Pressemeldung

"Alle erwarten täglich verschärfte Maßnahmen"

Die Impfkampagne stockt, die Inzidenzen steigen und die Intensivstationen füllen sich wieder. Bund und Länder verschärfen deswegen die Corona-Maßnahmen, um die vierte Welle zu brechen. Wir haben mit Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee gesprochen und gefragt, wie die IHK die Maßnahmen bewertet?
Angesichts der Entwicklung der pandemischen Lage war eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen nicht nur abzusehen, sondern auch geboten. Wir schließen nicht aus, dass diese Maßnahmen und Einschränkungen abermals ausgeweitet werden, zu besorgniserregend ist das aktuelle Pandemiegeschehen und die sich abzeichnende Überlastung unseres Gesundheitssystems. Ein weiterer Lockdown wird bereits nicht mehr kategorisch ausgeschlossen. 
Auf Seiten der Unternehmen treffen wir weit weniger auf Kritik an diesen aktuellen oder noch bevorstehenden Maßnahmen als vielmehr daran, dass die Entwicklung der Pandemie auf Landes- und Bundesebene so lange ignoriert wurde. Viele hätten sich ein früheres und entschiedeneres Gegensteuern gewünscht, namentlich im Hinblick auf die defizitäre Impfquote und die dringend notwendige dritte Impfung. Mangelndes Verständnis gibt es auch weniger für die jetzt praktizierte Schadenbegrenzung und den Versuch, die vierte Welle zu brechen, als vielmehr für die folgenschwere Rücksichtnahme auf die nicht Immunisierten zulasten der Allgemeinheit und zulasten der Unternehmen, die auf Publikumsverkehr angewiesen sind. Diese einseitige Rücksichtnahme zulasten Geimpfter und Genesener wird zunehmend als unausgewogen empfunden. Damit korrespondiert eine wachsende Akzeptanz gegenüber einer allgemeinen Impfpflicht.
Schließlich leiden die Unternehmen unter der Regelungsdichte, der Regelungskomplexität und ihrer hohen Änderungsrate. Alle drei Faktoren führen bei den Kunden zu einer diffusen Verunsicherung, diese zu Kaufzurückhaltung in den Innenstädten und einer weiteren Stärkung des Onlinehandels.  Klar muss deshalb sein, dass Unternehmerinnen und Unternehmer, die durch die geltenden Corona-Vorschriften ihren Geschäftsbetrieb nicht oder nicht mehr uneingeschränkt aufrecht erhalten können, entsprechende Hilfen erhalten. Neben dem Handel und der Gastronomie ist der gesamte Tourismusbereich und die Veranstaltungsbranche schwer betroffen. Auch wenn Insolvenzen in unserem IHK-Bezirk bisher weitestgehend ausgeblieben sind - ob alle Unternehmen einen weiteren Lockdown überstehen würden, ist mehr als ungewiss.
 
Welche Folgen sind für den stationären Handel absehbar, wenn das Weihnachtsgeschäft nicht läuft?
Der Dezember zählt mit dem Weihnachtsgeschäft zu den umsatzstärksten Monaten überhaupt. Bis zu 20 Prozent macht nicht selten der Anteil des Weihnachtsgeschäfts am Gesamtjahresumsatz aus, in einzelnen Branchen wie etwa Uhren und Schmuck liegt der Anteil noch höher. Schon im vergangenen Jahr war es für die Händler nicht möglich, mit einem starken Weihnachtsumsatz die Verluste des laufenden Jahres auszugleichen. Eine Wiederholung dieses Szenarios, erst recht für den Fall eines weiteren Lockdowns, brächte sie in eine prekäre Situation.
Zwar ist die aktuelle Lage für die Händler ein weiteres Mal eine enorme Herausforderung, dennoch gab es im laufenden Jahr einige Erholungsphasen. Die meisten Einzelhändler gehen deshalb noch davon aus, "irgendwie durch den Winter zu kommen". Anders liegt es bei der Gastronomie. Geringe Margen und der Personalmangel in guten Phasen haben eine Erholung in den vergangenen Monaten verhindert.  Hier befürchten wir Insolvenzen - und das mit Auswirkungen auf den Handel. Denn ohne die Gastronomie leidet das Aufenthaltserlebnis in der Innenstadt, ohne Gastronomie geht es dem Einzelhandel nicht gut und umgekehrt.
 
Gibt es bereits Rückmeldungen von Unternehmen im Gebiet der IHK Hochrhein-Bodensee? Wie ist die Stimmung?
Die Stimmung im Einzelhandel ist, wie nicht anders zu erwarten, nicht gut. Oft liegt sie irgendwo zwischen Verzweiflung, Resignation und der Hoffnung, irgendwie durchkommen. Alle erwarten täglich neue Einschränkungen und verschärfte Maßnahmen. Mit jeder neuen Corona-Verordnung verzeichnen die Händler einen Rückgang bei der Kundenfrequenz. Kontrollpflichten fordern das Personal und trüben das Einkaufserlebnis. Bereits jetzt sind die Innenstädte ungewöhnlich leer für die Weihnachtszeit, die wichtige Kundschaft aus der benachbarten Schweiz kommt nicht mehr in gewohnter Stärke. Vor diesem Hintergrund plädieren nicht wenige für einen kurzen, aber harten Lockdown mit der Chance auf eine markante Wirkung. Was dagegen allgemein gefürchtet wird, ist "der Tunnel ohne Licht am Ende", ein endloses Aneinanderreihen von Maßnahmen, die einerseits nicht die erhoffte Wirkung zeitigen, aber andererseits doch zuverlässig Schaden stiften.