TTIP - Zurück zur Sachlichkeit

Interview mit Dr. Eric Schweitzer, DIHK-Präsident, und Stefan Körzell, Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes
Mehr Wohlstand durch freien Handel. Das soll mit dem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA erreicht werden. Neben Befürwortern aus der Wirtschaft gibt es Kritiker, die eine Aufweichung der Arbeitnehmerrechte ebenso befürchten, wie weniger Verbraucher- und Umweltschutz. Um die Transparenz der Verhandlungen zu erhöhen, hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel jetzt einen Beirat einberufen, in dem auch Dr. Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, und Stefan Körzell, Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes, vertreten sind. Wir haben sie gefragt, worum es bei „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP) genau geht.
Die internationalen Warenströme fließen wie nie zuvor. Passt ein Abkommen wie TTIP noch in die globalisierte Welt?
Eric Schweitzer: Wir sind Exportnation. Unser Absatzmarkt Nummer eins außerhalb Europas ist die USA. Ohne Frage sind Erleichterungen im Warenaustausch richtig und wichtig. Heute haben viele Unternehmen – große und kleine – internationale Kunden und verkaufen ihre Produkte und Dienstleistungen auch außerhalb Deutschlands. Offene Grenzen und gemeinsame Standards sind deshalb für alle Unternehmen wichtig. So werden Arbeitsplätze und Investitionen auch hierzulande unterstützt. Außerdem ist für Europa und die USA eine gute Partnerschaft von zentraler Bedeutung.
Was macht TTIP mit unserer Wirtschaft? Verlieren wir Arbeitsplätze? Sinken die Verbraucherpreise, ändern sich die Arbeitszeiten?
Stefan Körzell: Die wirtschaftlichen Effekte von TTIP sind schwer vorhersehbar und hängen von der Ausgestaltung ab. Für uns ist wichtig, dass TTIP nicht den Wettbewerbsdruck auf Arbeitsbedingungen, Sozialstandards, die öffentliche Daseinsvorsorge oder auch auf kleine und mittlere Unternehmen erhöht. Im Gegenteil: Ein Abkommen müsste die Lebensbedingungen der Menschen verbessern. In diese Richtung müssen die Verhandlungen gelenkt werden, dann können sie zu einer fairen Globalisierung beitragen.
Zwischen Europa und USA gibt es historisch gewachsene Unterschiede. Wollen Sie diese über TTIP abschaffen?
Eric Schweitzer: Nein. Im TTIP möchten wir, dass Standards und Zertifizierungen gegenseitig anerkannt werden, die auf beiden Seiten des Atlantiks einem vergleichbaren Schutzgedanken entsprechen, jedoch bisher anders geprüft werden. Es hat keine Auswirkungen auf die Sicherheit einer Maschine, ob ein Hydraulikkabel 2mm dicker oder dünner oder rot oder blau sein muss - dennoch haben die EU und in den USA fast jeder Staat andere verbindliche Vorschriften hierzu. Wir wollen solch überflüssige Bürokratie abbauen. Mit TTIP will keiner gewachsene Unterschiede abschaffen. Wir behalten auch nach Abschluss des TTIP-Abkommens unsere eigene Identität und können unsere Entscheidungen so treffen, wie wir das für richtig halten.
Knifflige Verhandlungen finden eigentlich immer hinter verschlossenen Türen statt. Was soll die Forderung nach Transparenz? Schwächt mehr Öffentlichkeit nicht unsere Verhandlungsposition?
Stefan Körzell: Wenn man es ernst meint, dass TTIP Menschen in Europa und den USA gleichermaßen nutzt und dass es keine Verlierer geben soll, dann macht die Geheimhaltung keinen Sinn. Über einheitliche technische Standards, wie die Größe von Rückspiegeln kann man doch offen diskutieren. Die Hintertür-Diplomatie hat den Verhandlungen viel mehr geschadet als jede öffentliche Kritik. Dass Transparenz möglich ist, zeigt die öffentliche Konsultation der EU-Kommission, bei der konkrete Textvorschläge zum Investitionsschutz veröffentlicht wurden. Das muss auch bei anderen Themen gehen.
Woher kommen die negativen Stimmen zu TTIP? Welche Interessen verstecken sich dahinter?
Stefan Körzell: Verstecken ist das falsche Wort. Die Kritik kommt von NGOs, Gewerkschaften und Unternehmen, die klar sagen, dass sie um die hohen Schutzstandards in Europa fürchten. Kritische Stimmen zu Handels- und Investitionsschutzabkommen gab es auch schon immer. Jetzt finden diese Stimmen eben Gehör in der Öffentlichkeit. Das ist grundsätzlich zu begrüßen und zeigt schon erste Auswirkungen: Immer mehr Verantwortliche machen sich Gedanken, wie Handels- und Investitionsschutzregeln im Sinne der Mehrheit der Menschen verändert werden können.
Wird mit TTIP der Export für den Mittelstand einfacher?
Eric Schweitzer: Ja, das ist das Ziel. Doppelte Zertifizierungen, komplexe Verfahren zur Zollabwicklung, aufwändige Informationsbeschaffung zu den regulatorischen Anforderungen für den Export – all dies trifft den Mittelstand. Daher soll TTIP nicht nur neue Märkte öffnen, sondern auch ganz konkret das Tagesgeschäft der Exporteure vereinfachen.
Was wollen Sie im Beirat erreichen? Und wird TTIP kommen?
Eric Schweitzer: Zurück zur Sachlichkeit - weg von Schreckensszenarien. Mein Ziel ist, dass mit TTIP echte Erleichterungen insbesondere für den Mittelstand erreicht werden. Zu Ihrer zweiten Frage: Ganz klar: Wir brauchen TTIP und ich hoffe sehr, dass wir es hinbekommen.
Stefan Körzell: TTIP wird nur dann auf Akzeptanz stoßen, wenn bei den Verhandlungen grundsätzlich umgesteuert wird. Statt auf Geheimhaltung, Deregulierung und Liberalisierung zu setzen, brauchen wir eine transparente Handelspolitik zu Gunsten aller. Das machen wir im Beirat deutlich.