Coronavirus

"Eine Planung ist so kaum möglich"

In einem Statement bewertet IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius  Marx die aktuellen Beschlüsse von Bund und Ländern. Laut Marx bleiben Fragen ungeklärt. Da sich die möglichen Lockerungen an den denknotwendig ungewissen Inzidenzwerten orientieren, bleiben die Unternehmen letztlich perspektivlos. 
Die aktuell geschlossenen Unternehmen sind von den Beschlüssen enttäuscht. Das verabschiedete Konzept ist überkomplex, viele Fragen bleiben ungeklärt. Da sich die möglichen Lockerungen an den denknotwendig ungewissen Inzidenzwerten orientieren, bleiben die Unternehmen letztlich perspektivlos; jegliche Öffnung könnte innerhalb von wenigen Tagen wieder beendet oder auf eine Stufe stärkerer Beschränkung zurückgenommen werden. Eine Planung ist so kaum möglich. Unternehmen lassen sich  nicht an- und ausschalten wie das Licht. 
Die heikelste Frage ist aber die der räumlichen Anknüpfung inzidenzorientierter Öffnungsschritte: das Papier bleibt hier vage und spricht von  "Ländern" oder "Regionen". Das führt notwendig zu einem Dilemma: Wird regional, etwa von Landkreis zu Landkreis oder gar von Stadt zu Stadt entschieden, welche Geschäfte öffnen dürfen oder nicht, können die lokal günstigen Inzidenzen genutzt werden - allerdings werden die Menschen dann dorthin fahren, wo die Geschäfte geöffnet sind. Ein unsinniger "Binneneinkaufstourismus" wäre die Folge, die Inzidenzwerte würden möglicherweise wieder steigen und die Geschäfte müssten wieder schließen - ein offensichtlich inakzeptabler Jo-Jo-Effekt. Nimmt man dagegen den landesweiten Inzidenzwert als Referenz für die Öffnungsstufen, ist derzeit kaum zu erwarten, dass die weiteren Stufen überhaupt erreicht werden, Regionen oder Landkreise mit ganz geringen Inzidenzen gingen also "leer aus", weil sie mit anderen "in einen Topf geworfen" würden. 
Unsere Mitgliedsunternehmen empfinden es als frustrierend, dass das Impfen und Testen weiterhin nur schleppend verläuft und die digitale Nachverfolgung noch immer weit hinter den technischen Möglichkeiten her läuft. Impfstrategie, Teststrategie und Öffnungsstrategie müssen so miteinander verzahnt werden, dass ein Wiederhochlauf der Wirtschaft flächendeckend möglich wird. Die immer besser, schneller und kostengünstiger möglichen Testverfahren kommen uns dabei ebenso entgegen wie der Fortschritt der Verimpfung, die ihrerseits - parallel zu den Impfzentren - schneller über Haus- und Betriebsärzte vorangebracht werden kann. 
Bleibt es bei den jetzt etablierten, inzidenzorientierten Öffnungsschritten, werden wir noch sehr lange auf eine Wiedereröffnung aller Geschäfte warten müssen, denn eine stabile Inzidenz von unter 50 ist auf absehbare Zeit wohl kaum landesweit zu erreichen. Hotellerie und Gaststätten sowie der gesamte Bereich des Tourismus sind noch immer ohne Perspektive. 
Dass der noch geschlossene Einzelhandel nun das sogenannte Click & Meet anbieten darf, ist zumindest ein Trostpflaster. Das mag einzelnen Branchen helfen, wo - wie etwa bei den Brautmoden oder bei Juwelieren - ohnehin eine intensive Einzelberatung des Kunden im Vordergrund steht. Von einer Öffnungsstrategie ist dies gleichwohl weit entfernt. Gerade für Händler mit großen Einkaufsflächen ist die Regelung der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Die hohen Personal- und Betriebskosten lassen sich mit Click & Meet kaum decken. 
Betriebe, die mit effektiven Hygienekonzepten und einer geringen Kontaktintensität die Sicherheit von Mitarbeitern und Kunden gewährleisten können, sollten öffnen dürfen. Sie haben ausgefeilte Hygienekonzepte umgesetzt. Von ihnen geht kein erhöhtes Risiko aus. 
Nach wie vor gilt nach unserer Überzeugung: Es geht bei der Bekämpfung der Infektionsgefahr nicht darum, wo sich ein Mensch aufhält, sondern wie er sich dabei verhält. Nicht das Absperren von Lokalitäten und Grenzen ist deshalb der Schlüssel, sondern die Implementierung von effizienten Schutzkonzepten. So kann ein Essen in einem Restaurant mit strengen Hygieneauflagen, einer Belüftungsanlage und Desinfektionsspendern neben jedem Wasserhahn, mit sozialer Kontrolle, mit digitaler Erfassung der Personalien und möglicher Kontakt Nachverfolgung weitaus sicherer sein, als es dasselbe Essen im privaten Umfeld je könnte. Diese Erkenntnis vermissen wir im Konzept von Bund und Ländern.
Ein Statement von Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee