Familie und Beruf

Pflegezeit und Familienpflegezeit

Um die Vereinbarung von Beruf und familiärer Pflege zu verbessern, wurden vom Gesetzgeber zwei Regelungen geschaffen. Mit dem Pflegezeitgesetz (PflegeZG) will der Gesetzgeber die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, um Beschäftigten die Pflege naher Angehöriger in häuslicher Umgebung zu ermöglichen. Neben der Pflegezeit bis zu sechs Monaten sind auch die kurzzeitige Arbeitsverhinderung bis zu zehn Tage sowie die bis zu dreimonatige Freistellung für die Begleitung schwerstkranker Angehöriger in der letzten Lebensphase geregelt. Ergänzt werden die Regelungen durch das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG), das die Reduzierung der Arbeitszeit um bis zu zwei Jahre als Familienpflegezeit ermöglicht.

1. Freistellungsmöglichkeiten

1.1. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung bei plötzlich auftretender Pflegesituation

Im Rahmen der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung haben Beschäftigte das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Der Beschäftigte muss dem Arbeitgeber unverzüglich die voraussichtliche Dauer der Verhinderung mitteilen und auf Verlangen des Arbeitgebers eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit und die Erforderlichkeit vorlegen. Der Arbeitgeber ist zur Fortzahlung der Vergütung nur verpflichtet, soweit sich eine solche Verpflichtung aus anderen gesetzlichen Vorschriften oder auf Grund einer Vereinbarung ergibt. Der Beschäftigte hat einen Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld (Lohnersatzleistung in Höhe von circa 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts) für bis zu zehn Arbeitstage.

1.2. Pflegezeit

Beschäftigte haben nach dem Pflegezeitgesetz einen Rechtsanspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung von bis zu sechs Monaten, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen. Der Anspruch besteht nur bei Unternehmen mit in der Regel mehr als 15 Beschäftigten. Die Inanspruchnahme der Pflegezeit setzt die Pflegebedürftigkeit (siehe oben) eines nahen Angehörigen voraus. Der Beschäftigte hat die Inanspruchnahme der Pflegezeit gegenüber seinem Arbeitgeber spätestens zehn Tage vor Beginn schriftlich anzukündigen. Hierbei hat der Beschäftigte zu erklären, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang er Pflegezeit beansprucht. Bei nur teilweiser Freistellung muss eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und dem Beschäftigten über die Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit erfolgen. Der Arbeitgeber hat hierbei den Wünschen des Beschäftigten zu entsprechen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.

1.3. Familienpflegezeit

Bei der im Familienpflegezeitgesetz geregelten Familienpflegezeit handelt es sich um einen förderfähigen Anspruch auf teilweise Freistellung, wenn Arbeitnehmer einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen. Die Regelung gilt nicht für Betriebe mit in der Regel 25 oder weniger Beschäftigten. Die Höchstdauer beträgt 24 Monate, die verringerte Arbeitszeit muss wöchentlich mindestens 15 Stunden betragen.
Der Beschäftigte muss seine Absicht dem Arbeitgeber spätestens acht Wochen vor dem gewünschten Beginn schriftlich ankündigen und gleichzeitig erklären, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang innerhalb der Gesamtdauer die Freistellung von der Arbeitsleistung in Anspruch genommen werden soll. Dabei ist auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit anzugeben. Arbeitgeber und Beschäftigte haben über die Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit eine schriftliche Vereinbarung zu treffen. Hierbei hat der Arbeitgeber den Wünschen der Beschäftigten zu entsprechen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.

1.4. Freistellung zur außerhäuslichen Betreuung pflegebedürftiger Kinder

Angehörige pflegebedürftiger minderjähriger Kinder haben einen Anspruch auf die Pflegezeit und die Familienpflegezeit, auch wenn die Betreuung in außerhäuslicher Umgebung erfolgt.

1.5. Freistellung zur Begleitung in der letzten Lebensphase

Beschäftigte können nach dem Pflegezeitgesetz eine vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit bis zu 3 Monaten für die Begleitung schwerstkranker Angehöriger in der letzten Lebensphase verlangen. Eine Pflege in häuslicher Umgebung ist nicht vorausgesetzt. So kann eine Begleitung auch während eines Hospizaufenthalts des nahen Angehörigen erfolgen. Dieser Anspruch besteht nur bei Arbeitgebern mit mehr als 15 Beschäftigten.

2. Begriffsbestimmungen

Beschäftigter

Zu den Beschäftigten im Sinne des Pflegezeitgesetzes zählen nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch zur Berufsbildung Beschäftigte (auch Volontäre, Praktikanten) sowie arbeitnehmerähnliche Personen (arbeitnehmerähnliche Selbständige) und Heimarbeiter, unabhängig von der jeweiligen Beschäftigungsdauer.

Naher Angehöriger

Zu den nahen Angehörigen zählen:
  • Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern
  • Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner
  • Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners (nicht: des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft), Schwiegerkinder und Enkelkinder.

Pflegebedürftigkeit

Pflegebedürftig sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maße Hilfe bedürfen. Es muss mindestens Pflegestufe I (§§ 14, 15 SGB XI) vorliegen, wobei diese noch nicht festgestellt worden sein muss.

