Konjunktur

Wirtschaftsbericht Frühsommer 2023

Gesamtlage der regionalen Wirtschaft gut - Erwartungen für die kommenden Monate gehen mehrheitlich zurück
Die regionale Wirtschaft kann sich den globalen Herausforderungen infolge Ukrainekrieg, hoher Inflation und weltweiter Nachfragezurückhaltung nicht entziehen. Der von der IHK errechnete Index für das Konjunkturklima in der Region ist gegenüber der Befragung zu Jahresbeginn von 116 auf 109 Punkte gefallen und liegt damit wieder unter Landesniveau. „In einem widrigen Umfeld schlagen sich die regionalen Unternehmen aber gut“, so Dr. Alexander Graf, zuständig für die Konjunkturumfrage der IHK Hochrhein-Bodensee. „Die Erwartungen für die kommenden Monate bleiben dennoch weiter verhalten.“ Inlandsnachfrage und Arbeitskosten treten als Risiken stärker in den Fokus. Unabhängig davon ist der Bedarf an Fachkräften aber das meistgenannte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen.

Geschäftslage

Die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage durch die Unternehmen ist im Vergleich zum Jahreswechsel gesunken. Der Lageindikator liegt mit 124 Punkten unter dem Landesniveau von 130 Punkten. Insgesamt beurteilen 32 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Betriebe ihre momentane Geschäftslage als gut, acht Prozent als schlecht. Der weitaus größte Teil der Unternehmen, 61 Prozent, kennzeichnet die Lage aktuell als befriedigend. Ähnlich sieht es bei der Ertragslage aus. 62 Prozent der Unternehmen sind damit zufrieden, ein Viertel der befragten Unternehmen bezeichnet die derzeitige Lage als gut. Von einer schlechten Ertragslage sprechen dagegen rund 14 Prozent der Befragten.

Industrie mit nachlassender Dynamik

Der Indexwert für die Geschäftslage der Industrieunternehmen in der Region Hochrhein-Bodensee ist im Frühjahr deutlich zurückgegangen. Der Anteil der Unternehmen, die die Geschäftslage als „gut“ einschätzen, ist gegenüber Jahresbeginn von 46 auf 36 Prozent gesunken. Bei rund der Hälfte der Betriebe ist die Lage befriedigend, bei zwölf Prozent ist die aktuelle Geschäftslage schlecht. Dennoch ist der Auslastungsgrad der Kapazitäten in der Industrie im langjährigen Vergleich gut und liegt mit aktuell rund 87 Prozent auf Vorjahresniveau. Deutlich verschlechtert zeigt sich die Tendenz im Auftragseingang aus dem In- und Ausland. Die Zahl derer, die einen fallenden Auftragseingang zu verzeichnen haben, steigt deutlich von 21 auf 35 Prozent. Insgesamt berichten somit wieder mehr Produktionsbetriebe von einer fallenden Tendenz im Auftragseingang (35 Prozent) als von einer steigenden Tendenz (20 Prozent).

Regionaler Handel ohne Impulse

Eingetrübt hat sich die Geschäftslage im regionalen Handel. Waren es zu Jahresbeginn noch 35 Prozent der Händler, die von guten Geschäften sprachen, so sind dies aktuell nur noch 13 Prozent. Gleichzeitig zeigt sich der Anteil der Betriebe, die sich in einer schlechten Geschäftslage befinden, bei rund neun Prozent unverändert. Dabei berichtet rund ein Drittel der Betriebe von gegenüber dem Vorjahresquartal gestiegenen Umsätzen. Etwas verbessert hat sich die Einschätzung der Ertragslage bei den befragten Händlern. Diese wird von 70 Prozent als befriedigend und von 13 Prozent mit gut angegeben. Der private Konsum ist aufgrund der hartnäckigen Inflation aber deutlich ins Stocken geraten. Entsprechend wird das Kaufverhalten der Kunden von 69 Prozent der Befragten aktuell als zurückhaltend und nur von 31 Prozent als saisonüblich eingeschätzt.

Dienstleistungsbereich wieder einheitlicher

Der Lageindex im Dienstleistungsbereich zeigt sich seit Jahresbeginn stabil und liegt aktuell bei 134 Punkten. Dabei hat sich die Zahl der Dienstleister, die von einer schlechten Geschäftslage sprechen, von 18 auf 5 Prozent verringert. Der Anteil derer, die von einer guten Lage sprechen, ist ebenfalls von 55 auf 39 Prozent zurückgegangen. Mit der Lage zufrieden sind aktuell 56 Prozent. Ähnliches gilt für den Umsatz, bei dem nur noch 14 Prozent einen Rückgang und 53 Prozent einen Anstieg gegenüber dem gleichen Vorjahresquartal verzeichnen. In diesen Zahlen dürften sich insbesondere die positiven Post-Pandemie-Nachholeffekte der personenbezogenen Dienstleister bemerkbar machen. Diese Nachholeffekte scheinen aber bereits aufgebraucht zu sein. Denn im Auftragseingang sinkt der Anteil der Dienstleister mit tendenziell steigendem Volumen und beträgt aktuell nur noch rund 14 Prozent, während mehr als ein Viertel von einem fallenden Auftragsvolumen berichtet; bei mehr als jedem zweiten Dienstleister zeichnet sich momentan ein gleichbleibendes Auftragsvolumen ab.

