Beginn, Durchführung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen

Abmahnung

1. Was ist Sinn und Zweck der Abmahnung?

Die Abmahnung dient dazu, arbeitsvertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers (AN) zu rügen. Der Arbeitgeber (AG) bringt dadurch zum Ausdruck, dass er nicht bereit ist, dieses Verhalten zu dulden. Gleichzeitig warnt er damit vor der Folge einer möglichen Kündigung bei weiteren gleichartigen Verstößen.
Der AG ist grundsätzlich verpflichtet, den AN abzumahnen, bevor wegen des Verhaltens der ANs gekündigt werden kann. Die verhaltensbedingte Kündigung darf immer nur das letzte Mittel sein. Vor einer verhaltensbedingten Kündigung kann nur bei besonders schwerwiegenden Verstößen auf eine Abmahnung verzichtet werden.
Solche Verstöße sind z. B.:
• Diebstahl oder Unterschlagung durch den AN zu Lasten des AGs,
• eigenmächtiges Fehlen ("Blaumachen"),
• eigenmächtiger Urlaubsantritt, trotz Hinweis auf die Konsequenzen
• Annahme von Schmiergeldern,
• Tätlichkeiten oder grobe Beleidigungen,
• unsittliches Verhalten oder Tätigkeit für die Konkurrenz.
Diese Verstöße müssen so gewichtig sein, dass der AN in keinem Fall mit der Billigung seines Verhaltens durch den AG rechnen kann. Auch wenn der AN ein Verhalten wiederholt, das bereits mehrfach Gegenstand einer Abmahnung war, ist eine weitere Abmahnung nicht erforderlich.
Das Bundesarbeitsgericht verlangt in ständiger Rechtsprechung vor Aussprache einer verhaltensbedingten Kündigung eine vorherige Abmahnung, wenn es sich um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers handelt. Mit der Abmahnung rügt der Arbeitgeber in einer hinreichend deutlichen Art und Weise ein konkretes Fehlverhalten des Arbeitnehmers (Rügefunktion) und warnt ihn mit der Androhung der Kündigung vor weiteren Verstößen (Warnfunktion). Dem Arbeitnehmer wird dadurch deutlich gemacht, welchen Fehler er begangen hat und dass das Arbeitsverhältnis im Falle eines erneuten Fehlverhaltens beendet wird.
Die Abmahnung ist wegen ihrer Rüge- und Warnfunktion und der einschneidenden Wirkung der Kündigung bei Störungen im so genannten Leistungsbereich (z. B. unentschuldigtes Fehlen, verspätete Krankmeldung, Schlechtleistung, Beleidigung von Kollegen etc.) erforderlich. Der Arbeitnehmer soll in Form einer deutlichen Warnung und Mahnung darauf hingewiesen werden, dass sein Verhalten vertragswidrig ist und so nicht akzeptiert wird.
Achtung: Entscheidet sich der Arbeitgeber – obwohl ein Grund vorliegt, der eine Kündigung rechtfertigen würde – das Fehlverhalten abzumahnen, kann er später auf diesen konkreten Vorfall keine Kündigung mehr stützen. Er verzichtet also durch die Abmahnung auf ein unter Umständen bestehendes Kündigungsrecht.

