Bildung fit machen für Wirtschaft 4.0

Bildung fit machen für Wirtschaft 4.0

von Nadine Schön MdB und Stellvertretende Fraktionsvorsitzende

Digitalisierung und neue Technologien verwandeln die Arbeitswelt und stellen un-sere Unternehmen vor neue Herausforderungen. Mit "Industrie 4.0" und "Smart Services" verändern sich Industrie, Handwerk und Dienstleistungen hin zu mehr Vernetzung und Interaktion. IT ist dabei der Innovationstreiber. Damit Wirtschaft 4.0 gelingt, ist es an der Zeit, dass unser Bildungssystem mit den digitalen Entwick-lungen Schritt hält.
Wir haben innovative und mutige Köpfe in der Wirtschaft
Ich bin überzeugt: Deutschland hat gute Chancen, den digitalen Wandel erfolgreich zu meistern. Wir haben innovative und mutige Köpfe an der Spitze unserer mittelständisch geprägten Wirtschaft und leistungsbereite Beschäftigte. Wir haben eine vitale Startup-Szene - Berlin gilt als neuer europa- und weltweit anerkannten Hub. Wir verfügen über exzellente Hochschulen und unser duales Ausbildungssystem ist ein Garant für Qualität und Praxisnähe. Soweit die Haben-Seite.
Auf der Soll-Seite stellen wir fest, dass die genannten Akteure noch weitestgehend unabhängig voneinander agieren. Die klassische Industrie interessiert sich nur mäßig für die Startup`s. Informatiker und Geisteswissenschaftler arbeiten selten fachübergreifend. Was wir brauchen, ist eine stärkere Verzahnung zwischen den Fachgebieten, zwischen den Unternehmen, Berufsschulen und Experten.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass, so belegen Umfragen, in vielen Unternehmen noch keine ausreichende Sensibilität für Themen besteht, welche für die digitale Entwicklung maßgeblich sind – von der Sicherheit der eigenen Systeme über Datenschutz bis zur digitalen Weiterbildung der Belegschaft. So stellte das IHK-Unternehmensbarometer zur Digitalisierung zu Beginn dieses Jahres fest, dass nur 27 Prozent der befragten Betriebe den Stand der Digitalisierung in ihren Unternehmen für „voll“ oder „nahezu voll“ entwickelt einschätzen.
Bei digitalen Kernkompetenzen liegen wir international nur im Mittelfeld
Auch im Bildungs- und Ausbildungssystem sind wir noch nicht ausreichend auf die Bedürfnisse der kommenden Jahre vorbereitet. Die internationale ICILS-Studie (International Computer and Information Literacy Study) stellte fest, dass deutsche Schüler und Lehrkräfte nur über mittelmäßige digitale Kernkompetenzen verfügen. Was die Ausstattung der Schulen betrifft, so liegen wir im internationalen Durchschnitt. Das kann und darf uns nicht zufrieden stellen! Damit Wirtschaft 4.0. gelingt, muss unser Bildungssystem schleunigst im digitalen Zeitalter ankommen. Digitales Lernen muss zum zentralen Thema für Regelschulen, Berufsschulen und in der Weiterbildung werden.
Dabei geht es bei weitem nicht allein um Anwenderkenntnisse. Die meisten jungen Menschen können mit dem PC oder Smartphone umgehen, verstehen aber nicht, was dahinter passiert. Deshalb sollten alle Schülerinnen und Schüler in ihrer Grundbildung eine Programmiersprache ebenso erlernen wie Fremdsprachen. Denn nur wenn ich verstehe, was ein Algorithmus ist oder wie Pishing funktioniert, kann ich gefahrenbewusst und souverän mit IT umgehen. Leider mangelt es in vielen deutschen Schulen noch an der notwendigen digitalen Infrastruktur, an professionellen Administratoren und häufig auch an Lehrkräften, die Wissen und Spaß an dem Thema Informatik vermitteln können. Eine Lücke, die wir nicht mehr länger akzeptieren dürfen.
Wir brauchen länderübergreifende Standards für die digitale Bildung
Auf politischer Ebene ist es notwendig, länderübergreifende Standards für die digitale Kompetenzvermittlung festzulegen. Als Parlament haben wir dafür die entsprechenden Weichen gestellt. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner haben wir den Antrag „Durch Stärkung der Digitalen Bildung Medienkompetenz fördern und digitale Spaltung überwinden“ in den Bundestag eingebracht. Der Bund unterstützt den Ausbau von digitaler Bildung, zugleich müssen die Länder jetzt ihrer Verantwortung für die Bildungspolitik nachkommen.
Das gilt auch für die Ausbildung in Berufsschulen und Universitäten. Dabei geht es nicht nur um die technischen oder medial geprägten Berufe, sondern um eine breite Auslegung. Die klassische Trennung in technische und nicht-technische Berufe ist nicht mehr zeitgemäß. Es ist davon auszugehen, dass die Digitalisierung mittel- bis langfristig fast alle Berufsbilder verändern wird. Dafür müssen wir die jungen Menschen in Schule, Lehre und Studium vorbereiten. Deshalb müssen Ausbildungsinhalte flächendeckend auf zukünftige Anforderungen einer digitalisierten Wirtschaft angepasst werden und ganz neue Berufsbilder geschaffen werden. Neue Berufe wie etwa der Produktionstechnologe oder die Mechatronikerin befähigen darin, neue Technologien auf komplexe Prozesse anzuwenden.
Lebenslanges Lernen ist der Schlüssel der digitalen Gesellschaft
Darüber hinaus müssen wir die Weiterbildungsangebote für die Arbeitskräfte von heute stärken. Lebenslanges Lernen ist der Schlüssel der Informations- und Wissensgesell-schaft. In einer globalisierten und vernetzten Arbeitswelt sind IT- und Medienkenntnisse unabdingbar. Unterschiedliche Studien zeigen aber, dass in vielen Unternehmen noch Hemmnisse existieren, weil notwendiges Fachwissen fehlt. Laut Untersuchungen des Digitalverbandes Bitkom schulen zwar 82 Prozent der deutschen Unternehmen bereits ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umgang mit digitalen Technologien, jedoch sind die Kompetenzen oft nur auf kurzfristige Anforderungen ausgerichtet. Ein Drittel der Un-ternehmen hat keine digitale Strategie. Es fehlen vor allem Fachkräfte, die Medienkompetenz mit in den Beruf bringen.
Es ist eine gemeinsame Aufgabe von Politik, Unternehmen, (Berufs-) Schulen und Kammern im deutschen (Aus-) Bildungssystem die Voraussetzungen für Wirtschaft 4.0 zu schaffen,. Digitalisierung ist eine Chance für unsere Wirtschaft und Gesellschaft. Wir müssen dafür sorgen, dass wir den Anschluss an die digitale Zukunft schaffen. Damit Deutschland auch weiter das Land der Ideen und Innovationen bleibt und eine leistungsfähige, breit aufgestellten Wirtschaft gute Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen kann.