Forderungsmanagement

Zwangsvollstreckung aus Leistungsurteilen

1. Allgemeines

Wenn ein Gläubiger ein Urteil zur Zahlung eines bestimmten Betrages vor Gericht erwirkt und der Schuldner nicht leistet, hat der Gläubiger die Möglichkeit, durch zwangsvollstreckende Maßnahmen den Betrag beizutreiben.
Zwangsvollstreckung ist die mit den Machtmitteln des Staates erzwungene Befriedigung von Leistungs- und Haftungsansprüchen.
Urteile auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrages (Leistungsurteile) stellen nicht die einzige Art von vollstreckungsfähigen Titel dar. Es kann beispielsweise ein Anspruch auf
  • Herausgabe
einer Sache bestehen. So kann eine Bank, die eine Sicherheit für ein ausgereichtes Darlehen in Form eines sicherungsübereigneten Warenlagers erhalten hat, einen Herausgabetitel erwirken, wenn der Schuldner das Warenlager nicht freiwillig an die Bank übergibt.
Ein Schuldner kann auch zur
  • Vornahme einer Handlung
oder auch zur
  • Duldung oder Unterlassung einer Handlung
verurteilt werden, woraus eine Vollstreckung erfolge kann.
Aufgrund der größeren Praxisrelevanz wird in diesem Merkblatt vorzugsweise die Zwangsvollstreckung aus Leistungstiteln behandelt.

2. Vollstreckung aus Leistungstiteln

Der Gläubiger hat die Möglichkeit, nachdem er einen Titel auf Zahlung erlangt hat, nahezu auf das gesamte Vermögen des Schuldners zurückzugreifen, wie nachstehende Übersicht verdeutlicht:
Arten der Zwangsvollstreckung aus Leistungstiteln:
  • Zwangsvollstreckung wegen Geldforderung in das bewegliche Vermögen
  • Zwangsvollstreckung wegen Geldforderung in Forderung und Rechte
  • Zwangsvollstreckung wegen Geldforderung in das unbewegliche Vermögen

3. Voraussetzung der Zwangsvollstreckung

a) Titel

Zur Zwangsvollstreckung benötigt man einen vollstreckbaren Titel, aus dem ein Zahlungsanspruch hervorgeht. Dies können u. ä. Endurteile, Prozessvergleiche, Kostenfestsetzungsbeschlüsse, Vollstreckungsbescheide, notarielle Urkunden mit Unterwerfungsklausel sein.

b) Zustellung

Der Titel muss vor bzw. mit Beginn der Vollstreckung dem Schuldner zugestellt werden. Der Schuldner soll damit auf die bevorstehende Zwangsvollstreckung aufmerksam gemacht werden. Gleichzeitig erhält er die Gelegenheit, die formelle Richtigkeit des Titels zu überprüfen.
Soweit die Zustellung von Amts wegen, z. B. bei Urteil, durch das Gericht erfolgte, ist keine weitere Zustellung erforderlich.
Bei der Zustellung im Parteibetrieb, z. B. bei notariell vollstreckbaren Urkunden, wird vom Gerichtsvollzieher das Schriftstück dem Schuldner persönlich übergeben oder bei der Post aufgegeben.
Wird die Annahme verweigert, so ist das zu zustellende Schriftstück in der Wohnung oder dem Geschäftsraum zurückzulassen. Die Zustellung gilt als bewirkt. Ist die Ersatzzustellung in der Wohnung oder im Geschäftsraum nicht möglich, so kann das Schriftstück ersatzweise durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt werden. Ist auch diese Ersatzzustellung nicht möglich, so kann die Zustellung durch Niederlegung des Schriftstückes auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichtes bewirkt werden. Über die Zustellung erhält der Zustellungsempfänger eine Nachricht in den Briefkasten. Die Zustellung gilt als bewirkt, unabhängig davon, ob der Empfänger das niedergelegte Schriftstück abholt.
Oftmals gibt es Fälle, wo der Aufenthaltsort einer Person unbekannt ist. In diesen Fällen kann die Zustellung des Schriftstückes durch öffentliche Zustellung mit Aushang einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel erfolgen. Die Zustellung gilt einen Monat nach Aushang als bewirkt.
Soweit alle weiteren Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind, kann die Vollstreckung durch Erteilung des Vollstreckungsauftrages durch den Gläubiger gegenüber dem jeweiligen Vollstreckungsorgan beginnen.

4. Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen

In körperliche Gegenstände kann durch Pfändung und Verwertung vollstreckt werden. Hierfür ist der Gerichtsvollzieher am Wohnort des Schuldners zuständig. Der Gerichtsvollzieher wird auf Antrag, der über die Gerichtsvollzieherverteilerstelle beim Amtsgericht an den örtlich zuständigen Gerichtsvollzieher weitergeleitet wird, tätig. Es kann auch der Gerichtsvollzieher zuständig sein, in dessen Amtsbezirk sich der zu pfändende Gegenstand befindet.
Die Zwangsvollstreckung in Sachen läuft in der Regel wie folgt ab:
Nach Aufforderung gegenüber dem Schuldner zur freiwilligen Leistung führt der Gerichtsvollzieher bei Nichtzahlung eine Taschenpfändung durch und inspiziert die Wohnung. Soweit pfändbare Habe vorhanden ist, nimmt er diese in unmittelbaren Besitz. Unhandliche Sachen pfändet der Gerichtsvollzieher durch Anbringung eines Pfandsiegels.
Bei der Pfändung von Gegenständen ist zu beachten, dass gemäß § 811 ZPO ein Katalog von unpfändbaren Sachen aufgeführt ist. Durch den Pfändungsschutz soll dem Schuldner so viel belassen werden, wie er zu einer bescheidenen Lebensführung benötigt. Dazu gehören Geräte, Bücher, Werkzeuge, persönliche Gegenstände, Andenken, Wäsche, Vorrat, Haushaltsgegenstände, Nahrung u. ä.
Sofern der Schuldner nicht angetroffen wird, hat der Gerichtsvollzieher ein Fragerecht gegenüber dem vom Hausstand des Schuldners gehörenden Personen. Die Angaben dieser Personen sind jedoch freiwillig.
Der Gerichtsvollzieher hat die Befugnis, mit dem Schuldner eine Ratenvereinbarung zu treffen. Die Ratenvereinbarung darf nicht über einen längeren Zeitraum als sechs Monate getroffen werden. Innerhalb dieser Zeit muss die Forderung einschließlich Zinsen und Kosten getilgt sein (§ 806 b ZPO).
Um einen Zahlungstitel erfolgreich bedienen zu können, müssen die Pfandgegenstände in Geld „umgewandelt“ werden. Dies erfolgt durch die Zwangsversteigerung der Gegenstände durch den Gerichtsvollzieher. Auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners kann der Gerichtsvollzieher die gepfändete Sache anderweitig, z. B. durch Verkauf, Übertragung des Eigentums auf den Gläubiger gegen Wertersatz oder an einen anderen Ort, verwerten.
Des weiteren kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners anordnen, dass die Versteigerung der gepfändeten Sache durch eine andere Person, z. B. durch einen Kunstauktionator, erfolgt.
Soweit Erträge aus der Verwertung erzielt werden, wird die Befriedigung des Gläubigers auf dem Titel vermerkt. Sollte die Forderung vollständig gezahlt sein, übergibt der Gerichtsvollzieher den Titel dem Schuldner.
Der Gerichtsvollzieher hat den aus der Versteigerung erzielten Erlös an den Gläubiger unverzüglich abzuliefern.
Die Verrechnung des Erlöses erfolgt zunächst auf die Vollstreckungskosten, dann die Zinsen und dann erst auf die Hauptforderung. Ein etwaiger Überschuss ist an den Schuldner abzuführen.

