter Berücksichtigung der obigen Punkte sollten Sie daher folgendes vermeiden:
  • teure Urlaubsreisen
  • Anmietung bzw. Beibehaltung einer teuren Wohnung
  • unangemessene Ausgaben für den Lebensunterhalt
  • überhöhte Gehalts-, Werbungs- und Repräsentationskosten sowie Spesen
c) Verkauf nicht sofort bezahlter Waren unter ihrem Wert (§ 283 Abs. 1 Nr. 3 StGB)
Die Vorschrift greift dann ein, wenn auf Kredit beschaffte Waren oder Wertpapiere erheblich unter ihrem aktuellen Marktwert veräußert werden. Der Einkaufspreis ist hierbei unerheblich. Nicht von der Vorschrift umfasst sind zulässige Räumungsverkäufe, Lockvogelangebote (vor allem bei Mischkalkulationen) und Tiefpreise, um Konkurrenzkämpfe oder bevorstehende Preisstürze durchzustehen.
Hinweis: Preisherabsetzungen und (übliche) Sonderangebote sind von dieser Vorschrift nicht betroffen. Sie sollten es aber unterlassen, Waren zu "verschleudern", das heißt Preise ansetzen, die den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechen. Ob und wann dies der Fall ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden.
d) Vortäuschen von Rechten anderer (§ 283 Abs. 1 Nr. 4 StGB)
Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer durch eine scheinbare Vermehrung der Schulden die Befriedigungsquote der Gläubiger kürzt. Ein Vortäuschen ist gegeben, wenn der Betroffene nach außen hin ein nicht bestehendes Recht als bestehend ausgibt, zum Beispiel durch Rückdatieren von Verträgen oder Anerkennen von erdichteten Rechten.
e) Verstoß gegen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten aus §§ 238 ff, 242 ff HGB (§ 283 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 StGB)
Die in der Praxis am häufigsten anzutreffende Variante des § 283 ist die unterlassene oder unordentliche Buchführung. Oftmals wird aber auch versucht, durch eine falsche Buchführung das Vorliegen eines Insolvenzgrundes zu verschleiern. Adressaten der Vorschrift sind alle Kaufleute. Kaufmann im Sinne des § 1 Abs. 2 HGB ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Die hierfür maßgeblichen Kriterien (Umsatz, räumliche und personelle Betriebsgröße, Komplexität der Geschäftsvorfälle, Kreditmittel etc.) bedürfen der Feststellung im Strafurteil. So genannte Kleingewerbetreibende fallen damit nicht unter diese Strafvorschrift. Festzuhalten ist, dass interne Vereinbarungen unter den Gesellschaftern bzw. Geschäftsführern oder die Beauftragung eines Steuerberaters den Unternehmer nicht von seiner strafrechtlichen Verantwortung entbinden. Auch fachliche Ungeeignetheit oder Krankheit ist kein Entschuldigungsgrund. Die mit der Buchführung beauftragten Personen sind - im Rahmen des Möglichen - kontinuierlich und angemessen zu überwachen. (Kann der Unternehmer oder das Unternehmen die Kosten für den Einsatz eines Steuerberaters nicht aufbringen, entfällt jedoch unter Umständen die Strafbarkeit.)
Hinweis: Bitte nehmen Sie die Erfüllung Ihrer Buchführungspflichten von Anfang an ernst. Abgesehen von den angeführten strafrechtlichen Nachteilen haben Sie nur bei einer ordentlichen Buchhaltung einen sicheren Überblick über Ihre jeweilige Finanz- und Vermögenslage. Auch bei drohenden Auseinandersetzungen mit Finanz- oder Gewerbeämtern verschafft Ihnen eine geordnete Buchhaltung einen gewissen Vorteil.
f) Beiseiteschaffen, Verheimlichen oder Zerstören von Handelsbüchern (§ 283 Abs. 1 Nr. 6 StGB)
Die Norm gilt für alle Handelsbücher, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann verpflichtet ist und für die die gesetzlich vorgeschriebenen Aufbewahrungspflichten noch nicht abgelaufen sind. Zu beachten ist, dass die Vorschrift nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch für Bücher gilt, die ohne handelsrechtliche Verpflichtung freiwillig geführt werden.
g) Sonstiges Verringern des Vermögensstandes und Verheimlichen oder Verschleiern der geschäftlichen Verhältnisse (§ 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB)
Diese Vorschrift stellt den Auffangtatbestand für Fälle dar, die nicht unter die Nr. 1 bis 7 fallen und zeigt, dass der Gesetzgeber jedes Verhalten unter Strafe stellen will, durch das der Schuldner in einer den Anforderungen eines ordnungsgemäßen Wirtschaftens grob widersprechenden Weise das Haftungsvermögen verringert oder seine geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert, zum Beispiel heimliches Unterhalten eines Tochterunternehmens im Ausland, Prospekte mit irreführenden Angaben oder treuwidrige Verwendung von Kundenzahlungen.

4.2. Besonders schwerer Fall des Bankrotts (§ 283a StGB)

§ 283a StGB sieht für das Verwirklichen der Regelbeispiele Nr. 1 bis 3 des § 283 in schweren Fällen eine Strafverschärfung (Freiheitsstrafe sechs Monate bis zu zehn Jahren) vor.

4.3. Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB)

Hierbei handelt es sich um einen abstrakten Gefährdungstatbestand im Vorfeld des Bankrotts. Die Tathandlungen stimmen mit den Regelbeispielen des § 283 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 StGB überein, jedoch braucht sich der Schuldner noch nicht in der Krise zu befinden. Zur Vermeidung einer strafrechtlich relevanten Situation sollte ein Unternehmensverantwortlicher seine Buchhaltung möglichst zeitnah erstellen.

4.4. Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB)

Die Vorschrift geht § 283 Abs. 1 Nr. 1 (Vermögensbeeinträchtigung) als speziellere Vorschrift vor. Tathandlung ist die Gewährung einer ungleichartigen Deckung an einen Gläubiger unter Benachteiligung der übrigen Gläubiger zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit und dadurch Besserstellung des Gläubigers im Vergleich zu den übrigen. Der begünstigte Gläubiger ist in der Regel als notwendiger Teilnehmer straflos. Zu beachten ist hier auch die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff Insolvenzordnung.

4.5. Schuldnerbegünstigung (§ 283d StGB)

Diese Vorschrift betrifft Außenstehende, die mit Einwilligung oder zugunsten eines sich in einer wirtschaftlichen Krise befindlichen Schuldners tätig werden. Tathandlung ist das Beiseiteschaffen von Vermögensbestandteilen. Der Schuldner kann sich der Anstiftung oder Beihilfe zu dieser Tat strafbar machen.
Eine Strafbarkeit nach den vorstehenden Paragrafen kommt allerdings erst dann in Betracht, wenn
  • der Schuldner oder das Schuldnerunternehmen seine Zahlungen eingestellt hat oder
  • über das Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder
  • der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

4.6. Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer (§ 266a StGB)

Nach § 28 e Abs. 1 SGB IV sind Arbeitgeber verpflichtet, die von den Arbeitnehmern zu entrichtenden Beiträge an die Sozialversicherungsträger abzuführen. Die Nichtabführung des Arbeitnehmeranteils ist strafbar (§ 266a StGB), für die Nichtabführung des Arbeitgeberanteils gilt dies hingegen nicht. Nach § 2 Beitragszahlungsverordnung werden Zahlungen des Arbeitgebers je zur Hälfte auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile angerechnet. Können die Zahlungen nicht in vollem Umfang erbracht werden, ist es empfehlenswert, eine Tilgungsbestimmung (auf den Arbeitnehmeranteil) zu treffen, da die Vorenthaltung des Arbeitgeberanteils nicht strafbar ist. Eine Strafbarkeit kann auch vermieden werden, wenn die Geschäftsführung mit den Sozialversicherungsträgern Stundungs- bzw. Ratenzahlungsvereinbarungen trifft.

