Recht und Steuern

Neue Händlerpflichten bei digitalen Inhalten

Neue EU-Richtlinien über den Verkauf und die Bereitstellung von Waren mit digitalen Elementen und Dienstleistungen sowie  über den Handel mit digitalen Waren haben insbesondere Auswirkungen auf die Gewährleistungsrechte des Verbrauchers und auf die Beweislast des Unternehmers beim Vorliegen eines Mangels. Die Änderungen, die in nationales Recht umzusetzen sind,  treten am 1. Januar 2022 in Kraft.

1. Verträge über den Kauf digitaler Inhalte und Waren mit integrierten digitalen Elementen

Unter die Richtlinien fallen Verbraucherverträge
  • über den Kauf digitaler Inhalte (z.B. Software, Apps, E-Books, Musik, Videospiele), egal ob auf körperlichen Datenträgern (z.B. CD-ROM), oder als Download oder Streaming,
  • über die Bereitstellung digitale Dienstleistungen (z.B. Hosting, Software-as-a-Service, Cloud Computing, Social Media, Streamingdienste),
  • über Sachen mit integrierten digitalen Elementen (bspw. Smart TV, Smart Watch, intelligente Haushaltsgeräte), das heißt, die Ware ist zwingend mit dem digitalen Element verbunden, sodass sie ihre Funktion ohne dieses digitale Element nicht erfüllen kann (das digitale Element kann dabei ein Produkt oder eine Dienstleistung sein).
Insbesondere beim Gewährleistungsrecht stehen Neuerungen an. Der Händler muss – wie bisher auch – zunächst den vertragsgemäßen Zustand (sog. “Nacherfüllung”) wiederherstellen, wenn er  ein mangelhaftes Produkt geliefet hat, entweder durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung. Erst wenn ein eine Nacherfüllung fehlschlägt kann der Verbraucher Preisminderung oder Beendigung des Vertrags verlangen. Näheres erfahren Sie in den Änderungen zum Kaufrecht ab 2022.
Bezogen auf digitale Produkte und Sachen mit digitalen Elementen sind aus Händlersicht relevant:
  • Eine digitales Produkt oder eine Sache mit digitalen Elementen kann künftig trotz Einhaltung einer vereinbarten Beschaffenheit mangelhaft sein. Es kommt für die Sachmangelfreiheit künftig zusätzlich darauf an, was bei einer Sache der Branchenüblichkeit und der Kundenerwartung entspricht. Also, ob die Sache sich für die gewöhnliche Verwendung eignet, und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist. Es wird künftig also mehr als es bisher der Fall war auf die durchschnittliche Käufererwartung abgestellt. Bei Verbrauchern wird eine vertragliche Abweichung davon nur mit einer ausdrücklichen und gesonderten Vereinbarung (nicht lediglich in der Produktbeschreibung oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen) möglich sein. Im B2B-Bereich wird man die objektive Verwendbarkeit und die übliche Beschaffenheit abbedingen können, es ist aber noch nicht geklärt, welche Anforderungen an eine solche Vereinbarung zu stellen sind. Neben der durchschnittlichen Beschaffenheit und Verwendbarkeit  kommen noch weitere Punkte hinzu, wie entsprechende Montageanforderungen und Installationsanforderungen, damit die Sache mangelfrei ist.
  • Die Beweislastumkehr für Mängel wird auf ein Jahr ausgedehnt. Bisher musste der Händler innerhalb der ersten 6 Monate ab Lieferdatum nachweisen, dass der Mangel nicht schon bei Lieferung vorgelegen hat. Dieser Zeitraum - also die Vermutung, dass der Mangel schon bei Lieferung vorlag - wird auf ein Jahr verlängert.
Achtung: Bei dauerhaft bereitgestellten digitalen Produkten wird vermutet, dass das digitale Produkt während der gesamten bisherigen Dauer mangelhaft war. Bei dauerhaft bereitgestellten Sachen mit integrierten digitalen Elementen gilt die Beweislastumkehr sogar so lange, wie der Vertrag läuft, mindestens aber zwei Jahre ab Ablieferung der Ware.
“ Dauerhaft bereitgestellte” digitale Elemente können unter anderem sein: die Cloud-Anbindung bei einer Spielanwendung, eine Smartphone App zur Nutzung verschiedener Funktionen in Verbindung mit einer intelligenten Armbanduhr, oder Verkehrsdaten bei einem Navigationssystem (so laut Gesetzegsbegründung).
  • Es wird ein Recht auf Aktualisierungen eingeführt. Bei digitalen Produkten und Sachen mit digitalen Elementen muss das Unternehmen innerhalb eines angemessenen Zeitraums über Aktualisierungen (funktionserhaltende Updates und Sicherheitsupdates) informieren und diese bereitstellen. Werden die Aktualisierungen nicht rechtzeitig bereitgestellt, oder sind sie fehlerhaft oder unvollständig, liegt darin künftig ein Sachmangel. Die Dauer der Aktualisierungspflicht ist gesetzlich nicht geregelt. Der Zeitraum kann je nach Art und Zweck des Produkts und insbesondere seines Lebenszykluses unterschiedlich sein.
  • Der Händler/Verkäufer ist verpflichtet das Update zur Verfügung zu stellen. Ist der Verkäufer, wie häufig, nicht zugleich Hersteller der Ware sollte er die Mitwirkung des Herstellers an der Aktualisierung/an Updates des digitalen Elements vertraglich vereinbaren.
  • Keine Haftung des Unternehmers soll bestehen, wenn er über die Verfügbarkeit des Updates informiert und dieses bereitgestellt hat (der Unternehmer ist verpflichtet das Update zur Verfügung zu stellen und darüber zu informieren) und der Verbraucher das Update nicht, oder unsachgemäß durchführt (eine fehlerfreie Installationsanleitung des Unternehmers vorausgesetzt).
  • Die Gewährleistungsfrist beträgt 2 Jahre. Dies gilt aber nicht für Verträge über Sachen mit digitalen Inhalten (z.B. Smart TV, Smart Watch), die dauerhaft bereitgestellt werden. Die Mängelhaftung besteht hier für die gesamte Vertragslaufzeit beziehungsweise die Lebensdauer des Produkts, mindestens aber für 2 Jahre.
  • Bei dauerhafter Bereitstellung digitaler Produkte oder Sachen mit digitalen Elementen kommt es zusätzlich zu einer Verlängerung der Verjährung um 12 Monate nach Ende des Bereitstellungszeitraums beziehungsweise nach Ende der Aktualisierungspflicht.
Beispiel: Wenn z.B. die Bereitstellungsdauer oder der Zeitraum der Aktualisierungspflicht 24 Monate beträgt, so hat der Verbraucher noch weitere 12 Monate Zeit einen Mangel geltend zu machen.
Zustätzlich gilt: Zeigt sich ein Mangel innerhalb der genannten Verjährungsfrist, tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von vier Monaten nach erstmaligem Auftreten des Mangels ein. Zeigt sich beispielsweise bei einer Sache der Mangel erst im 23. Monat, kann der Käufer den Mangel noch bis zum 27. Monat nach Lieferung geltend machen.
Eine weitere Neuerung ist, dass ein Vertrag über einen digitalen Inhalt auch dann vorliegt, wenn der digitale Inhalt oder die Dienstleistung kostenlos angeboten wird, der Verbraucher aber personenbezogene Daten zur Verfügung stellt und der Unternehmer diese Daten kommerziell nutzt, z. B. zu Marketingzwecken. Die Bereitstellung personenbezogener Daten wird somit – wenn sie kommerziell genutzt werden  – wie ein monetäres Entgelt behandelt.

