Insolvenzrecht

Hinweise für Gläubiger zum Regelinsolvenzverfahren

1. Was ist der Unterschied zwischen dem Regelinsolvenz- und dem Verbraucherinsolvenzverfahren?

Das Regelinsolvenzverfahren ist das besonders für Unternehmen geeignete Insolvenzverfahren, während das Verbraucherinsolvenzverfahren vornehmlich für private Verbraucher gedacht ist. Zwischen ihnen besteht keine Wahlmöglichkeit, d.h. es kann in einem Insolvenzfall nur eines der beiden Verfahren anwendbar sein.
Dem Regelinsolvenzverfahren unterfallen alle Unternehmensinsolvenzen sowie Insolvenzen von Selbständigen. Nicht-Selbständige unterliegen demgegenüber dem Verbraucherinsolvenzverfahren. Auch ehemals Selbständigen ist es eröffnet, sofern ihre Vermögensverhältnisse überschaubar sind (d.h. höchstens 19 Gläubiger bei Verfahrenseröffnung) und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen (dazu zählt insbesondere die Sozialversicherung).
Das Verbraucherinsolvenzverfahren setzt vorrangig auf eine einvernehmliche Schuldenbereinigung. Scheitert die Einigung, folgt ein im Vergleich zur Regelinsolvenz vereinfachtes Insolvenzverfahren.

2. Wer darf den Antrag auf Insolvenz stellen?

Antragsberechtigt sind sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner. Ein Insolvenzverfahren wird also nicht von Amts wegen eingeleitet. Es kommt nur zustande, wenn entweder der Schuldner selbst oder seine Gläubiger dies beantragen. Selbstverständlich kann auch bereits ein einziger Gläubiger den Antrag stellen.
Als Gläubiger müssen Sie ein rechtliches Interesse nachweisen. Hieran fehlt es, wenn Sie anderweitig gesichert sind, z.B. durch ein Absonderungsrecht, das Ihre Forderung umfassend sichert (dazu Frage 9.2). Auch dürfen Sie keine insolvenzfremden Zwecke verfolgen, wie z.B. den Schuldner als Wettbewerber loswerden zu wollen.
Weiterhin müssen Sie glaubhaft machen, dass Ihre Forderung gegenüber dem Schuldner besteht. Hierfür können Sie verschiedene Beweismittel heranziehen, etwa Rechnungen oder Lieferscheine. Wenn nichts Derartiges vorhanden ist, bleibt eine eidesstattliche Versicherung. Eine bloßes „Glaubhaftmachen“ reicht aber dann nicht mehr aus, wenn Ihr Schuldner die Forderung bestreitet und sie dazu die einzige ist, die eine Eröffnung des Verfahrens rechtfertigen würde. In diesem – eher seltenen Fall – müssen Sie die Forderung mit einem rechtskräftigen Titel (z.B. einem Urteil) belegen.
Schließlich müssen Sie auch noch einen „Eröffnungsgrund“ glaubhaft machen.