4.7. Warenkreditbetrug (§ 263 StGB)

Oftmals wird in der Krise eines Unternehmens den Geschäftspartnern gegenüber der wahre finanzielle Zustand verschwiegen. Darin kann eine strafrechtlich relevante Täuschungshandlung liegen. Von der Rechtsprechung wird aus dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Rechtspflicht zum Offenbaren der wirtschaftlichen Lage hergeleitet. Eine solche Pflicht besteht zum Beispiel bei einer langjährigen Geschäftsverbindung oder einem besonderen Vertrauensverhältnis. Im übrigen bekundet ein Besteller bei der Warenbestellung (durch schlüssiges Handeln), dass er im Fälligkeitszeitpunkt die Warenlieferung auch bezahlen kann.

5. Besondere gesetzliche Regelungen für Kapitalgesellschaften

Den organschaftlichen Vertretern von Kapitalgesellschaften werden aus Gründen des Gläubigerschutzes besondere Sorgfaltspflichten hinsichtlich der Erhaltung des Eigenkapitals und der Insolvenzantragspflicht auferlegt. Insbesondere in der Krise des Unternehmens bestehen eine Reihe zusätzlicher Pflichten. Bedenken Sie hierbei, dass auch interne Zuständigkeitsregelungen die Haftung nicht ausschließen.
Einige Vorschriften wollen wir Ihnen kurz vorstellen:

5.1. Verstoß gegen das Rückzahlungsverbot (§ 30 GmbHG)

§ 30 GmbHG enthält zum Beispiel das Verbot, Aktivvermögen der Gesellschaft an die Gesellschafter auszuschütten, wenn und soweit hierdurch eine Unterdeckung herbeigeführt oder vertieft wird bzw. eine Überschuldung eintritt. Hierunter fällt auch die Kreditgewährung an Gesellschafter. Ein Verstoß gegen die Vorschrift führt zu einer Haftung des Geschäftsführers mit seinem Privatvermögen nach § 43 Abs. 2 GmbHG.
Unter Umständen kommt auch eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 StGB in Betracht.

5.2. Verletzung von Sanierungspflichten (§ 43 Abs. 2 GmbHG)

Ein Geschäftsführer ist gegenüber seiner GmbH verpflichtet, eine Krise der Gesellschaft frühzeitig zu erkennen und geeignete Sanierungsmaßnahmen einzuleiten. § 43 Abs. 2 GmbHG gibt der Gesellschaft einen Schadensersatzanspruch, der bei Insolvenz vom Insolvenzverwalter geltend gemacht wird.

5.3. Verletzung der Anzeigepflicht (§ 49 Abs. 3 GmbHG)

Ergibt sich aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz, dass die Hälfte des Stammkapitals aufgezehrt ist, hat ein Geschäftsführer unverzüglich eine Gesellschafterversammlung einzuberufen. Eine Verletzung dieser Pflicht zieht neben einer Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG auch eine Strafbarkeit nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG nach sich.

5.4. Haftung wegen Insolvenzverschleppung (§ 64 Abs. 1 GmbHG, 92 AktG)

Geschäftsführer einer GmbH und Vorstände einer AG sind unverzüglich, spätestens aber drei Wochen nach Vorliegen eines Insolvenzgrundes (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) verpflichtet, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Verhandlungen mit den Gläubigern, Sanierungsbemühungen oder eine interne Geschäftsverteilung rechtfertigen keine Überschreitung der dreiwöchigen Frist. Eine Verletzung der Pflicht zur Insolvenzantragsstellung führt zu einer Strafbarkeit der Verantwortlichen nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, § 401 AktG.
Der Antrag ist beim örtlich zuständigen Insolvenzgericht zu stellen.
Anmerkung: Auch hier ändert eine gesellschaftsinterne Aufgabenverteilung nichts an der Haftung. Die Feststellung eines Insolvenzgrundes ist außerdem nicht immer einfach. Sie sollten daher rechtzeitig einen Berater einschalten.