2. Was muss die Abmahnung enthalten?

Aus Beweisgründen sollte immer schriftlich mit dem nachfolgend genannten Mindestinhalt abgemahnt werden. Eine mündliche Abmahnung sollte entweder unter Zeugen erfolgen oder schriftlich wiederholt werden. Eine Kopie der Abmahnung wird in die Personalakte genommen.
Mindestinhalt der Abmahnung:
  • Möglichst genaue Beschreibung des gerügten Verhalten (Ort, Zeit Datum).
  • Es muss darauf hingewiesen werden, dass das beanstandete Verhalten einen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten des ANs darstellt und der AN muss aufgefordert werden, dieses Verhalten zukünftig zu unterlassen.
  • Schließlich muss dem AN angedroht werden, dass er bei einer Wiederholung dieses Verhaltens mit der Kündigung rechnen muss.Die Abmahnung muss in engem zeitlichem Zusammenhang zu dem abzumahnenden Verhalten erfolgen, da der AG ansonsten das Recht auf die Abmahnung verwirkt. Auch kann nach einer Abmahnung nicht mehr gekündigt werden, wenn sich der AN hinterher über einen so langen Zeitraum vertragsgerecht verhalten hat, dass die Abmahnung bedeutungslos geworden ist. Wird wegen eines Verhaltens abgemahnt, welches keinen Verstoß gegen den Arbeitsvertrag darstellt, kann der AN verlangen, dass die Abmahnung zurückgenommen und aus der Personalakte entfernt wird. Eine Kündigung ist natürlich auch dann nicht möglich, wenn ein zu Unrecht abgemahntes Verhalten wiederholt wird.Mehrere Abmahnungen zur gleichen Zeit?Soll nicht nur ein Fehlverhalten des ANs abgemahnt werden, sollten Sie für jede einzelne Verfehlung unbedingt eine separate Abmahnung entwerfen! Ist nämlich in einer Abmahnung, die mehrere Fehlverhalten des ANs zugleich aufführt, eines nicht oder nicht in der Form abmahnbar, kann die gesamte Abmahnung hinfällig sein. Wer ist zur Abmahnung befugt?Berechtigt ist jeder Mitarbeiter, der befugt ist, dem AN verbindliche Anweisungen bezüglich des Ortes, der Zeit sowie der Art und Weise der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu erteilen. Das muss also nicht unbedingt der Dienstvorgesetzte sondern kann auch der unmittelbare Fachvorgesetzte oder der vom AG beauftragte Rechtsanwalt sein.
Die Abmahnung muss genau formuliert sein und folgende wesentliche Bestandteile enthalten:
Konkrete Feststellung und Beschreibung des beanstandeten Verhaltens unter Angabe von Datum, Ort und Zeit
Formulierungsbeispiel: Sie wurden am … um … in … von Ihrem Vorgesetzten … aufgefordert, folgende Arbeiten … (genaue Beschreibung) auszuführen. Mit den Worten „…“ haben Sie sich geweigert, dieser Tätigkeit nachzukommen.
Exakte Rüge der begangenen Pflichtverletzung
Formulierungsbeispiel: Damit haben Sie die Ausführung einer Ihnen obliegenden Arbeit verweigert und dadurch gegen Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen.
Aufforderung, das vertragswidrige Verhalten einzustellen sowie eindeutige Ankündigung arbeitsrechtlicher Konsequenzen für den Wiederholungsfall
Formulierungsbeispiel: Wir fordern Sie dringend auf, in Zukunft Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu erfüllen, anderenfalls behalten wir uns vor, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.

3. Wie kann ich abmahnen?

Grundsätzlich ist für die Wirksamkeit einer Abmahnung keine Form vorgeschrieben. Obwohl die Abmahnung also grundsätzlich nicht schriftlich erfolgen muss, ist Schriftform dringend zu empfehlen: Häufig ist in einem eventuellen späteren arbeitsgerichtlichen Prozess der Ausspruch einer mündlichen Abmahnung nicht mehr beweisbar. (Bitte beachten Sie, dass unter Umständen einzelvertraglich oder in einem Tarifvertrag die Schriftform vorgeschrieben sein kann).
Aus diesem Grund ist es auch empfehlenswert, sich die Kenntnisnahme des Arbeitnehmers quittieren zu lassen. Ist die Situation so angespannt, dass sich der Arbeitnehmer weigert, den Empfang zu bestätigen, ist auch die Übergabe bei Anwesenheit eines Zeugen möglich.

4. Gibt es eine Frist für die Abmahnung?

Zwar gibt es keine gesetzliche Ausschlussfrist für den rechtswirksamen Zugang einer Abmahnung. Trotzdem sollten Sie als Arbeitgeber schon aus Gründen der Wirkung möglichst schnell nach dem Fehlverhalten abmahnen. In der Praxis wird häufig ein Zeitraum von nicht mehr als zwei Wochen gewählt. Zudem wird in der Rechtsprechung gefordert, dass der Arbeitnehmer die Abmahnung auch inhaltlich zur Kenntnis nehmen muss. Dies kann insbesondere bei ausländischen Arbeitnehmern zum Problem werden, wenn keine hinreichenden Deutschkenntnisse vorhanden sind. In solchen Fällen ist eine Übersetzung der Abmahnung erforderlich.

5. Wer darf abmahnen?

Abmahnungsberechtigt ist jeder Mitarbeiter, der befugt ist, dem Arbeitnehmer verbindliche Anweisungen zu erteilen. Dies kann neben dem Dienstvorgesetzten auch der unmittelbare Fachvorgesetzte oder auch der vom Arbeitgeber beauftragte Rechtsanwalt sein.