3. Was sind „Eröffnungsgründe“ eines Insolvenzverfahrens?

Der wichtigste Grund, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, ist die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Droht sie erst in der Zukunft, kann der Schuldner schon einen Insolvenzantrag stellen. Ihnen als Gläubiger ist dies jedoch erst möglich, wenn die Zahlungsunfähigkeit auch wirklich eingetreten ist.
Ein Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er seine Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen kann. Davon kann man ausgehen, sobald er seine Zahlungen endgültig eingestellt hat. Eine vorübergehende Zahlungsstockung reicht nicht aus. So, wenn zwar am Tag der Fälligkeit der Forderung keine Mittel zur Bezahlung bereit stehen, dies aber entweder mittels eines Bankkredits oder durch Stundung der Forderung geändert werden kann. Eine Zahlungsstockung liegt auch vor, wenn für die allernächste Zeit ein Zahlungseingang zu erwarten ist. Der Bundesgerichtshof nimmt hierfür einen Zeitraum von drei Wochen an.
Handelt es sich bei Ihrem Schuldner um eine juristische Person (AG, GmbH), kommt ein weiterer Eröffnungsgrund hinzu, die Überschuldung. Das Verfahren wird dann bereits eröffnet, wenn das Vermögen nicht mehr ausreicht, die Verbindlichkeiten zu decken. Dazu werden die Aktiva und Passiva in einer Überschuldungsbilanz gegenübergestellt. Die Bewertung erfolgt im Rahmen einer Prognose über die Fortführung des Unternehmens. Ist sie nicht überwiegend wahrscheinlich, setzt man die (niedrigeren) Liquidationswerte an. Anderenfalls legt man die (meist höheren) Fortführungswerte zugrunde. Je nach Ergebnis dieser rechnerischen Operation kommt es dann zu einer Verfahrenseröffnung oder nicht. 
Eine Überschuldung ist ebenso ein Eröffnungsgrund, wenn Ihr Schuldner eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist, die keine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter aufweist (Hauptfall: GmbH & Co. KG).
Sind eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH zahlungsunfähig oder überschuldet, sind deren Vorstand oder Geschäftsführer verpflichtet, unverzüglich (spätestens drei Wochen nach Kenntnis) Insolvenzantrag zu stellen.
Im Falle der Führungslosigkeit einer GmbH, einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft trifft diese Pflicht auch jeden Gesellschafter bzw. jedes Mitglied des Aufsichtsrats, es sei denn, die betreffende Person hatte von der Zahlungsunfähigkeit, der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis. Kenntnis bedeutet dabei positives Wissen. Ausreichend ist aber bereits, dass man sich bewusst der Kenntnis verschließt.
Eine „Insolvenzverschleppung“ kann zum Schadensersatz gegenüber den Gläubigern verpflichten und unter Umständen sogar strafbar sein.

4. Kann der Insolvenzantrag für mich Nachteile bringen?

Das Insolvenzgericht eröffnet das Insolvenzverfahren nur, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich ausreicht, die Verfahrenskosten (Gerichtskosten, Honorar und Auslagen des Insolvenzverwalters) zu decken.
Der Insolvenzantrag birgt daher für Sie Kostenrisiken. Sie schulden erst einmal die Verfahrensgebühr für den Eröffnungsantrag. Wird der Antrag abgewiesen oder zurückgenommen, bleiben Sie auf den Kosten des bisherigen Verfahrens sitzen.

5. Was bringt mir dann ein Insolvenzantrag?

Sie können im Insolvenzverfahren Ihre Forderung ohne Prozess und ohne Vollstreckungstitel durchsetzen. Der Zugriff auf das Vermögen Ihres Schuldners beruht allein auf dessen gerichtlicher Beschlagnahme durch den Eröffnungsbeschluss. Voraussetzung ist aber, dass niemand Ihre Forderung im Prüfungstermin bestreitet.

6. An wen muss ich den Insolvenzantrag richten?

Sie müssen ihn schriftlich an das zuständige Insolvenzgericht senden. Zuständig sind dafür die Amtsgerichte. Das richtige unter ihnen wählen Sie aus, indem Sie ermitteln, wo Ihr Schuldner hauptsächlich wirtschaftlich tätig ist. Dies geschieht in der Regel dort, wo er seinen Unternehmenssitz hat. Ansonsten bleibt sein allgemeiner Gerichtsstand maßgeblich, also der Ort, an dem er wohnt.
So einfach dies klingt, so schwierig kann die Suche nach dem zuständigen Gericht sein. Hinzu kommt: Richten Sie Ihren Antrag an das falsche Gericht, überweist es ihn zwar an das richtige Gericht. Dabei entstehen zusätzliche Kosten, die Sie zu tragen haben. Es empfiehlt sich daher, für den Insolvenzantrag juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