Erwartungen für die kommenden Monate

Die Geschäftserwartungen in der Region Hochrhein-Bodensee haben sich gegenüber Jahresbeginn weiter eingetrübt. Der Saldo (die Differenz zwischen den guten und den schlechten Erwartungen) sinkt von minus 2 auf minus 5 Punkte. Aktuell sehen 63 Prozent der Unternehmen für die kommenden zwölf Monate gleichbleibende Geschäfte voraus, 21 Prozent rechnen mit einem schlechteren Geschäftsverlauf. Die Zahl der optimistischen Einschätzungen sinkt von 23 auf 16 Prozent. Insgesamt sind also weiterhin mehr Unternehmen pessimistisch als optimistisch. Es fehlt ein nachhaltig positiver Schub.
Unter den Produktionsbetrieben sind die Erwartungen in Bezug auf die weitere Geschäftsentwicklung rückläufig. Der Index für die Geschäftserwartungen sinkt von 114 auf 104 Punkte. Der Anteil der Produktionsbetriebe, die von einem gleichbleibenden Geschäftsverlauf ausgehen, bleibt gegenüber dem Jahreswechsel konstant bei 63 Prozent. Die Anzahl der Produktionsbetriebe, die eine Verbesserung der Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten erwarten, sinkt von 25 auf 21 Prozent; gleichzeitig steigt die Anzahl der Betriebe, die mit schlechteren Geschäften rechnen, von 12 auf 16 Prozent. Die Exporterwartungen gehen zurück, dennoch sehen knapp ein Viertel der Industriebetriebe weiter steigende Exporte voraus. Ein weiteres Viertel der Betriebe geht von fallenden oder keinen Exporten in den kommenden Monaten aus.
Deutlich pessimistischer sind die Prognosen unter den Dienstleistungsbetrieben im Kammerbezirk. Hier geht die Zahl der Optimisten von 28 auf 17 Prozent zurück, während diejenigen, die eine Verschlechterung in den kommenden Monaten erwarten, von 24 auf 31 Prozent zunehmen.
Bei den Handelsbetrieben rechnen 81 Prozent mit gleichbleibenden Geschäften. Betriebe mit positiveren oder negativeren Erwartungen bezüglich des weiteren Geschäftsverlaufes halten sich im Handel ungefähr die Waage. Aufgrund der anhaltend hohen Inflation rechnen die Handelsbetriebe nicht mit einer baldigen Besserung des Kaufverhaltens.
Was die Investitionsabsichten im Inland betrifft, bleiben die Unternehmen weiter vorsichtig. Insgesamt liegen die Planungen unter dem langjährigen Mittel. Dabei zeigt sich insbesondere unter den Produktionsbetrieben ein Rückgang bei den geplanten Investitionen. So hat sich gegenüber der letzten Befragung die Zahl der Produktionsbetriebe, die mit abnehmenden Inlandsinvestitionen planen, von 27 auf 41 Prozent erhöht. Neben der Ersatzbeschaffung (74 Prozent) stehen insbesondere Investitionen in Digitalisierung (60 Prozent) sowie Umweltschutz- und Energieeffizienzmaßnahmen (46 Prozent) im Vordergrund. Investitionen in Kapazitätserweiterungen sind dagegen deutlich rückläufig und werden aktuell nur von 14 Prozent der Betriebe geplant.

Risiken der wirtschaftlichen Entwicklung

Die Energiepreise bleiben nach wie vor eines der am häufigsten genannten Geschäftsrisiken (68 Prozent der Unternehmen). Allerdings hat der Druck im Vergleich zum Jahreswechsel nachgelassen. Angesichts der Alterung der Gesellschaft ist der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften eine der wesentlichen strukturellen Herausforderungen für die Unternehmen. Selbst in konjunkturellen Schwächephasen bleibt der Fachkräftemangel hoch. Ungefähr drei von vier Unternehmen in der Region sehen darin aktuell ein Geschäftsrisiko. Das ist ein Höchstwert, der bisher nur im Herbst 2018 getoppt wurde. Die steigende Kerninflationsrate sorgt aktuell dafür, dass sich die Unternehmen sowohl um die Inlandsnachfrage als auch um die Arbeitskosten sorgen. Beide Punkte wurden von mehr als jedem zweiten Unternehmen als Risiko benannt. Deutlich gesunken sind in den letzten Monaten dagegen die Rohstoffpreise, sodass entsprechend nur noch 36 Prozent der Unternehmen darin eine Gefahr sehen.
Da sowohl die Auslands- ebenso wie die Inlandsnachfrage aktuell rückläufig sind, gewinnen die Standortbedingungen für die Betriebe immer stärker an Bedeutung. Entsprechend ist die Politik gefordert, die nationalen und europäischen Rahmenbedingungen so anzupassen, dass die Investitionsquote des privaten und des öffentlichen Sektors in Innovationen und wichtige Infrastrukturen erhöht werden. Beschleunigte Planungsprozesse sowie ein notwendiger breiter Bürokratieabbau könnten hierbei stimulierend wirken.
Mai 2023