Interview

"Alaa ist eine coole Socke"

Der gebürtige Palästinenser Alaa Iskandrany hat eine Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme bei der Firma Hectronic in Bonndort absolviert. Heute ist er dort fest angestellt im Support. Der Weg dorthin war nicht immer einfach, wie er und sein Ausbildungsleiter Alexander Ebi im Interview erzählen. Doch er hat sich gelohnt.
Alaa Iskandrany wurde 1991 in Damaskus in Syrien geboren. Nach dem Abitur folgte ein Studium im Fach Qualitätsmanagement und Kontrolle am Technischen Institut für Maschinenbau und Elektrotechnik in Damaskus. Nebenher arbeitete er sich innerhalb zwei Jahren bei der Modekette Bershka vom Kassierer zum Direktionsassistenten nach oben. Doch aufgrund des tobenden Bürgerkriegs musste er 2014 alles zurücklassen. Er floh nach Europa.
Warum es gerade Deutschland wurde, kann Iskandrany selbst nicht richtig erklären. Nach längerem Überlegen antwortet er im Interview: „Deutschland ist ein Industrieland, wo man im Leben etwas anfangen kann. Hier gibt es viele Möglichkeiten, einen Beruf zu finden.“ In Deutschland eine Ausbildung zu absolvieren, sieht er deshalb nicht als Rückschritt. Nachdem er über zwei Jahre hinweg verschiedene Integrations- und Sprachkurse besucht hatte, stellte die Integrationsbeauftrage der Stadt Bonndorf Silvia Maier den Kontakt zwischen ihm und der Firma Hectronic her und verschaffte ihm dort einen dreiwöchigen Praktikumsplatz. Danach stellte sich die Frage, wie es weitergehen sollte. Denn zu diesem Zeitpunkt waren die üblichen Ausbildungsstellen in dem Unternehmen schon besetzt. Ihm jedoch einen einfachen Job anzubieten, kam für den Ausbildungsleiter Alexander Ebi nicht in Frage. „Wir wollten für ihn eine Qualifikation für die Zukunft, wir wollten mehr“, betont er. Und so wurde kurzerhand eine zusätzliche Ausbildungsstelle für Iskandrany geschaffen, „quasi on top“. Dieser erkannte die Chance und begann 2016 seine Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme.
In der Berufsschule merkte der junge Palästinenser schnell, dass es nicht ausreicht, nur 80 Prozent von dem zu verstehen, was gesagt wird. „Lücken gibt es immer, aber das können genau die 20 Prozent sein, die in der Prüfung dann abgefragt werden,“ sagt er. Aufgrund der Sprachschwierigkeiten fiel ihm das Lernen und Verstehen nicht immer leicht. Doch darauf wurde kaum Rücksicht genommen, schließlich ist der Unterricht für Muttersprachler konzipiert und das Tempo dementsprechend hoch. Arabisch-deutsche Literatur, die ihm hätte helfen können, gibt es im Feld Elektrotechnik nicht. So musste oft der Umweg über die englische Sprache gegangen werden, was das Lernen noch verkomplizierte. Einem Antrag auf Nachteilsausgleich, wie ihn Ebi für seinen syrischen Auszubildenden bewirken wollte, wurde nicht stattgegeben. Iskandrany hatte Glück und bekam bei seinem Ausbildungsbetrieb die Unterstützung, die er benötigte. Ebi und seine Kollegen halfen ihm regelmäßig bei der Nachbereitung des Unterrichts, womit er die Sprachdefizite kompensieren konnte. Der praktische Teil seiner Ausbildung zum Elektroniker hingegen bereitete ihm nie Probleme. Hierfür muss er kein perfektes Deutsch sprechen, die Arbeit an der Elektronik ist universal.
Auf die Frage hin, wo Iskandrany große Unterschiede zwischen Deutschland und seinem Heimatland Syrien sieht, lacht er nur und fragt: „Wo nicht?“ Dann überlegt er etwas länger und erzählt: „Das Leben in Syrien war ganz anders. Deutschland hat eine andere Kultur, eine andere Mentalität. Deutschland ist ein offenes Land.“ Was er hier vor allem lernen musste, war nachzufragen, wenn er etwas nicht versteht. Aus seinem Heimatland war er das nicht gewohnt, er beschreibt sich selbst als „verschlossenen Typ“. Und so brauchte er etwas länger, sich an die deutsche Fragekultur zu gewöhnen. Als er nach Tipps für andere Geflüchtete in Ausbildung gefragt wird, geht es ihm dann aber über die Lippen wie das natürlichste der Welt: „Fragen kostet nix. Einfach immer weiterlernen, weitermachen mit der Sprache.“
Zu Beginn dieses Jahres absolvierte er seine Abschlussprüfungen und es folgte die Qual der Wahl: Denn Alaa wurde direkt übernommen und ihm wurde nicht nur eine, sondern gleich mehrere Stellen bei Hectonic angeboten. Jetzt ist er im Support für Produkte aus dem Bereich „Tanken“ zuständig. Ebi sieht seinen neuen Mitarbeiter als Bereicherung für das Unternehmen: „Welche Nationalität, welche Kultur, welches Geschlecht oder Alter – das ist alles irrelevant, sondern es zählt der Mensch. Und da ist Alaa eine coole Socke, mit der man einfach gerne zusammenarbeitet und auch gerne Wissen vermittelt.“
Interview: Luisa Döderlein