7. Was passiert nachdem das Gericht meinen Insolvenzantrag erhalten hat?

Das Gericht überprüft zunächst den Insolvenzgrund (siehe Frage 3). Bejaht es einen Insolvenzgrund, kümmert es sich um die Finanzierung. Es wird das Verfahren nämlich nur dann eröffnen, wenn das Vermögen des Schuldners ausreicht, die Verfahrenskosten zu decken (u.a. Gerichtskosten, Honorar und Auslagen des Insolvenzverwalters). Alternativ genügt es, wenn die Gläubiger einen Vorschuss auf die Verfahrenskosten leisten. Ob sich dies auszahlt, wird gut zu überlegen sein. Ein Vorschuss kann sich aber immer lohnen, wenn der Verdacht besteht, dass ein AG-Vorstand bzw. GmbH-Geschäftsführer (im Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft: GmbH-Gesellschafter bzw. AG-Aufsichtsratsmitglied) seiner Antragspflicht nicht nachgekommen ist („Insolvenzverschleppung“). Hier muss die antragspflichtige Person den Vorschuss nämlich erstatten, wenn sie sich nicht entlasten kann. Weiterhin wird das Gericht verschiedene Maßnahmen treffen, um eine Verschlechterung der Vermögenslage bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag zu verhüten. Zumeist bestellt es einen vorläufigen Insolvenzverwalter, der das Vermögen sichtet und sichert. Dessen Kompetenzen unterscheiden sich danach, ob dem Schuldner bereits jetzt die Verfügungsmacht über sein Vermögen komplett entzogen wird („starker“ vorläufiger Verwalter) oder ihm als weniger einschneidende Maßnahme ein Verwalter zur Seite gestellt wird, der ihn sozusagen „beaufsichtigt“ („schwacher“ vorläufiger Verwalter). Damit begnügen sich die Gerichte gerne bei kooperativen Schuldnern. Gleichwohl muss das Gericht seine Befugnisse genau festlegen, z.B. ihn zum Forderungseinzug ermächtigen. Besonders wichtig ist, dass er Masseverbindlichkeiten nur begründen kann, soweit ihm das Gericht die entsprechende Verfügungsmacht auch eingeräumt hat, also z.B. das Unternehmen des Schuldners fortführen und dafür auch Verbindlichkeiten eingehen darf. Beim „starken“ Verwalter versteht sich dies von selbst. 
Kommt das Gericht zur Überzeugung, dass genug Masse zur Deckung der Verfahrenskosten vorhanden ist und dass ein Insolvenzgrund vorliegt, eröffnet es das Insolvenzverfahren per Beschluss. Anderenfalls weist es den Antrag ab. Die Abweisung ist mittels sofortiger Beschwerde anfechtbar. Kommt es zur Abweisung mangels Masse, so hat das Gericht den Schuldner in das Schuldnerverzeichnis einzutragen. Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft, die keine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter hat (AG, KGaA, GmbH und GmbH & Co. KG), muss die Gesellschaft aufgelöst und ihm Register gelöscht werden.
Kommt es dagegen zur Eröffnung des Verfahrens, enthält der Eröffnungsbeschluss den Eröffnungstermin, und zwar bis auf die Minute genau! Ab diesem Zeitpunkt kommt es nämlich für den Schuldner zu einschneidenden Änderungen, insbesondere verliert er die Befugnis, über sein Vermögen zu verfügen. Der Beschluss führt die Koordinaten des Schuldners auf und nennt den vom Gericht eingesetzten Insolvenzverwalter; zumeist ist dies der bisherige vorläufige Verwalter. Das Gericht kann aber auch Eigenverwaltung anordnen, so dass der Schuldner sein Vermögen selbst weiterverwalten kann, und dafür einen ihn beaufsichtigenden Sachwalter zugewiesen bekommt. Schließlich informiert der Beschluss darüber, ob der Schuldner Restschuldbefreiung (siehe Frage 14) beantragt hat.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens macht das Gericht über das Internet öffentlich bekannt (www.insolvenzbekanntmachungen.de). Außerdem stellt es den Eröffnungsbeschluss den Gläubigern zu. Damit kann es auch den Insolvenzverwalter beauftragen. Erfolgt die Zustellung im Inland, gilt der Beschluss ungeachtet tatsächlicher Begebenheiten drei Tage nach Aufgabe bei der Post als zugestellt.

