Interview

„Uns war von Beginn an klar, dass die Software mitentscheidend ist.“

Technischer Fortschritt, besondere unternehmerische Leistung und nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg – das sind die auschlaggebenden Kriterien für den jährlich verliehenen Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg. 2020 hat die Expertenjury das Industrie-Robotersystem HORST900 von fruitcore robotics aus Konstanz mit dem Sonderpreis der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg (MBG) für besonders innovative junge Unternehmen im Land ausgezeichnet. Wir haben im Interview gefragt, wie die Gründer auf die Idee kamen, HORST zu entwickeln, was andere Jungunternehmen von ihnen lernen können und was ihre Vision für die Zukunft ist.
Wie kamen Sie auf die Idee, den Industrieroboter „HORST“ zu entwickeln? Wie entstand insbesondere die spezifische Problemstellung, den Roboter möglichst einfach, effizient und preiswert zu gestalten?
Wir haben uns im Rahmen eines Roboter-Forschungsprojekts an der HTWG Konstanz mit dem Robotermarkt auseinandergesetzt und haben festgestellt, dass es bisher kaum leistungsfähige und zugleich preisgünstige Roboter gibt. Wir waren damals schon davon überzeugt, dass sich an der kinematischen Struktur von Robotern etwas ändern muss, wenn die Kosten deutlich gesenkt werden sollen. Die Kernidee der Entwicklung lag deshalb in der Kinematik. Uns war aber von Beginn an klar, dass die Software mitentscheidend ist, denn komplexe Programmierung geht mit hohen Kosten einher. Deshalb muss ein Roboter enorm bedienerfreundlich sein, damit er preisgünstig angeboten werden kann.
Sie haben im Mai 2017 die fruitcore GmbH gegründet. Wie kam es dazu, dass Sie sich selbstständig gemacht haben? Welche Bedingungen haben Ihre Innovation begünstigt und welche behindert?
Mit Hilfe des Forschungsreferates der HTWG Konstanz haben wir über ein EXIST-Stipendium des Wirtschaftsministeriums Starthilfe erhalten, um ein Jahr lang intensiv an der Entwicklung zu arbeiten und erste Kontakte zu Investoren zu knüpfen. Das war sehr wertvoll für uns und kann als Startschuss verstanden werden. Begleitet wurden wir dabei von unseren damaligen Professoren. Außerdem hatten wir die Möglichkeit, in unserer Freizeit das Kunststofflabor der Hochschule zu nutzen.
Im Oktober 2016 war der erste Prototyp fertig, für welchen wir sehr viel positives und begeistertes Feedback erhalten haben. So lag es nahe, die Entwicklung weiter voranzutreiben und ein eigenes Unternehmen zu gründen. Als wir im Mai 2017 fruitcore gründeten, waren wir überzeugt: HORST kann Unternehmen – insbesondere auch KMUs – den Einstieg in die Automatisierung erleichtern.
Wobei hätten Sie sich bei der Gründung und den Anfängen Ihres Unternehmens mehr Unterstützung gewünscht?
In Deutschland ist das Mindset noch nicht voll auf Startups ausgerichtet, wie es beispielsweise im Silicon Valley der Fall ist. Das bedeutet vor allem, dass es wenige Investoren gibt, die es gewohnt sind in frühe Phasen von Startups zu investieren. Aus unserer Sicht bedarf es weiterer Maßnahmen, die Investoren und Startups in verschiedenen Entwicklungsstadien zusammenbringen.
Sie sind innerhalb von vier Jahren von zwei Gründern auf 75 Mitarbeiter*innen angewachsen. Wie finden Sie in Zeiten des Fachkräftemangels neue Mitarbeiter*innen?
fruitcore robotics profitiert sehr stark von der Nähe zur Universität Konstanz und zur Fachhochschule (HTWG Konstanz). Die Hochschulen bieten uns die Möglichkeit, hervorragende Talente zu bekommen.
Wir gratulieren noch einmal zum Sonderpreis der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg (MBG) für besonders innovative junge Unternehmen im Land, den Sie für Ihr Industrie-Robotersystem HORST900 erhalten haben. Was können andere Jungunternehmen von Ihnen lernen?
Vielen Dank. Der Sonderpreis der MBG ist natürlich ein toller Beleg dafür, dass unserer Robotersystem technischen Fortschritt, besondere unternehmerische Leistung und nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg vereint. Die Auszeichnung zeigt zudem, dass es sich lohnt, die Gründungsidee direkt umzusetzen und sie dann stetig weiterzuentwickeln und zu verfeinern. Um ein Unternehmen voranzutreiben braucht es vor allem Durchhaltevermögen sowie Freude und Motivation für die Vision, die man umsetzen will. Man sollte an seine Idee glauben!
Was ist Ihre Vision für die Zukunft und wie kann die Industrie- und Handelskammer Sie darin unterstützen, dort hinzukommen?
Unsere Vision ist eine flächendeckende Prozessautomatisierung, unabhängig von Branche und der Unternehmensgröße. Die Voraussetzungen dafür haben wir mit unserem Robotersystem geschaffen.
Wir sind davon überzeugt, dass wir weiterhin schnell wachsen und mit unserer herausragenden Technologie zu einem international agierenden Unternehmen werden. Dafür ist die stetige Erweiterung unseres Partnernetzwerks notwendig. Die Industrie- und Handelskammer kann bei der Kooperationssuche im In- und Ausland mit ihrem Know-how maßgeblich unterstützen.

Interview: Luisa Döderlein