Zoll

Passive Lohnveredelungsverkehre

Die passiven Veredelungsverkehre bilden Fertigungsprozesse ab, bei denen Vorprodukte aus der EU in das Ausland geliefert werden, die be- oder verarbeitet wieder in die Union zurückkehren (dies gilt auch für Montagevorgänge, das Zusammenfügen von Waren und die Anpassung an andere Waren). Die richtige Anwendung passiver Veredelungsverkehre erlaubt erhebliche Kosteneinsparungen bei der Zollabwicklung.
Die passiven Veredelungsverkehre gibt es in zwei Ausprägungen: wirtschaftliche und zollamtlich bewilligte Verkehre.

1. Wirtschaftlicher passiver Veredelungsverkehr

Diese Form des Veredelungsverkehrs bietet sich an, wenn ausschließlich Vormaterial mit präferenziellem Ursprung in der EU zur Be- und Verarbeitung in Länder ausgeführt wird, mit denen die EU Präferenzabkommen geschlossen hat (Übersicht Präferenzabkommen). Die Veredelungsware ist bei der Wiedereinfuhr nach der Veredelung in die EU zollfrei, durch die Anwendung der entsprechenden Verfahrenscodes wird der Warenweg abgebildet. Bei formalen Schwierigkeiten mit den Präferenznachweisen kommt unter Umständen noch eine Zollreduktion bei der Wiedereinfuhr in Betracht.
Folgende Verfahrensschritte müssen eingehalten werden:
  • die Ausfuhr erfolgt mit der Ausfuhranmeldung (die entsprechenden Datenfelder in der Ausfuhranmeldung sind mit den Codes für die vorübergehende Ausfuhr zu kodieren) per elektronischer Meldung in ATLAS-Ausfuhr.
  • Proformarechnung
  • Präferenznachweis EUR.1 (oder Ursprungserklärung auf Handelspapier bei Sendungen unter 6.000 Euro beziehungsweise als „Ermächtigter Ausführer” ohne Wertbegrenzung.
    Alle Papiere ausgestellt vom EU-ansässigen Ausführer.
  • Die Wiedereinfuhr in die EU nach Lohnveredelung erfolgt mit Einfuhranmeldung auf Einheitspapier oder ATLAS-Einfuhr (die entsprechenden Felder in der Einfuhranmeldung sind mit den Codes für die Wiedereinfuhr zu kodieren).
  • Rechnung über Lohnkosten
  • Hilfreich ist eine Kopie der Proformarechnung der ausgeführten Ware
  • Präferenznachweis EUR.1 (oder Ursprungserklärung), ausgestellt vom Veredelungsbetrieb im Drittland

2. Zollamtlich bewilligter passiver Veredelungsverkehr

Dieses Verfahren bietet sich immer dann an, wenn neben Vormaterial mit Präferenzursprung auch solches ohne Präferenzursprung exportiert wird. Der zollamtlich bewilligte passive Veredelungsverkehr muss vor der Ausfuhr vom zuständigen Hauptzollamt genehmigt werden.
Es bestehen zwei Varianten des bewilligten passiven Veredelungsverkehrs:
Variante 1 (nur bei Ländern, mit denen Präferenzabkommen bestehen)
Die Be- oder Verarbeitung im Abkommensland ist ursprungsbegründend entsprechend den zugrundeliegenden Präferenzabkommen. Das bedeutet, dass die Ware bei der Wiedereinfuhr in die EU präferenzberechtigt ist. Dann ist der Ablauf folgender:
  • Die Ausfuhr erfolgt mit der Ausfuhranmeldung (die entsprechenden Felder in der Ausfuhranmeldung sind mit den Codes für die vorübergehende Ausfuhr zu codieren) per elektronischer Meldung in ATLAS-Ausfuhr. Den genauen elektronischen Ablauf und Besonderheiten bei der Erledigung finden Sie unter den Downloads in der Servicespalte neben diesem Text.
  • Proformarechnung
  • Die im Präferenzabkommen zu veredelnde Ware ohne Präferenzursprung der EU wird im Veredelungsland zum Zollsatz fünf Prozent (für Textilwaren zehn Prozent) verzollt (sog. Draw-back-Regelung). Achtung: die Sätze können in einzelnen Abkommen abweichen!
  • Für die Waren mit Präferenzursprung gilt der Präferenznachweis EUR.1 (oder Ursprungserklärung auf Handelspapier bei Sendungen unter 6.000 Euro beziehungsweise als „Ermächtigter Ausführer” ohne Wertbegrenzung).
  • Die Wiedereinfuhr in die EU nach Lohnveredelung in einem Präferenzabkommen erfolgt mit ATLAS-Einfuhr (die entsprechenden Felder in der Einfuhranmeldung sind mit den Codes für die Wiedereinfuhr zu kodieren).
  • Rechnung über Lohnkosten
  • Präferenznachweis EUR.1 (oder Ursprungserklärung), ausgestellt vom Veredelungsbetrieb im Präferenzabkommen, vorausgesetzt, die Vorschriften der Verarbeitungslisten für die jeweilige HS-Nummer wurden im Präferenzabkommen eingehalten und die Verzollung der Ware ohne Präferenzursprung im Präferenzabkommen wurde dem dortigen Zoll nachgewiesen.
  • Die veredelte Ware ist bei der Wiedereinfuhr in die EU zollfrei!
Variante 2 (alle Länder)
  • Die ins Ausland gelieferten Vormaterialien werden dort nicht verzollt (in der Regel Verfahren der aktiven Veredelung).
  • Die Rücklieferung der gefertigten Ware in die EU erfolgt daher ohne Präferenznachweis.
  • Im Rahmen des genehmigten passiven Veredelungsverkehrs wird bei Wiedereinfuhr in die EU der im Ausland geschaffene Mehrwert verzollt, d.h. die veredelte Ware ist bei der Wiedereinfuhr in die EU nicht vollständig zollfrei. Die Wertschöpfung des Auslandes muss verzollt werden, die gelieferten Vorprodukte werden aber nicht mehr erneut verzollt. Seit 1. Mai 2016 ist die früher mögliche Alternative der Differenzverzollung entfallen.
  • Diese Variante der passiven Veredelung kann bei jedem Drittland angewendet werden.
Importe im Rahmen von passiven Veredelungsverkehren unterliegen auch Erleichterungen bei der Einfuhrumsatzsteuer. Die Angaben zum Zollwert müssen immer ab einem Warenwert von 20.000 Euro ausgefüllt werden.
Hinweis
Generell ist es wichtig, die Höhe der Ausbeute (das heißt beispielsweise wie viele Kleidungsstücke je Quadratmeter Stoff zu gewinnen sind) mit seinem Veredelungspartner im voraus festzulegen, um Streit zu vermeiden. Sollte darüber keine Einigung erzielt werden können, kann es insbesondere bei präferenzbegünstigten Waren eine Überlegung wert sein, auf die Vorteile der Veredelungsverkehre zu verzichten und stattdessen zwei Kaufgeschäfte (über die gelieferten Vorprodukte und die bezogenen Endprodukte) abzuschließen.