8. Was muss ich tun, wenn das Verfahren eröffnet ist?

Im Eröffnungsbeschluss werden Sie und alle anderen Gläubiger aufgerufen, ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden. Dafür gibt es ein eigens vom Insolvenzgericht herausgegebenen Formblatt. Darin müssen Sie Ihre Forderung(en) nach Art und Umfang benennen. Zinsen können Sie nur bis zum Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend machen. Der Anmeldung ist schließlich ein Beleg beizufügen, aus dem sich ergibt, dass die Forderung tatsächlich besteht. Achtung: Auch wenn Sie das Insolvenzverfahren selbst beantragt haben, müssen Sie Ihre Forderung trotzdem jetzt anmelden. Anderenfalls kann der Insolvenzverwalter sie nicht berücksichtigten!

9. Welcher Gläubiger bekommt bei Vermögensverwertung von dem Vermögen was und wie viel?

Dies kommt darauf an, welcher Gruppe von Gläubigern er angehört. Die Insolvenzordnung unterscheidet verschiedene Gläubigergruppen. Jeder Gruppe werden unterschiedliche Rechte hinsichtlich der Mitwirkung und der Befriedigung ihrer Forderungen zuerkannt. Man unterscheidet in der Rangfolge ihrer Ansprüche:
  1. aussonderungsberechtigte Gläubiger;
  2. absonderungsberechtigte Gläubiger;
  3. Massegläubiger;
  4. nicht nachrangige Insolvenzgläubiger und
  5. nachrangige Insolvenzgläubiger.

9.1. Aussonderungsberechtigte Gläubiger

In der Insolvenz privilegiert sind solche Rechte, die gar nicht zur Haftungsmasse des Schuldners gehören. Wer z.B. dem Schuldner eine Maschine unter Eigentumsvorbehalt verkauft hat, erhält ein Aussonderungsrecht. Die Maschine gehört nämlich bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung noch gar nicht dem Schuldner. Ein aussonderungsberechtigter Gläubiger kann deshalb die Herausgabe außerhalb des Insolvenzverfahrens verlangen, er ist kein Insolvenzgläubiger. Befindet sich die unter Eigentumsvorbehalt gekaufte Sache allerdings im Besitz des Insolvenzverwalters, muss er sie grundsätzlich nicht direkt an den Verkäufer herausgeben. Der Insolvenzverwalter kann wählen, ob er den Kaufvertrag erfüllen oder die Erfüllung ablehnen will. Seine Entscheidung kann er bis zum Berichtstermin herausschieben und das Votum der Gläubigerversammlung über eine Sanierung oder eine Liquidation des Unternehmens abwarten. Der Gläubiger muss also unter Umständen die Sache noch bis zum Berichtstermin bei der Insolvenzmasse belassen. Eine Ausnahme gilt nur, wenn sich bis dahin ihr Wert erheblich mindern kann (z. B. verderbliche Ware, Saisonware) und der Gläubiger den Verwalter darauf hingewiesen hat. Damit sollen die Fortführungschancen des Schuldnerunternehmens verbessert und eine vorzeitige Zerschlagung des Unternehmens verhindert werden.