3. Kombination und Gesamtdauer der Freistellungsansprüche

Kombiniert der oder die Beschäftigte die Inanspruchnahme von Pflegezeit und Familienpflegezeit, darf die Dauer der Inanspruchnahme eine Gesamtdauer von 24 Monaten je pflegebedürftigem nahen Angehörigen nicht überschreiten. Die bis zu 10-tägige kurzzeitige Arbeitsverhinderung wird auf die 24-monatige Gesamtdauer nicht angerechnet.
Die verschiedenen Freistellungen müssen zeitlich unmittelbar aufeinander folgen. Die einzige Ausnahme von dieser Regel ist die Freistellung zur Begleitung naher Angehöriger in der letzten Lebensphase. Diese Freistellung, bis zu 3 Monate,  kann auch später, zeitlich versetzt in Anspruch genommen werden. 
Der Beschäftigte soll im Fall einer Kombination so früh wie möglich gegenüber dem Arbeitgeber erklären, ob er die Familienpflegezeit beanspruchen wird. Abweichend von § 2a I 1 des FPfZG muss die Ankündigung spätestens drei Monate vor Beginn der Familienpflegezeit erfolgen. Im umgekehrten Fall, dass die Pflegezeit im Anschluss an die Familienpflegezeit beansprucht wird, muss dem Arbeitgeber spätestens acht Wochen vor Beginn der Pflegezeit die Inanspruchnahme schriftlich angekündigt werden.
Zu beachten ist bei einer Kombination der Freistellungen, dass die Ansprüche nach dem Familienpflegezeitgesetz nur bei Arbeitgebern mit mehr als 25 Beschäftigten und die Ansprüche nach dem Pflegezeitgesetz bei Arbeitgebern mit mehr als 15 Beschäftigten bestehen. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung bis zu 10 Tagen kann unabhängig von der Unternehmensgröße in Anspruch genommen werden.

4. Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis

Sonderkündigungsschutz

Von dem Zeitpunkt der Ankündigung, höchstens jedoch zwölf Wochen vor dem angekündigten Beginn, bis zum Ablauf der Pflege- bzw. Familienpflegezeit kann der Arbeitgeber den Beschäftigten grundsätzlich nicht kündigen. Dies gilt auch für die kurzfristige Freistellung. In Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber dennoch kündigen, wenn er vorher die Zustimmung bei der für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörde eingeholt hat. Für den Landkreis Limburg Weilburg ist die Regierungspräsidium Gießen, Abt. II Arbeitsschutz und Inneres, Standort Hadamar zuständig.

Sozialversicherung

Abhängig vom Umfang der Pflegezeit i. S. d. § 3 PflegeZG ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen hinsichtlich der Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Bei vollständiger Reduzierung der Arbeitszeit ist der Arbeitnehmer während der Pflegezeit nicht mehr sozialversicherungspflichtig, d. h. der Arbeitgeber meldet ihn ab. Der Arbeitnehmer ist dann in der Kranken- und Pflegeversicherung entweder über eine Familienversicherung versichert oder er muss sich freiwillig oder aufgrund der allgemeinen Versicherungspflicht versichern. Er kann Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung von der Pflegekasse erhalten. Die Pflegepersonen sind, sofern sie mehr als 14 Stunden pro Woche tätig sind, auch rentenversicherungspflichtig, die Pflegekasse des Pflegebedürftigen zahlt die Beiträge. Pflegende Personen sind auch arbeitslosenversicherungspflichtig, unabhängig von der Anzahl der geleisteten Stunden. Die Beiträge werden von der Pflegekasse übernommen.
Als Arbeitgeber sollten Sie Ihren Beschäftigten vor Inanspruchnahme der Pflegezeit darauf hinweisen, sich (auch bei nur teilweiser Freistellung) bei den Sozialversicherungsträgern zu informieren.

Urlaubsanspruch

Gemäß § 4 Abs. 4 PflegeZG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Beschäftigten für das Urlaubsjahr zusteht, um ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat der vollständigen Freistellung kürzen.

5. Finanzielle Förderung

Für die Dauer der vorbenannten Freistellungen gewährt das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben den die Freistellungen beanspruchenden Beschäftigten auf Antrag ein in monatlichen Raten zu zahlendes zinsloses Darlehen. Die monatlichen Darlehensraten werden in Höhe der Hälfte der Differenz zwischen den pauschalierten monatlichen Nettoentgelten vor und während der Freistellung gewährt. Die Inanspruchnahme eines geringeren Darlehensbetrag ist ebenfalls möglich, wobei die monatliche Darlehensrate mindestens 50 € betragen muss. Eine Rückzahlung des Darlehens soll innerhalb von 48 Monaten nach Beginn der Freistellung erfolgen.

6. Unabdingbarkeit

Von den Vorschriften des Pflegezeitgesetzes bzw. Familienpflegezeitgesetzes darf nicht zuungunsten des Beschäftigten abgewichen werden.

7. Befristete Verträge zur Vertretung

§ 6 Abs. 1 PflegeZG regelt, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einer Vertretungskraft für die Zeit, in der Beschäftigte kurzzeitig an der Arbeitsleistung verhindert sind oder Freistellung in Anspruch nehmen, sachlich gerechtfertigt ist. Die Dauer der Befristung des Arbeitsvertrages muss kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein oder den vorgenannten Zweck zu entnehmen sein. Über die sich grundsätzlich aus dem Pflegezeitgesetz ergebende Höchstdauer hinaus kann die Befristung ausnahmsweise sogar um die für die Einarbeitung notwendige Zeit verlängert werden. Wird die Freistellung vorzeitig beendet, kann der Arbeitgeber den befristeten Arbeitsvertrag unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen kündigen. Das Kündigungsschutzgesetz findet hier keine Anwendung. Diese Regelung gilt für das Familienpflegezeitgesetz entsprechend.

8. Weitere Informationen

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) sowie im Informationsportal des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend “Wege zur Pflege”.
 
Stand: Februar 2019
Dieses Merkblatt soll - als Service Ihrer IHK Limburg - nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.