Interview

Coronavirus: Folgen sind bereits spürbar

Die deutsche Wirtschaft spürt zunehmend die Folgen der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus. IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius Marx beschreibt die größten Herausforderungen für die Unternehmen in der Region und wie die Lage in Norditalien die Situation verschärft.  
Wie stark trifft das  Coronavirus die Wirtschaft im IHK-Bezirk Hochrhein-Bodensee? 
Bei einigen unserer Mitgliedsunternehmen sind die Folgen bereits spürbar. Die Ausbreitung des Virus betrifft nicht nur die international agierenden, großen Konzerne, sie hat auch das Potential, auf den Mittelstand in unserer Region negativ durchzuschlagen. Die beiden Stichworte heißen Geschäftsreisen und Unterbrechung von Lieferketten. Jeder Unternehmer muss schon jetzt sorgfältig abwägen, wohin er seine Mitarbeiter noch entsenden will oder auch nur darf. Seine Fürsorgepflicht als Arbeitgeber verlangt, den Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter in den Blick zu nehmen. Wer umsichtig handelt, wird nicht nur die unmittelbar betroffenen Zonen meiden, sondern auch das erweiterte Umland, oder er wird gleich generell auf Reisen verzichten, die nicht unabdingbar sind oder verschoben werden können. Allein diese Einschränkung der Reisetätigkeit wird sich auf viele Wirtschaftsbeziehungen negativ auswirken.

Ein großes Problem ist die Unterbrechung von Lieferketten. Sind davon auch Mittelständler betroffen? 
Wo Lieferketten unterbrochen werden und das ist natürlich in Hinblick auf China in den verschiedensten Wirtschaftszweigen und über alle Betriebsgrößen hinweg der Fall, drohen Dominoeffekte, auch und gerade im Mittelstand. Sobald Lagerbestände aufgebraucht sind, kann eine ganze Produktion stillstehen, wenn auch nur ein einziges, notwendiges Teil fehlt, das aus China zugeliefert wurde, aktuell ausfällt und nicht anderweitig beschafft werden kann. Auch unsere IHK ist bereits betroffen, weil wir Leiterplatten aus chinesischer Produktion im Rahmen technischer Prüfungen verwenden, die uns nun auszugehen drohen. 
 
Inwiefern bedeutet der Schwerpunkt Norditalien noch einmal eine Verschärfung der Lage?
Dass wir nun in Norditalien einen veritablen Infektionsherd haben, ist in dreifacher Hinsicht misslich. Zum einen handelt es sich um die wirtschaftlich vitalste Region Italiens. Dort wird etwa ein Drittel der landesweiten Wirtschaftsleistung erbracht. Zum anderen haben wir eben deshalb in Südbaden traditionell enge wirtschaftliche Beziehungen in genau diese Region. Und schließlich ist die geographische Entfernung zu Mailand geringer als die nach Frankfurt. Das heißt, wir haben das Problem nun tatsächlich vor der Haustüre. Viel hängt nun vom weiteren Verlauf in den nächsten Wochen ab. Es wäre lebensfremd, anzunehmen, dass die weitere Ausbreitung an unserer Region gänzlich vorbei geht.  Wenn das dazu führen sollte, dass Transportwege unterbrochen oder auch nur behindert werden, droht allein daraus weiterer wirtschaftlicher Schaden. Das Schadenspotenzial, das allein in der Verlangsamung, der Behinderung oder zeitweisen Unterbrechung produktiver, distributiver und logistischer Prozesse liegt, ist erheblich.