9.2. Absonderungsberechtigte Gläubiger

Wer keinen Eigentumsvorbehalt, sondern nur Sicherungseigentum oder ein Pfandrecht aufweisen kann, ist zwar dem Insolvenzverfahren unterworfen, erhält aber ein Absonderungsrecht. Er wird aus dem Erlös des Sicherungseigentums vor allen anderen Gläubigern befriedigt. Zur Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger gehören zumeist Lieferanten, die einen verlängerten Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungs-, Verbindungs-, Vermischungs- oder Vorausabtretungsklausel vereinbart haben.
Der Insolvenzverwalter muss dem Gläubiger vor der Verwertung die Art und Weise der Veräußerung mitteilen und ihm die Gelegenheit geben, innerhalb einer Woche auf eine günstigere Verwertungsmöglichkeit hinzuweisen, die er dann wahrzunehmen hat. Aus dem Verwertungserlös darf der Insolvenzverwalter die Kosten der Feststellung und der Verwertung, sowie eine eventuelle Umsatzsteuerbelastung vorab entnehmen. Die Feststellungskosten werden mit 4 % und die Verwertungskosten mit 5 % pauschaliert. Allerdings erlaubt das Gesetz zur Kompensation dieser Kosten eine entsprechende Übersicherung bei der Begründung des Sicherungsrechts. Verwertungserlöse, die die Höhe des Gläubigeranspruchs übersteigen, fallen der Insolvenzmasse zu. Im Gegenzug kann der absonderungsberechtigte Gläubiger den Teil seiner Forderung als Insolvenzgläubiger geltend machen, der durch die Verwertung abzüglich der Kosten nicht gedeckt werden kann.

9.3. Massegläubiger

Massegläubiger sind all diejenigen Gläubiger, deren Ansprüche erst nach Verfahrenseröffnung begründet und durch das Verfahren selbst veranlasst worden sind. Zu diesen Ansprüchen gehören vor allem die Verfahrenskosten (Gerichtskosten sowie Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses) sowie die aus den Handlungen des Verwalters resultierenden Masseverbindlichkeiten. Die Forderungen der Massegläubiger werden, soweit der Umfang der Insolvenzmasse es zulässt, in voller Höhe befriedigt. Dieses Privileg soll gewährleisten, dass das Verfahren reibungslos abläuft. Es führt aber oft dazu, dass die Teilungsmasse, die den Insolvenzgläubigern verbleibt, sich stark verringert.

9.4. Insolvenzgläubiger

Als Insolvenzgläubiger werden alle Gläubiger bezeichnet, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Der Anspruch braucht zu diesem Zeitpunkt nur begründet, nicht aber fällig zu sein. Die Forderungen der Insolvenzgläubiger werden quotenmäßig aus der verbleibenden Insolvenzmasse bedient. Die Quote ergibt sich aus dem Verhältnis der noch vorhandenen Vermögenswerte zur Summe aller Verbindlichkeiten.
Beispiel: Beläuft sich die zur Verfügung stehende Masse auf 100.000,- € und stehen ihr Verbindlichkeiten in Höhe von 800.000,- € gegenüber, so beträgt die Quote 1/8 = 12,5 %. Beträgt die Forderung eines Insolvenzgläubigers 5000,- €, erhält er von dieser Summe 12,5 %, also 625,- €.

9.5. Nachrangige Insolvenzgläubiger

Nachrangige Insolvenzgläubiger werden nur noch bedient, wenn nach Befriedigung aller anderen Gläubiger noch etwas von der Insolvenzmasse übrig ist. In der Praxis kommt dies so gut wie nie vor. Nachrangige Insolvenzforderungen sind z. B. die seit Verfahrenseröffnung laufenden Zinsen oder die Kosten, die den einzelnen Gläubigern durch ihre Teilnahme am Insolvenzverfahren erwachsen.

