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"Die duale Ausbildung macht 2020 keine Pause"

Wie geht es der Ausbildung im IHK-Bezirk Hochrhein-Bodensee? Werden die Unternehmen trotz wirtschaftlichen Sorgen durch die Corona-Pandemie ihre Azubis halten? Was bedeutet weniger Ausbildungsengagement in Zukunft für die Wirtschaft? Bei der Sommer-Vollversammlung der IHK Hochrhein-Bodensee in Singen ging es genau um diese Fragen. „Bisher haben nur wenige Auszubildende corona-bedingt ihren Ausbildungsplatz verloren. Das sind gute Nachrichten. Auch eine erhöhte Anzahl von aufgelösten Ausbildungsverhältnissen können wir aktuell nicht feststellen“, sagt Thomas Conrady, Präsident der IHK Hochrhein-Bodensee. „Im Landkreis Konstanz wurden seit Anfang März aus unterschiedlichen Gründen 58 Ausbildungsverträge aufgelöst, in den Landkreisen Waldshut-Tiengen und Lörrach sind es seit Anfang März gerade einmal 36 Auflösungen, davon keine in der Gastronomie, und nur insgesamt 29 aus dem Einzelhandel. Das ist absolut im Rahmen. Doch das muss nicht so bleiben. Es besteht die Gefahr, dass eine Reihe von Insolvenzen auf uns zukommt und dass Unternehmen in einem zunehmend schwierigen Marktumfeld ihre Ausbildungstätigkeit - wenn auch vielleicht nur vorübergehend - reduzieren oder einstellen. Vereinzelt mag dies verkraftbar sein, aber wenn alle gleichzeitig die Luft anhalten, fehlen uns ein kompletter Azubi-Jahrgang - und drei Jahre später dann die entsprechenden Fachkräfte. Das darf nicht passieren.“

Zu Gast bei der IHK-Sommersitzung war Jutta Driesch, Vorsitzende Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg. Sie sprach neben der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt auch über die Lage der Ausbildung. „Es ist absolut positiv, dass bisher in unserer Region noch kein Jugendlicher durch Corona den Ausbildungsplatz verloren hat. Nahezu alle Unternehmen haben ihre Azubis behalten. Das ist nicht überall so. Bezüglich der angebotenen Stellen haben sich die Zahlen im Vergleich zu den vergangenen Jahren bei uns kaum geändert. Wir verzeichnen einen Rückgang von 3,5 Prozent, was normale Schwankungen sind. Der Landesschnitt liegt bei acht Prozent. Und wir haben noch immer deutlich mehr Ausbildungsplätze als Bewerber. In diesem Jahr möchten wir die Schulabgänger und jungen Erwachsenen besonders ermutigen: Informiert euch! Die duale Ausbildung macht auch 2020 keine Pause.“ Sorge macht der Agenturchefin das sogenannte Matching - das Zusammenführen von persönlicher Neigung und Stärke des Auszubildenden mit einem adäquaten Ausbildungsplatzangebot in einem Unternehmen. Die gängigen und erprobten Formate dafür wie Berufsbildungsmessen, Job-Days und Schnuppertage in den Unternehmen sind wegen Corona ausgefallen bzw. nicht durchführbar.Damit fehlt ein wesentliches Tool für die erfolgreiche Ausbildungsplatzvermittlung: der persönliche Kontakt. Telephonische Beratungsangebote und Hotlines bieten Ersatz, werden von den Jugendlichen aber nur zögerlich angenommen. Jutta Driesch appelliert an die Jugendlichen, die Zeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Was für die Unternehmen gilt, gilt auch für die Schulabgänger: Wer jetzt aus einer allgemeinen Verunsicherung heraus auf "stand by" geht, verliert ein ganzes Lebensjahr", mahnt auch Alexandra Thoß, bei der IHK verantwortlich für die duale Ausbildung. Sie hofft, dass die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge noch weiter aufholt - bis dato liegt sie noch um fast zwanzig Prozent unter dem Vorjahreswert.    

Die Botschaft von Thoß, Driesch und Conrady ist klar. Sie appellieren an die Unternehmen, sich weiterhin in der dualen Ausbildung zu engagieren, ihre Azubis zu halten und neue Ausbildungsplätze zu schaffen. Gleichzeitig ermutigen sie junge Menschen, eine Ausbildung in Betracht zu ziehen und als wirkliche Alternative zum Studium zu sehen. „Wir sollten jede Möglichkeit nutzen, damit weiter ausgebildet wird. In einigen Jahren werden diese jungen Fachkräfte dringend gebraucht werden“, ist sich Jutta Driesch sicher. Sicher ist jedenfalls, dass Ausbildung, die heute versäumt wird, in drei Jahren nicht mehr nachgeholt werden kann. 
 
Freie Ausbildungsstellen
Es ist noch nicht zu spät, sich auf einen Ausbildungsplatz zu bewerben. In den Landkreisen Konstanz, Lörrach und Waldshut sind noch mehr als 700 Ausbildungsplätze kurzfristig zu besetzen. In der IHK-Lehrstellenbörse können freie Ausbildungsplätze oder Praktika deutschlandweit veröffentlicht werden. Es gibt darüber hinaus eine neue Funktion: Azubis aus Insolvenzbetrieben können gezielt nach neuen Betrieben suchen, bei denen sie ihre Ausbildung fortsetzen können und auch angeben, dass sie Kontaktaufnahme durch die IHK wünschen. www.ihk-lehrstellenboerse.de/