5. Zwangsvollstreckung in Forderung und Rechte

a) Allgemeines

Seitens des Schuldners können verschiedenste Forderungen gegenüber Dritten bestehen. Beispielsweise kann er Lohn- und Gehaltsforderungen gegenüber seinem Arbeitgeber, Ansprüche aus Mietvertrag, aus Bausparverträgen oder Ansprüche aus einer Kontoverbindung besitzen. Diese Forderungen können gepfändet werden.
Die Zwangsvollstreckung in Forderung und sonstige Vermögensrechte erfolgt durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergeben sich zwei Stufen der Pfändung:
  1. Pfändung (Sicherstellen)
  2. Überweisen (Verwerten)
Für die Vollstreckung von Forderungen ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, zuständig.
Da dem Gläubiger in der Regel die Forderung nicht bekannt ist und er nicht mit Bestimmtheit sagen kann, ob die Forderung besteht, wird eine angebliche Forderung gepfändet. Ein Nachweis, dass die Forderung tatsächlich besteht, ist nicht erforderlich.

b) Pfändungswirkung

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird durch den Gerichtsvollzieher an den Drittschuldner (Schuldner der Forderung des Titelschuldners) zugestellt. Von dem Zeitpunkt der Beschlagnahme an, ist es dem Drittschuldner verboten, an den Schuldner Zahlung zu leisten. Der Schuldner darf aufgrund der Pfändung nicht mehr über die Forderung verfügen. Mit dem Überweisungsbeschluss wird dem Gläubiger die Forderung zur Einziehung oder an Zahlung statt zum Nennwert überwiesen.

c) Drittschuldnererklärung

Damit der Gläubiger nach der Zustellung vom Drittschuldner die Information erhält, inwieweit seine Pfändung erfolgreich war und welche Voraussetzungen zur Einziehung ggf. erforderlich sind, sieht § 840 ZPO eine Auskunftspflicht vor. Danach muss der Drittschuldner sofort oder innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt der Zustellung die Fragen beantworten,
  • ob und in welcher Höhe die gepfändete Forderung besteht,
  • ob sie fällig, bedingt oder von einer Gegenleistung abhängig ist,
  • ob die Forderung bestritten wird,
  • ob der Drittschuldner vorrangige eigene Forderungen besitzt, mit denen er aufrechnen kann,
  • ob andere Gläubiger gepfändet haben und ggf. in welcher Höhe.
In der Praxis erweist es sich, dass insbesondere Pfändungen von Arbeitseinkommen und von Forderung aus der Bankverbindung Wirksamkeit entfalten. Es ist jedoch zu beachten, dass Teile der Lohnbezüge nicht pfändbar sind. Dies gilt auch für Rentenansprüche.

d) Altersvorsorge

Gemäß § 850 c ZPO dürfen Ansprüche auf Leistungen, die aufgrund von Verträgen gewährt wurden, nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Insbesondere bei Selbständigen ist dadurch ein Pfändungsschutz der Altersvorsorge (Pfändung aus einer Lebensversicherung oder einer privaten Rentenversicherung) nur noch bedingt möglich. Nach dieser Regelung, die seit 2007 Gültigkeit hat, werden Leistungen aus einer Lebensversicherung, die der Altersvorsorge eines Selbständigen dienen, genauso geschützt, wie Renten und Pensionen von abhängig Beschäftigten.
Soweit die Voraussetzungen des § 851 c Abs. 1 ZPO vorliegen, ergibt sich folgender Umfang des Pfändungsschutzes:
Der Pfändungsschutz bezieht sich zum einen auf die Leistungen aus der Lebensversicherung oder privaten Rentenversicherung und zum anderen auf die laufenden Beiträge für die Versicherung.
Die Leistung aus der Versicherung dürfen, ebenso wie die gesetzliche Renten oder Pensionen, nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden.
Für die laufenden Versicherungsbeiträge gelten nach dem Alter gestaffelt Pfändungsfreigrenzen bis zu einer Gesamtsumme von höchstens 256.000 EUR:
  • 18 bis 29-jährige können bis zu 2.000 EUR unpfändbar anlegen,
  • für 30 bis 39-jährige beträgt der Freibetrag 4.000 EUR jährlich,
  • für 40 bis 47-jährige 4.500 EUR jährlich,
  • für 48 bis 53-jährige 6.000 EUR jährlich,
  • für 54 bis 59-jährige 8.000 EUR jährlich,
  • und für 60 bis 65-jährige 9.000 EUR jährlich.