10. Welche Mitwirkungsmöglichkeiten gibt es für mich im Insolvenzverfahren?

Als Gläubiger dürfen Sie selbstverständlich mitreden. Dies geschieht im Großen und Ganzen auf zwei Arten. Einmal können die Gläubiger selbst entscheiden, ob sie das Schuldnervermögen liquidieren, d.h. es verwerten und unter ihnen verteilen. Sie können dabei entscheiden, ob sie dies strikt nach den gesetzlichen Regeln machen wollen oder ob sie davon durch Aufstellung eines Insolvenzplans (siehe Frage 11) abweichen. Ebenfalls mit einem Insolvenzplan können die Gläubiger auch eine Sanierung des Unternehmensträgers beschließen. Um ihre Mitsprache und das Verfahren zu bündeln, sieht das Gesetz zum anderen die Einrichtung einer Gläubigerversammlung vor. Sie wird vom Gericht einberufen und vom Insolvenzrichter geleitet.
Die erste Gläubigerversammlung ist zugleich der sog. „Berichtstermin“. Hier müssen die Gläubiger sich entscheiden, ob und inwieweit sie eine totale oder teilweise zerschlagende Verwertung anstreben bzw. das Unternehmen fortführen wollen. Eine Teilnahmepflicht an der Gläubigerversammlung besteht nicht, allerdings sind ihre Beschlüsse für alle bindend. Abstimmungsberechtigt sind nur die absonderungsberechtigten Gläubiger und die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger. Der Stimmanteil eines Gläubigers richtet sich nach der Summe seiner Forderungen im Verhältnis zur Gesamtsumme aller Forderungen der anwesenden abstimmungsberechtigten Gläubiger. Nicht stimmberechtigt sind Gläubiger, deren Forderungen vom Insolvenzverwalter oder einem anderen Gläubiger bestritten werden. Allerdings kann die Gläubigerversammlung ihnen trotzdem ein Stimmrecht einräumen. Gegen die Verweigerung des Stimmrechts kann der betroffene Gläubiger Beschwerde beim Insolvenzgericht einlegen. Da die Gläubigerversammlung schon wegen ihrer Größe mitunter relativ unbeweglich sein kann, können das Insolvenzgericht und die Gläubigerversammlung einen Gläubigerausschuss einsetzen. In ihm wirken Vertreter der absonderungsberechtigten Gläubiger, der Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen und der Kleingläubiger mit. Außerdem sollen die Arbeitnehmer vertreten sein, wenn sie mit nicht unerheblichen Forderungen beteiligt sind. Die Vertreter dieser Gruppen brauchen nicht selbst Gläubiger zu sein, so dass außenstehender Sachverstand eingebracht werden kann.

11. Was ist der Insolvenzplan?

Der Insolvenzplan soll den Beteiligten ermöglichen, die Insolvenz flexibel und wirtschaftlich effektiv abzuwickeln. Sie können deshalb mit einem Insolvenzplan von der Insolvenzordnung abweichen, wenn sie meinen, dass sich so ihre Ziele besser verwirklichen lassen. Ein Insolvenzplan kommt praktisch nur bei Unternehmensinsolvenzen vor, wenn der Unternehmensträger saniert oder fortgeführt werden soll. Wie bereits zu Frage 10 gesagt, können die Gläubiger aber ebenso gut bei einer Liquidation ihre eigenen Vorstellungen mit einem Insolvenzplan verfolgen, wenn sie die gesetzlichen Regeln der Insolvenzordnung nicht für sinnvoll erachten. Jedenfalls fasst der Insolvenzplan die Vorstellungen der Gläubiger zusammen. Auch dem Schuldner ist es möglich, einen Insolvenzplan aufzustellen. In der Praxis macht er dies mitunter mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, um so seine Rettungschancen zu erhöhen.
Der Plan stellt den „Ist-Zustand“ dar und beschreibt die beabsichtigten Rechtsänderungen, insbesondere Forderungskürzungen und Stundungen. Die Gläubiger werden in Gruppen gleicher Rechtsstellung und gleicher wirtschaftlicher Interessenlage eingeteilt, wobei sie innerhalb jeder Gruppe gleichzubehandeln sind. Der Plan muss von den Gläubigern – in den Gruppen abstimmend – gebilligt werden; und zwar mit Kopf- und Summenmehrheit in jeder Gruppe. Gegebenenfalls kann das Gericht die Zustimmung ersetzen, wenn der Plan nichtzustimmende Gruppen nicht schlechter stellt als das gesetzliche Liquidationsverfahren. Unbeachtlich ist auch der Widerspruch des Schuldners, falls der Plan ihn nicht schlechter stellt als eine Liquidation. Stimmt der Schuldner zu, muss der Plan abschließend vom Insolvenzgericht bestätigt werden. Die Bestätigung führt dazu, dass alles das, was in ihm festlegt ist, für und gegen alle Beteiligten gilt; und zwar auch für die Beteiligten, die dem Plan widersprochen haben oder ihre Forderungen nicht angemeldet haben.
Mit bekannt zu machendem Beschluss (www.insolvenzbekanntmachungen.de) hebt das Gericht das Insolvenzverfahren auf. Der Schuldner erlangt damit seine Verfügungsbefugnis zurück. Häufig sieht der Plan vor, dass der Verwalter seine Durchführung überwacht. Ebenso kann der Plan die Zustimmung des Verwalters für bestimmte Geschäfte des Schuldners verlangen. In einer erneuten Insolvenz werden Stundung und Erlass hinfällig.