6. Wann ist eine Abmahnung entbehrlich?

Eine Abmahnung ist grundsätzlich entbehrlich, wenn
  • sie unmittelbar den Vertrauensbereich betrifft (z. B. Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Tätlichkeiten gegenüber dem Arbeitgeber, grobe Beleidigungen von Vorgesetzten oder Arbeitgeber, Verrat von Betriebsgeheimnissen, Annahme von Schmiergeldern, Androhung einer künftigen Erkrankung). Ausnahmsweise ist jedoch bei Verstößen im Vertrauensbereich eine Abmahnung erforderlich, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann oder der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen, z. B. weil es vom Arbeitgeber geduldet wurde (z. B. Dulden unerlaubter privater Telefonate vom Diensttelefon, die der Arbeitnehmer nicht bezahlt; sog. Bagatellverstöße, beispielsweise ständiger herabsetzender Umgang mit Mitarbeitern),
  • erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgemäß zu verhalten,
  • wenn der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens kannte und trotzdem hartnäckig und uneinsichtig seine Pflichtverletzung fortsetzt (z. B. ständige Verstöße gegen die Arbeitsverpflichtung; hartnäckige Weigerung Anordnungen des Arbeitgebers zu folgen),
  • wenn der Arbeitnehmer auf keinen Fall mit der Billigung seines Verhaltens rechnen konnte (z. B. eigenmächtiger Urlaubsantritt trotz Hinweis des Arbeitgebers auf arbeitsrechtliche Konsequenzen),
  • in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung, wenn es sich um eine fristgemäße Kündigung handelt,
  • in Betrieben, in denen regelmäßig maximal zehn (bzw. fünf bei Arbeitnehmern, die schon vor 2004 im Betrieb waren) oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind (ohne Auszubildende und Umschüler), wenn es sich um eine fristgerechte Kündigung handelt; im Falle einer außerordentlichen Kündigung ist vor deren Ausspruch eine vergebliche Abmahnung notwendig.
Eine Abmahnung ist nicht erforderlich, wenn aus anderen Gründen (betriebsbedingt oder personenbedingt) gekündigt werden soll, da diese Kündigungsgründe kein schuldhaftes Verhalten des ANs voraussetzen.Personenbedingte Kündigungsgründe liegen vor, wenn der AN objektiv nicht (mehr) in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. In Betracht kommen z. B.:
• eine fehlende Arbeitserlaubnis,
• Arbeitsverhinderung wegen Haft,
• der Verlust der erforderlichen Berufsausübungserlaubnis durch Entzug des Führerscheins,
• unter Umständen auch eine Erkrankung.Betriebsbedingte Gründe sind gegeben, wenn der Weiterbeschäftigung innerbetriebliche oder außerbetriebliche Gründe entgegenstehen, z. B.:
• Rationalisierung,
• Produktionseinschränkungen,
• Betriebs(teil)stilllegung.

7. Wie oft muss ich abmahnen?

Bei leichten Verstößen sollte in der Regel mehrmals abgemahnt werden, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird. Eine Kündigung nach erstmaliger Abmahnung ist nur bei schwereren Verstößen möglich. Dieses ist aber immer vom Einzelfall abhängig. Eine vorherige vergebliche Abmahnung ist - außer in den oben beschriebenen Fällen - nicht nur vor einer außerordentlichen („fristlosen") Kündigung erforderlich, sondern auch, wenn wegen des Verhaltens des ANs ordentlich (fristgerecht) gekündigt werden soll.
Auch wenn die Abmahnung in aller Regel Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung ist, bedeutet dies nicht, dass nach erfolgter Abmahnung sofort gekündigt werden kann. Die Abmahnung hat vielmehr die Wirkung eines "Schusses vor den Bug" (sogenannte Warnfunktion). Erst wenn der AN das abgemahnte Verhalten wiederholt bzw. nicht unterlässt, kann gekündigt werden. Ebenso kann nicht gekündigt werden, wenn der AN sich arbeitsvertragswidrig verhält, nachdem er vorher nur wegen eines anderen Verhaltens abgemahnt wurde. Sollen verschiedene Fehlverhalten des AN abgemahnt werden, empfehlen wir, mehrere Abmahnungen auszusprechen.

8. Welche Rechtsschutzmöglichkeiten hat der Arbeitnehmer?

Der Arbeitnehmer hat ein Recht darauf, dass eine von ihm verfasste Gegendarstellung ebenfalls in die Personalakte aufgenommen wird. Der Arbeitnehmer kann die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen, wenn die Abmahnung rechtswidrig ist.
Das ist dann der Fall, wenn sie:
  • formell nicht ordnungsgemäß zustande kam,
  • unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält,
  • einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers darstellt (z.B. bei Ehrverletzungen, abwertenden Äußerungen) oder
  • unverhältnismäßig ist.

9. Wie lange wirkt eine Abmahnung?

Die Abmahnung kann durch Zeitablauf wirkungslos werden, wenn zwischen ihr und einem erneuten Vertragsverstoß mit gleichwertigem Sachverhalt ein längerer Zeitraum liegt. Wie lange ein solcher Zeitraum bemessen sein muss, ist eine Frage des Einzelfalles. In der Regel ist dies aber - je nach Schwere des Verstoßes - nach ca. ein bis zwei Jahren (bei leichten Verstößen wohl auch nach sechs Monaten) anzunehmen.
 
Stand: März 2019
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