Interview

"Die Erwartungen haben sich eingetrübt"

Erstmals seit über zehn Jahren blicken Unternehmen in der Konjunkturumfrage der IHK Hochrhein-Bodensee wieder mehr skeptisch als optimistisch in die Zukunft. Im Interview spricht Präsident Thomas Conrady darüber, was die Unternehmen bewegt, welche Branchen besonders betroffen sind und was aus Sicht der IHK zu tun ist.
Nach zehn Jahren des Aufschwungs schwächelt die deutsche Wirtschaft. Wie berechtigt ist die Sorge vor einem wirtschaftlichen Abschwung?
Sie ist leider nicht unberechtigt. Die Erwartungen der Unternehmen im Bezirk der IHK Hochrhein-Bodensee haben sich, was die konjunkturelle Entwicklung anbelangt, deutlich eingetrübt. Zwar sind nicht alle Branchen gleichermaßen stark betroffen. Während Automobilzulieferer mit einer unsicheren Zukunft umgehen müssen und bei Maschinenbauern die Aufträge zurückgehen, geht es dem Dienstleistungsbereich noch sehr gut. Dort berichten immer noch mehr als die Hälfte der Unternehmen von guten Geschäften, trotz einem leichten Rückgang der Geschäftslage. Auch der Handel in unserer Region schätzt die Geschäftslage weiterhin sehr positiv ein. Im Saldo müssen wir uns aber darauf einstellen, dass sich das Hoch der letzten zehn Jahre so nicht fortsetzen wird.
Die Lage ist also ernst?
Wir sind konjunkturell seit 2008/2009 zehn Jahre lang auf einer Welle des Erfolgs gesurft, und jeder Surfer weiß, dass auch die beste Welle irgendwann ausläuft. Und dass er sich dann wird anstrengen müssen, um eine neue Welle zu finden. Dazwischen ist Kraft, viel Arbeit, aber auch Kompetenz und Erfahrung gefordert. Aktuell sieht alles danach aus, dass wir in einer solchen Phase angekommen sind, wo eine große Welle ausläuft und noch nicht klar ist, wo und wie erfolgreich wir die nächste aufnehmen. Das ist, wenn man sich Konjunkturzyklen anschaut, nichts Ungewöhnliches. Auch gibt es keinen Grund, deshalb gleich von einer dramatischen Entwicklung zu sprechen. Nicht einmal eine Rezession ist unausweichlich. Positive und negative Meldungen wechseln sich derzeit ab - sicher ist nur, dass wir uns derzeit in einer Phase der Unsicherheit befinden und das gilt für technologische, strukturelle Veränderungen, namentlich in der Automobilindustrie, genauso wie für die geopolitische Lage, von Handelskriegen und Zöllen über den Brexit bis zu den krisenhaften Entwicklungen im nahen und mittleren Osten oder in Nordafrika und der Frage des Umgangs mit Flüchtlingsströmen – alles Themen, die für eine exportorientierte Wirtschaft von elementarer Bedeutung sind.
Was macht den Unternehmen besonders zu schaffen?
Derzeit befinden wir uns in einer Zeit des Umbruchs. International werden Handelspartnerschaften in Frage gestellt, multilaterale Verträge werden gekündigt oder ihre Neuverhandlung eingefordert, die Wirtschaftsentwicklung in China hat sich verlangsamt und der Brexit ist keineswegs ausgestanden – die Arbeit eines Handelsabkommens liegt noch vor uns und die dafür zur Verfügung stehende Zeit wird von allen Experten für unzureichend eingeschätzt. All dies macht vielen exportorientierten Unternehmen zu schaffen. Es gibt aber auch Entwicklungen im Inland, die uns Sorgen bereiten, wie der abrupte Abgesang auf die Dieseltechnologie. Auch Automobilzulieferer in unserer Region sind davon betroffen. Ein stockender Auftragseingang und nachlassende Auslastung sind objektive Parameter, die nichts Gutes verheißen.
Sind bereits Konsequenzen spürbar?
Vereinzelt wurde Kurzarbeit angekündigt, auch wurden schon Gespräche mit der Arbeitsverwaltung geführt, von einem massiven Beschäftigungsabbau sind wir aber weit entfernt. Das ist für unsere Mitgliedsunternehmen immer der letzte Schritt, wenn es gar nicht anders geht. Während der Wirtschaftskrise, die auf die Finanzkrise vor zehn Jahren folgte, haben die Unternehmen erfolgreich die Strategie verfolgt, ihre Mitarbeiter zu halten und häufig die Chance einer Weiterbildung genutzt. Das hat sich ausgezahlt, als die Konjunktur wieder angesprungen ist.
Inwiefern unterscheidet sich die Region von anderen Teilen Deutschlands?
Wir bewegen uns konjunkturell weitgehend im Gleichschritt mit dem Land. Innerhalb Baden-Württembergs liegen wir regelmäßig etwas über dem Landesschnitt. Das liegt auch an dem starken grenznahen Handel, der wiederum vom Einkaufstourismus aus der Schweiz profitiert. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass es wenig klug wäre, diesen starken, positiven Einfluss auszubremsen. Dass wir damit richtig liegen, zeigt sich in einer Situation wie der aktuellen umso mehr.
Wie sehen die Perspektiven für die kommenden Jahre aus?
Grundsätzlich sind die Perspektiven nach wie vor gut. Wir sind aber gut beraten, wenn wir drei Dinge beherzigen: Erstens neue technologische Entwicklungen ergebnisoffen angehen und ideologiefrei diskutieren. Es ist noch keineswegs ausgemacht, wie wir uns in zehn Jahren bewegen werden und welche Technik dabei wo und in welchem Umfang zum Einsatz kommt. Politik soll Forschung und Entwicklung fördern, aber sie darf niemals vorgeben, was dabei herauskommen muss. Zweitens sollten wir die Lösungen, die uns erfolgreich dahin gebracht haben, wo wir sind, nicht vorschnell über Bord werfen. Nicht, weil Totgesagte bekanntlich länger leben – der Dieselmotor lässt grüßen, sondern, weil es volkswirtschaftlich einfach unklug ist, eine Technologie zu verwerfen, bevor eine Anschlusstechnologie tatsächlich bessere Ergebnisse zeitigt und auch im Echtbetrieb funktioniert. Der Diesel neuester Generation hat eine hervorragende Umweltbilanz und kann uns noch lange begleiten. Und drittens sollten wir bei aller Freude am Wandel nicht außer Acht lassen, was uns gestern, heute und morgen unverändert guttut. Bildung gehört dazu, lebenslanges Lernen, Forschungsförderung oder die Erhaltung bzw. der Aufbau einer leistungsfähigen Infrastruktur, Straße, Schiene, Breitband, Netzausbau, generell alles, was Beschäftigung sichert und aufbaut. Der Fachkräftemangel ist ja mitnichten überwunden, unsere Mitgliedsunternehmen räumen der Suche und Gewinnung qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach wie vor hohe Priorität ein. All diese Themen sind nicht obsolet, sondern umgekehrt essentiell, um mit Veränderungen erfolgreich umgehen zu können.