12. Was passiert im Insolvenzverfahren mit noch schwebenden Geschäften und Aufrechnungsmöglichkeiten?

Zum Schutz der Gläubigerinteressen muss der Insolvenzverwalter bereits begonnene Geschäfte abwickeln, neue anbahnen und durchführen dürfen. Für solche Geschäfte gelten folgende Regeln:

12.1. Wahlrecht des Insolvenzverwalters

Hat der Schuldner seine Leistung bereits vollständig erbracht, muss der Gläubiger seine Gegenleistung nach Verfahrenseröffnung an den Insolvenzverwalter leisten. Unterlässt er dies, kann der Verwalter dies mittels Klage erzwingen. Hat der Gläubiger seine Leistung vollständig erbracht, wird er mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit seiner Gegenforderung nur Insolvenzgläubiger. Bei Verträgen, bei denen beide Parteien ihre Leistungen noch nicht vollständig erbracht haben, hat der Insolvenzverwalter grundsätzlich ein Wahlrecht. Er kann vom Vertragspartner Erfüllung verlangen oder die Erfüllung ablehnen. Entscheidet er sich für die Erfüllung des Vertrages werden die Gegenleistungsansprüche des Vertragspartners zu Masseverbindlichkeiten. Verweigert der Insolvenzverwalter die Erfüllung, was bei für den Schuldner nachteiligen Geschäften regelmäßig der Fall sein wird, erlöschen die gegenseitigen Leistungspflichten. Der Gläubiger kann dann wegen der Nichterfüllung des Vertrages lediglich als Insolvenzgläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.

12.2. Eigentumsvorbehalt

Hat der Gläubiger Ware unter einfachem Eigentumsvorbehalt geliefert und stehen noch Zahlungen des Schuldners aus, kann der Insolvenzverwalter Erfüllung verlangen. Er muss dann die noch ausstehenden Raten als Masseschuld bezahlen. Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, hat der Gläubiger ein Aussonderungsrecht. Der Insolvenzverwalter muss die Ware herausgeben. Der einfache Eigentumsvorbehalt gilt übrigens auch bei sich widersprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen, da er bereits bei einseitiger Erklärung einer Partei wirksam wird!

12.3. Miet- und Pachtverhältnisse

Miet- oder Pachtverhältnisse über Immobilien oder unbewegliche Gegenstände bestehen fort. War der Schuldner Vermieter, muss der Insolvenzverwalter das Mietobjekt dem Mieter überlassen und das Entgelt zur Masse ziehen. Will sich eine Partei vom Vertrag lösen, kann sie das nur nach den allgemeinen Regeln tun. Im umgekehrten Fall kann der Insolvenzverwalter das Mietobjekt nutzen und muss den Mietzins als Masseverbindlichkeit zahlen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigt also nicht zur fristlosen Kündigung. In der Insolvenz des Mieters ist der Vermieter auch nicht zur fristgerechten Kündigung befugt. Dafür kann der Insolvenzverwalter kündigen, wobei regelmäßig die übliche Drei-Monatsfrist gilt.