e) Pfändungsschutzkonto für Jedermann

Nach dem Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes besteht in Zukunft gegenüber dem Kreditinstitut ein Anspruch auf Umwandlung eines bereits bestehenden Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto). Damit wird auch ein besserer und effektiverer Pfändungsschutz für sämtliche Einkünfte selbständig tätiger Person geschaffen, da alle Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit wie Arbeitseinkommen und Sozialleistungen behandelt werden. Der nähere Hintergrund besteht darin, dass ein Kontoguthaben in Höhe des Pfändungsfreibetrages nicht mehr von einer Pfändung erfasst werden soll. Aus diesem pfändungsfreien Betrag können Überweisungen, Lastschriften, Barabhebungen, Daueraufträge etc. getätigt werden. Eine vorherige gerichtliche Freigabe ist nicht mehr nötig.
Der Pfändungsfreibetrag kann durch Vorlage entsprechender Bescheinigungen beim Kreditinstitut erhöht werden. Soweit wegen Krankheit ein erhöhter Geldbedarf besteht, kann der Basispfändungsschutz mittels einer gerichtlichen Entscheidung erhöht werden. Die Möglichkeit der Einrichtung eines P-Kontos wird wegen einer Umsetzungsfrist von 12 Monaten Mitte 2010 möglich sein.

f) Vorpfändung - vorläufiges Zahlungsverbot

Ein Gläubiger kann sich bereits vor der Pfändung, die aufgrund des Verfahrensablaufes mehrere Tage dauern kann, den Anspruch durch eine Vorpfändung sichern. Das vorläufige Zahlungsverbot ist die Nachricht an den Drittschuldner, dass die Pfändung des Anspruches bevorsteht, welche in Auftrag des Gläubigers durch den Gerichtsvollzieher zugestellt wird. Damit darf der Drittschuldner nicht mehr an den Schuldner leisten und der Schuldner nicht mehr über den Anspruch verfügen.
Sofern der Pfändungsbeschluss innerhalb von einem Monat seit Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbotes ebenfalls dem Drittschuldner zugestellt wird, wirkt die Pfändung zurück bis zum Zeitpunkt des Zahlungsverbotes.

6. Eidesstattliche Versicherung

Soweit die Pfändung nicht zur vollständigen Befriedigung geführt hat, hat der Schuldner bei Antrag durch den Gläubiger eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Ist der Schuldner nicht im Schuldnerverzeichnis eingetragen, so wird der Gerichtsvollzieher einen Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestimmen und den Schuldner laden.
Der Schuldner hat in dem Vermögensverzeichnis einschließlich der Anlagen seinen gesamten Bestand an aktiven Vermögen aufzuzeichnen. Macht der Schuldner glaubhaft, dass er die Forderung binnen sechs Monaten tilgen werde, so kann der Gerichtsvollzieher den Gerichtstermin bis zu sechs Monaten aussetzen. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wird im Schuldnerverzeichnis eingetragen.
Sofern der Schuldner in dem Termin nicht erscheint oder ohne Grund nicht bereit ist, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, so erlässt das Gericht auf Antrag einen Haftbefehl.
Sofern der Gläubiger dem zuständigen Gerichtsvollzieher glaubhaft macht, dass der Schuldner ein neues Vermögen erworben hat oder die Angaben im Schuldnerverzeichnis nicht mehr zutreffen, kann auf Antrag der Schuldner erneut zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen werden. Sofern seit Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kein neues Vermögen hinzugekommen ist, kann für einen Zeitraum von drei Jahren keine weitere eidesstattliche Versicherung abverlangt werden.

7. Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen

Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen erfolgt durch:
  • Eintragung einer Zwangssicherungshypothek auf dem Grundstück des Schuldners
  • Zwangsversteigerung
  • Zwangsverwaltung
Mit der Zwangssicherungshypothek erlangt der Gläubiger noch keine Befriedigung, sondern erhält lediglich eine Sicherung seiner Forderung. Die Befriedigung erlangt er im Wege der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung.
Mit der Zwangsverwaltung wird dem Eigentümer die Verwaltung und Nutzung des Grundstückes entzogen und die laufenden Erträgnisse (z. B. Mieten) bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung durch den eingesetzten Verwalter vereinnahmt. Diese Einnahmen fliesen nach Abzug der Kosten der Zwangsverwaltung dem Gläubiger zu. Bezüglich der Zwangsversteigerung wird auf das Merkblatt „Die Zwangsversteigerung“ verwiesen.

Stand: November 2020
Dieses Merkblatt soll - als Service Ihrer IHK Limburg - nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.