Interview

"Ich musste in Deutschland wieder bei null anfangen"

Hend Alabed kam 2016 mit ihrem Mann aus Syrien nach Deutschland. Heute macht die 29-Jährige eine Einstiegsqualifizierung zur Kauffrau für Büromanagement bei der TH-Unternehmensgruppe. Im Gespräch erzählt sie von ihrer Fluchtgeschichte, von den ersten Schritten in dem für sie fremden Land und von ihrer Motivation, in Deutschland neu zu starten.
Frau Alabed, wie war ihr Start in Deutschland?
Leider nicht so einfach. Ich kam 2016 nach einer zwölftägigen Reise zusammen mit meinem Mann von Syrien über die Türkei und Griechenland nach Deutschland. Dort musste ich ein Jahr auf einen Platz in einem Deutschkurs warten, bevor ich richtig mit der Sprache beginnen konnte. Am Anfang war ich mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, doch mit der Zeit bin ich vorangekommen. Ich habe die Kurse zu den Sprachniveaus B1 und B2 komplett abgeschlossen, bis C1 Niveau.
Wie ging es weiter, wie kamen Sie zu Ihrer Einstiegsqualifizierung?
Ich war lange auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Aber ich habe keine Stelle bekommen – bis ich Herrn Ness getroffen habe (Anmerkung der Redaktion: Sven Ness ist Kümmerer im Projekt Integration junger Flüchtlinge bei der IHK Hochrhein-Bodensee).
Wie haben Sie sich kennengelernt und wie konnte er Ihnen helfen?
Mein Mann hat Herrn Ness bei einer Ausbildungsbörse in Waldshut kennengelernt und einen Termin für mich vereinbart. Bei einem Beratungsgespräch haben wir dann gemeinsam meinen Lebenslauf und die Anschreiben verbessert. Das haben wir an verschiedene Unternehmen geschickt, wodurch ich meinen jetzigen Chef Thomas Hörnlein kennengelernt habe. Ich durfte bei ihm bei der TH-Unternehmensgruppe ein Praktikum machen, damit ich den Beruf richtig kennenlernen kann. Daraufhin habe ich die Chance auf eine Einstiegsqualifikation bekommen. Damit wird der Übergang in die spätere Ausbildung oder Berufstätigkeit erleichtert. Wenn es gut läuft, dann mache ich nächstes Jahr eine Ausbildung bei der TH-Unternehmensgruppe.
Was genau mögen Sie an dem Beruf?
Am liebsten mag ich den Umgang mit den Kunden. Ich mache Kundendienst am Schalter, schreibe Mails und mache seit neustem auch die Telefonzentrale. Außerdem stehe ich mit unseren Ansprechpartnern von verschiedenen Versicherungen in Kontakt.
Sie sind also zufrieden und wünschen sich, dass es mit der Ausbildung weitergeht?
Ja, ich bin hier zufrieden und hoffe sogar, dass ich nächstes Jahr im zweiten Lehrjahr einsteigen kann. Ich habe dieses Jahr durch die Tätigkeit und den Umgang mit den Kunden viel gelernt. So will ich auch weitermachen.
Haben Sie in Syrien etwas Ähnliches gemacht? Was haben Sie dort gearbeitet?
Ich habe an der Universität Politikwissenschaften studiert, aber wegen des Krieges konnte ich mein Studium nicht abschließen. Außerdem war ich selbstständig. Ich hatte in Syrien eine kleine Buchhandlung. Dort habe ich alles selbst gemacht – Bücher bestellt, Kundendienst, Buchhaltung…
Jetzt sind Sie in Deutschland und müssen mit einer Ausbildung noch einmal von vorne starten. Sehen Sie das nicht als Rückschritt?
Nein, ich bin zufrieden, so wie es ist. Ich musste in Deutschland nun mal wieder bei null anfangen mit der Sprache und dem Beruf. Denn bei uns in Syrien ist alles ganz anders. Es gibt große Unterschiede zwischen den Kulturen, wie gewisse Dinge gemacht werden, und so weiter.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft, wie soll es weitergehen?
Ich möchte meine Ausbildung abschließen und danach eine feste Arbeitsstelle finden. Und später vielleicht eine kleine Familie gründen. Aber nicht jetzt, das hat noch Zeit.
Das war kein einfacher Weg bis hierher. Haben Sie Tipps für Menschen in einer ähnlichen Situation? Was würden Sie ihnen raten?
Gebt nie auf, egal, wie schwierig der Weg auch scheint. Macht immer weiter, denn ohne Ausbildung, ohne Arbeit und ohne Sicherheit kann man nicht weiterleben. Und bleibt immer im Kontakt mit den Leuten. Kontakt macht die Sprache einfacher und hilft bei der Integration.
Interview: Luisa Döderlein