12.4. Aufrechnung

Die Möglichkeit Forderungen aufzurechnen, besteht auch in der Insolvenz. Da dies eine bevorzugte Behandlung einiger Gläubiger darstellen würde, ist sie aber an einige Bedingungen geknüpft. Zunächst muss die Aufrechnung auch außerhalb der Insolvenz möglich sein. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach der Art der Forderung, ihrer Fälligkeit und der Erfüllbarkeit der sich gegenüber stehenden Forderungen. War die Forderung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig, steht einer Aufrechnung nichts im Wege. Für den Fall, dass die Fälligkeit der Forderung des Gläubigers erst nach der Verfahrenseröffnung eingetreten ist, ist eine Aufrechnung zum Fälligkeitstermin möglich, wenn die Gegenforderung nicht schon vorher fällig geworden ist. Gegenforderungen, die erst nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind, können nicht aufgerechnet werden. Gleiches gilt, wenn der Gläubiger seine Forderung erst nach der Verfahrenseröffnung erworben hat oder die Forderung des Gläubigers nicht aus der Insolvenzmasse zu bedienen ist, er aber seinerseits die Gegenforderung zur Masse leisten muss.

13. Was passiert mit meinen noch offenen Forderungen nach Ende des Insolvenzverfahrens?

Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens können Sie grundsätzlich alle noch offenen Forderungen gegen den Schuldner geltend machen. (Anders sieht es aber aus, wenn Ihrem Schuldner eine Restschuldbefreiung eingeräumt wurde; siehe Frage 14). Die Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle ersetzt das gerichtliche Mahnverfahren insoweit, als dass damit eine Vollstreckung hinsichtlich des noch nicht befriedigten Teils möglich wird. Für nicht angemeldete Forderungen müssen Sie indes im Wege des Mahnverfahrens einen vollstreckbaren Titel erwirken!
Es ist jedoch zu beachten, dass AGs, KGaAs, GmbHs sowie GmbH & Co. KGs mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder bei Abweisung der Eröffnung mangels Masse aufgelöst werden (siehe Frage 7). Offene Forderungen, die sich gegen solche Schuldner richten, können Sie also nach Abschluss des Insolvenzverfahrens regelmäßig nicht mehr durchsetzen.

14. Was ist die Restschuldbefreiung?

Das unbeschränkte Nachforderungsrecht der Gläubiger (Frage 13) führt häufig dazu, dass der Schuldner sich nicht wieder eine dauerhaft gesicherte wirtschaftliche Existenz schaffen kann. Der Gesetzgeber hat deshalb für den "redlichen Schuldner" eine Restschuldbefreiung vorgesehen. Sie setzt voraus, dass der Schuldner eine natürliche Person ist, selbst Insolvenzantrag stellt und dabei Restschuldbefreiung beantragt. Er hat dann seinen Gläubigern in der Regel sechs Jahre lang u.a. seine Erwerbseinkünfte (oberhalb der Pfändungsgrenze) zu überlassen. Ggf. muss er sich um eine Erwerbstätigkeit bemühen. Verläuft diese Wohlverhaltensphase erfolgreich, verlieren alle Insolvenzgläubiger ihr Nachforderungsrecht. Andererseits kann das Gericht dem Schuldner bereits während der Wohlverhaltensphase die Restschuldbefreiung versagen, wenn er gegen die genannten Pflichten verstößt.
Während der Wohlverhaltensphase verteilt ein Treuhänder die pfändbaren Einkommensanteile quotal an die Gläubiger, d. h. entsprechend ihrem Anteil an den Gesamtverbindlichkeiten. Hat also ein Gläubiger eine Forderung von 50.000,- € gegen den Schuldner bei einer Gesamtverschuldung von 100.000,- €, erhält er die Hälfte des pfändbaren Einkommens. Während der Wohlverhaltensphase sind Zwangs- und Vollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger unzulässig.
Nach erfolgreichem Abschluss der Wohlverhaltensphase ergeht seitens des Gerichts nach Anhörung von Schuldner, Treuhänder und Gläubigern ein förmlicher Beschluss, dass der Schuldner nunmehr schuldenfrei ist. Ausgenommen sind allerdings Schulden, die aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen, aus Geldstrafen, Geldbußen, Zwangs- und Ordnungsgeldern herrühren oder neue Schulden, die während der Wohlverhaltensphase gemacht wurden. Der Beschluss wird öffentlich bekannt gemacht (www.insolvenzbekanntmachungen.de).
 
Stand: Februar 2019
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