Recht und Steuern

Folgen für Gesellschaften englischen Rechts mit Verwaltungssitz in Deutschland

Eine Gesellschaftsgründung nach englischem Recht war für viele Jahre besonders attraktiv. Zwar sinkt die Anzahl englischer Kapitalgesellschaften (LLCs, PLCs und LLPs) mit einem Verwaltungssitz in Deutschland. Jedoch müssen sich Gesellschafter und Geschäftsführer derzeit noch existenter englischer Kapitalgesellschaften vor dem Hintergrund des bevorstehenden Brexit Gedanken über ihre Handlungsoptionen machen.
Seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs (VK) am 31. Januar 2020 aus der Europäischen Union (EU) läuft die Übergangsphase. Diese wird voraussichtlich am 31. Dezember 2020 enden. Das VK ist seit dem 31. Januar 2020 zwar formal kein Mitgliedsstaat der EU mehr, wird aber für die Dauer der Übergangsphase noch als solcher angesehen und behandelt. Erst nach Ende der Übergangsphase ist das VK „vollwertiger“ Drittstaat.
Dies vorausgeschickt gilt Folgendes: Die oben genannten englischen Gesellschaften werden dann als Drittgesellschaften angesehen, denn die Rechtsprechung in Deutschland folgt nicht der europarechtlichen Gründungstheorie, die an den Ort der Gesellschaftsgründung anknüpft, sondern der sogenannten Sitztheorie. Nach der Sitztheorie bestimmt sich das Gesellschaftsstatut, also das Recht, nach dem die Gesellschaft „entsteht, lebt und vergeht“, nach dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz hat. Daher werden Gesellschaften, die zwar unter englischem Recht gegründet wurden, aber ihren Sitz in Deutschland haben, nach dem Brexit nicht mehr als solche in Deutschland anerkannt.
Die Konsequenz der Anwendung der Sitztheorie für englische Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland ist, dass für diese Gesellschaften mit Vollzugs des Brexit – also seit dem 31.01.2020 deutsches Recht gilt. Da das deutsche materielle Gesellschaftsrecht aber eine Gesellschaft dieses Typs nicht kennt, werden diese Gesellschaften als Personengesellschaften eingestuft werden. Im Fall von mehreren Gesellschaftern würde dann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder eine offene Handelsgesellschaft (oHG) vorliegen und im Fall einer Einpersonengesellschaft deren Gesellschafter als Einzelperson oder, bei Vorliegen eines Handelsgewerbes, als Einzelkaufleute gemäß § 1 Absatz 1 und 2 HGB beurteilt werden.
Auch wenn damit weiterhin am Geschäfts- und Rechtsverkehr teilgenommen werden kann, verlieren diese Gesellschaften durch den Brexit ihre Anerkennung als Kapitalgesellschaft in Deutschland. Auch sind die Gesellschafter durch die ausländische Gesellschaftsform nicht mehr haftungsprivilegiert, sondern haften zukünftig persönlich und unbeschränkt für die Gesellschaftsverbindlichkeiten. Um diesem Misstand entgegenzuwirken, hat der deutsche Gesetzgeber mit § 122m UmwG die Möglichkeit eines geordneten Wechsels einer Limited in eine deutsche Gesellschaftsform mit beschränker Haftung geschaffen. Ein solcher Wechsel ist grundsätzlich bis zum Ende der Übergangsphase möglich, sofern mit der Verschmelzung bereits vor diesem Zeitpunkt begonnen wird.
Es gibt verschiedene Optionen, diesen eher unerwünschten Folgen des Brexit zu entgehen. Dabei empfiehlt es sich, hier zeitnah selbst aktiv zu werden. Möglich wären beispielsweise folgende Optionen:
  • Umwandlung in eine deutsche GmbH, mit welcher die Gesellschafter wieder den Vorteil der Haftungsbeschränkung gemäß § 13 Absatz 2 GmbHG hätten, wobei zu beachten ist, dass in diesem Fall gemäß § 5 Absatz 1 GmbHG das Stammkapital der Gesellschaft mindestens 25.000,- Euro betragen muss.
  • Umwandlung in eine deutsche Unternehmergesellschaft (UG), für die gemäß § 5a GmbHG ein Stammkapital in Höhe von mindestens 1,- Euro erforderlich und die ebenfalls haftungsbeschränkt ist.
  • Umwandlung in eine irische Kapitalgesellschaft. Irland ist EU-Mitgliedsstaat und folgt der Gründungstheorie, so dass Briefkastengesellschaften in Irland nach irischem Recht möglich sind.
Nach derzeitigem Stand scheint lediglich die letzte Variante, die Umwandlung in eine irische Kapitalgesellschaft eine praktikable Lösung. Wenn die britischen Behörden – deren Mitwirkung für eine Umwandlung in eine ausländische Gesellschaft immer zwingend notwendig ist – Vorgänge zur Umwandlung in eine deutsche Kapitalgesellschaft weiterhin nur mit niedriger Priorität bearbeiten, sind diese Umwandlungen nämlich eventuell nicht mehr rechtzeitig durchführbar.
Stand: April 2020
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