5.5. Masseverkürzung (§ 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG)

Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung haftet ein GmbH-Geschäftsführer mit seinem Vermögen für ab diesem Zeitpunkt geleistete Zahlungen. Ausgenommen sind solche Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Prüfen Sie daher in diesem Stadium alle Leistungen, die das Gesellschaftsvermögen schmälern noch sorgfältiger auf ihre Notwendigkeit.

5.6. Untreue (§ 266 StGB)

In einigen Fällen sind Untreuehandlungen der Geschäftsführer oder des Vorstands die Ursache für die Insolvenz eines Unternehmens. Nach §§ 35 Abs. 1 und 37 Abs. 2 GmbHG ist der Geschäftsführer mit einer rechtsgeschäftlichen Vermögensverfügungsbefugnis und in der Regel mit einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB ausgestattet. Die Tathandlung besteht im Missbrauch der Befugnis. Das heißt aufgrund der Befugnis werden im Außenverhältnis rechtswirksame Verfügungen zum Nachteil der Gesellschaft getroffen, die im Innenverhältnis dem Geschäftsführer nicht gestattet waren, zum Beispiel beim Transfer von Vermögen der GmbH auf ein Privatkonto, eine Auffanggesellschaft oder an Familienangehörige oder Angriffen auf das Haftungskapital.

5.7. Haftung für Steuern und Sozialabgaben

Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der steuerlichen Pflichten haften GmbH-Geschäftsführer dem Finanzamt gegenüber für Steuerschulden persönlich. Entsprechende Haftungstatbestände enthalten die §§ 34, 35, 69, 71, 191, 249, 255 Abgabenordnung. Eine Beurteilung der Rechtslage in Bezug auf die Abführungspflicht in der Krise ist schwierig, weil die Geschäftsführung zum einen ihrer Pflicht zur Erhaltung der Haftungsmasse (§ 64 Abs. 2 GmbHG) entsprechen muss, zum anderen aber gleichzeitig eine Inanspruchnahme wegen Verletzung der steuerlichen Abführungspflichten droht. Strafrechtlich droht ein Ermittlungsverfahren wegen Lohnsteuerhinterziehung. Die Einholung eines anwaltlichen Rates wird hier dringend empfohlen.
Ähnlich problematisch ist für die Geschäftsführung die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer. Auch hier steht die Geschäftsführung vor dem Problem, bei Abführung wegen Masseverkürzung persönlich zu haften oder vom Sozialversicherungsträger in Anspruch genommen zu werden und sich zudem nach § 266a StGB (wegen Nichtabführung des Arbeitnehmeranteils) strafbar zu machen. Zur rechtzeitigen Einschaltung eines erfahrenen Rechtsanwalts wird auch hier geraten.

6. Ergänzende Hinweise

Regelmäßig werden, wie einschlägige Untersuchungen zeigen, beim Zusammenbruch von Unternehmen auch Straftaten begangen. Gesellschaftsinterne Zuständigkeitsverteilungen bzw. die Einschaltung externer Berater schützen den Unternehmer grundsätzlich nicht vor einer strafrechtlichen Inanspruchnahme. Um dem Eintritt von Haftungsrisiken möglichst frühzeitig entgegentreten zu können, sollte ein steter Überblick über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sichergestellt werden. Die Verantwortlichen sollten sich frühzeitig über ihre Rechte und Pflichten informieren.
In Hessen haben fast alle Amtsgerichte eine Insolvenzabteilung und sind sachlich zuständig für das Insolvenzverfahren. Örtlich zuständig ist das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz oder, bei juristischen Personen, seinen Sitz hat. Liegt der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt (§ 3 InsO).
Für den gesamten Landkreis Limburg-Weilburg ist in Insolvenzsachen das Amtsgericht Limburg zuständig. Beim Amtsgericht Weilburg ist die Zuständigkeit nur noch bezüglich alter Konkurssachen (die vor dem 01.01.1999 eingegangen sind) gegeben.
 
Stand: Februar 2019
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