3. Aktiver Veredelungsverkehr im Ausland

Normalerweise steht dem passiven Veredelungsverkehr ein aktiver Veredelungsverkehr im Fertigungsland gegenüber. Auch hierbei unterscheidet man wirtschaftliche und bewilligte aktive Veredelungsverkehre. Die Struktur entspricht spiegelbildlich dem passiven Veredelungsverkehr: Ware kommt ins Land, wird be- oder verarbeitet und verlässt das Land wieder. Eventuell im Land bleibende Vor- oder Fertigprodukte beziehungsweise Produktionsabfälle müssen verzollt werden. Die Wiederausfuhr muss nachgewiesen werden. Um die Einrichtung der aktiven Veredelung muss sich der ausländische Veredelungspartner kümmern, da sich dieses Verfahren in einem anderen Zollgebiet abspielt.

4. Fiktives Berechnungsbeispiel

Fall: Bewilligte passive Veredelung zur Herstellung von Jacken
(KN-Code 62043290, Zollsatz 12,0 Prozent)
  • Waren der vorübergehenden Ausfuhr (beigestellte Waren):
    Gewebe aus Baumwolle, KN-Code 52081190, Wert: 10.000 Euro, Zollsatz 8,0 Prozent
    Druckknöpfe, KN-Code 96061000, Wert: 2.000 Euro, Zollsatz 3,7 Prozent
  • Veredelungskosten (Material- und Lohnkosten): 8.000 Euro
  • (Rück-)Transportkosten vom Veredelungsort im Ausland bis zum Unternehmen in Deutschland: 1.000 Euro
Abgaben bei beantragter Mehrwertverzollung
Zollwert der Veredelungskosten:
Veredelungskosten in der Ukraine: 8.000 Euro
+ (Rück-)Transportkosten bis
zum Ort des Verbringens
1.000 Euro
Zollwert Veredelungskosten: 9.000 Euro
Abgabenberechnung:
Zollwert der Veredelungskosten x Zollsatz des Veredelungserzeugnisses
9.000 Euro x 12,0 Prozent = 1.080 Euro Zoll
Nebenbemerkung:
Um Missbrauch auszuschließen, müssen drittländische Vormaterialien, die
- in der EU zollfrei sind und
- hier ausschließlich deswegen eingeführt worden sind, um die Verzollung mit dem Zollsatz des Veredelungserzeugnisses zu verhindern, doch mit verzollt werden. Dies dürfte aber ohne große praktische Auswirkungen sein, da es in der Regel logistische Gründe für die Verzollung in der EU gibt. Wenn die Einfuhr durch ein anderes Unternehmen erfolgt ist, kann die Verzollung gänzlich ausgeschlossen werden.

5. Varianten und Fallgestaltungen 

Im Rahmen der passiven Veredelung können zahlreiche Varianten abgebildet werden. Insbesondere Verfahrenserleichterungen (Anschreibeverfahren A7), Teileinfuhren, Ausbesserungen und ähnliches. Die individuell benötigen Varianten und deren zollrechtliche Abbildung sollte mit dem Hauptzollamt besprochen werden.