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"Ungeheurer Wissensvorsprung"

Interview mit Christian Bücheler, Vorsitzender des Außenwirtschaftsausschusses
Warum gibt es einen Außenwirtschaftsausschuss – welche Bedeutung hat das Thema im IHK-Bezirk?
In Deutschland hängt jeder fünfte Arbeitsplatz am Außenhandel. Export und Import sind eine Jobmaschine. Unsere Region war schon immer, nicht zuletzt auch durch die direkte Nachbarschaft zur Schweiz, Frankreich und über den See hinweg auch mit Österreich, international ausgerichtet. ­Bedingt durch die Grenznähe ist die Bedeutung der Außenwirtschaft in der Bodenseeregion noch größer als im Bundesdurchschnitt. Entsprechend hoch ist die Bedeutung der Außenwirtschaft in der IHK und bei den Unternehmen im Bezirk. Das zeigt sich auch an der hohen Exportquote unserer international orientierten Industrie. Der Landkreis Lörrach zum Beispiel hatte in den letzten Jahren Exportquoten von über 63 Prozent und liegt damit über dem Landesdurchschnitt. Auch Konstanz hat eine konstante Quote von 54 Prozent bei produzierenden Unternehmen. Damit sind auch Dienstleister wie Verzollungsagenturen und Speditionen eingebunden, aber auch Banken als Exportkreditversicherer.
Trotzdem hat unsere Weltkarte noch große weiße Flecken. Es gibt gigantische Märkte, die wir uns noch nicht erschlossen haben. Der Außenwirtschaftsausschuss kann daher eine bedeutende Rolle als Türöffner spielen. Dabei geht es nicht nur um Wachstum, sondern auch um Risikominimierung und Stabilität für die Unternehmen. Den Unternehmen ein Forum für den Austausch zu geben und gleichzeitig eine breite Basis für die Meinungsbildung der Vollversammlung bei allen internationalen Fragen zu haben, ist die Aufgabe des Ausschusses. Dabei werden durchaus auch mal kritische Themen diskutiert, andererseits, und das ist auch wichtig, werden Informationen über Märkte und Fachthemen aus erster Hand ausgetauscht. 
Wer sind die Mitglieder des Ausschusses?
Bei der konstituierenden Sitzung einigten wir uns auf eine Art Geschäftsordnung, damit der Austausch bestmöglich funktioniert. Im Kern steht der Anspruch „von Mitgliedern für Mitglieder“, was bedeutet, dass ein Mitglied bei bestimmten Themen auch seinen Sachverstand einbringt und auch mal dazu vorträgt. Es soll möglichst authentisch und praxisnah sein. Grundsätzlich sind im Ausschuss alles erfahrene Experten, die die Schlüsselbranchen der Region repräsentieren. Wir haben uns auf rund 30 Mitglieder geeinigt, damit eine Aussprache und Diskussion noch innerhalb einer Sitzung möglich ist.
Wie wird man Mitglied?
Die Unternehmenstätigkeit muss fachlich zum Thema international passen. Wenn Interesse besteht, laden wir gerne zu einer Sitzung ein. Erfreulicherweise haben wir immer eine gute Teilnahmepräsenz und großes Interesse an der Mitarbeit. Da wir eine breite Branchenverteilung haben, besteht keine direkte Konkurrenzsituation und es wird offen gesprochen, was für den Erfahrungsaustausch wichtig ist. Ansonsten ist das formale Vorgehen wie bei den anderen Ausschüssen, die personenbezogene, offizielle Ernennung erfolgt durch den Präsidenten.
Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich?
Wir versuchen in jeder Sitzung ein Fach­thema aufzunehmen und eine Region oder ein Land näher zu beleuchten. Dazu laden wir auch Fachleute als Referenten ein, ergänzt durch ausschussinterne Expertise. Wir hatten zum Beispiel schon den Generalkonsul von Äthiopien mit dem Schwerpunkt Afrika zu Gast, den Beauftragten des Ostausschusses oder einen türkischen Wirtschaftsförderer, Kollegen von der französischen Kammer oder von den Auslandshandelskammern in der Ukraine, Polen oder Bulgarien. Die Themen sind vielfältig und oft an der aktuellen Weltwirtschaftslage oder neuen Märkten orientiert. Wir sprechen über den Brexit und die USA nach der Wahl, tauschen aber auch praktische Erfahrungen aus, wie man zum Beispiel eine weltweite Onlineschulung oder Montageunterstützung beim Kunden durchführt, was bei internationalen Verträgen zu beachten ist, warum die Containerpreise nach China steigen oder wie interne Compliancevorschriften umgesetzt werden. 
Wie häufig und wo treffen Sie sich?
Wir treffen uns zweimal im Jahr bei einem der Mitglieder im Unternehmen und zwar immer am Montagnachmittag. Das hat sich bewährt, wie die Präsenzzahlen zeigen. Gleichzeitig bekommt man durch den Besuch einen Einblick in ein Unternehmen und die Produktion.
Was bringt Ihnen die Arbeit im Ausschuss?
Jeder Austausch bringt einen ungeheuren Wissensvorsprung: Was passiert gerade in welchem Land, wie funktioniert es vor Ort, welche Schwierigkeiten, welche Chancen sind zu erwarten? Davon profitieren alle Mitglieder, nicht nur ich als Vorsitzender. Interessant ist auch manchmal die Quervernetzung zwischen den Mitgliedern. Es kam schon vor, dass ein guter Vertriebsmitarbeiter in Singapur, weil das Büro aufgelöst wurde, einen neuen Arbeitgeber bei einem anderen Mitglied fand. Aber auch die politische Meinungsbildung ist wichtig als Basis für die Vollversammlung. So ist es durchaus nicht ungewöhnlich, dass zum Beispiel die Sanktionspolitik gegenüber Russland bezüglich wirtschaftlicher Aspekte heftig diskutiert wird.
Was reizt Sie am Ausschussvorsitz?
Die Wahl zum Ausschussvorsitzenden war eine Ehre für mich. Der Außenwirtschaftsausschuss ist ein Expertengremium, das nicht nur umfassende Erfahrungen in allen Fragen der Außenwirtschaft hat, sondern auch Themen setzen und eine wichtige Botschaft verbreiten kann. Durch den Austausch im Ausschuss erweitert sich der globale Horizont und das Marktverständnis. So zum Beispiel zum Brexit und dessen Folgen, das Exportkontrollrecht, die wirtschaftliche Entwicklung in verschiedenen Märkten, die künftige US-Handelspolitik unter Joe Biden und natürlich Corona. Das alles sind hochspannende Themen. 
Zur Person
Christian Bücheler (60) ist geschäftsführender Gesellschafter der Transco-Gruppe. Der internationale Logistikdienstleister mit Hauptsitz in Singen und einem europaweiten Niederlassungsnetz zählt rund 600 Beschäftigte. Bücheler stieg beim 1970 gegründeten Logistikanbieter Transco in den 1980er-Jahren als Ferienjobber ein. Nach seinem Abschluss als Agraringenieur und einem berufsbegleitenden Logistikstudium übernahm er die Anteile der Gründer Siegfried Wellm und Helmut Bruttel und führt das Unternehmen seit 2005 als geschäftsführender Gesellschafter. Kerngeschäftsfeld des Unternehmens sind seit der Gründung die internationalen Transporte, darüber hinaus ist Transco im Wachstumsfeld Kontraktlogistik aktiv und verfolgt eine Expansionsstrategie vor allem im osteuropäischen Raum. Mit einem hohen Anteil an Bahnverladungen zählt Transco zu den Pionieren in der Grünen Logistik.