2. Kündigungsbutton bei Internet-Vertragsschlüssen

Änderungen gibt es auch bei der Kündigung von Verträgen, die im Internet abgeschlossen werden (zum Beispiel Mobilfunk, Internetanschluss, Fitnesstudio-Mitgliedschaft, Gas- und Stromlieferung). Verbrauchern ist künftig die Kündigung von Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr über einen Kündigungsbutton zu ermöglichen (dies gilt ab 1. Juli 2022). Davon erfasst ist jede Webseite auf der der Vertragsschluss im Internet angeboten wird, zum Beispiel auch eine Bestellung lediglich per E-Mail oder Kontaktformular. Ob der Verbraucher auf diesem Weg bestellt hat, ist nicht relevant, es genügt das Angebot den Vertrag über die Webseite zu schließen. Der Kündigungsbutton ist deutlich zu beschriften, z.B. „Verträge hier kündigen“ und muss ständig verfügbar, leicht zugänglich sowie gut sichtbar platziert sein. Dies kennt man so ähnlich bereits aus beim Warenkauf im E-Commerce (Kaufbutton: „Zahlungspflichtig bestellen“). Der Verbraucher muss Angaben zu seiner eindeutigen Identifizierbarkeit, zur eindeutigen Bezeichnung des Vertrags und zur Art der Kündigung machen können. Zudem ist die Kündigung bezüglich Inhalt (u.a. Zeitpunkt, zu dem das Vertragsverhältnis durch die Kündigung beendet werden soll) und Datum und Uhrzeit des Zugangs automatisiert per E-Mai unverzüglich zu bestätigen.
Vorsicht: Bei einem fehlenden Kündigungsbutton ist jederzeit die fristlose Kündigung (auch für alle bereits laufenden Verträge) durch den Verbraucher möglich.

3. Eingeschränkte Vertragslaufzeiten und Verlängerungsklauseln

Bei Dauerschuldverhältnissen, also die regelmäßige Lieferung von Waren oder Leistungen – typischerweise z.B. Handy-Vertrag, Internetanschluss, Fitnessstudios, Streamingdienste, Gas- und Stromlieferungsverträge - wird die automatische Vertragsverlängerung beschränkt. Bisher enthalten Verträge häufig eine stillschweigende Verlängerungsklausel, wenn sie nicht innerhalb einer vorgesehenen Frist vor Ablauf der Vertragszeit gekündigt werden. Der Vertrag verlängert sich dann automatisch um ein Jahr mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist. Künftig darf die Verlängerung des Vertrags nur auf unbestimmte Zeit gelten (also nicht mehr automatisch ein Jahr) und die Kündigungsfrist beträgt nur noch einen Monat. Dies gilt ab 1. März 2022.
Unternehmer sollten Ihre Verträge bzw. Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Geschäftsmodelle hinsichtlich der Aktualisierungspflicht, der Gewährleistungsfrist, der Beweislastumkehr und Vertragsverlängerungsklauseln zeitnah anpassen. Die technischen Voraussetzungen für den Kündigungsbutton sollten Unternehmer rechtzeitig auf der Webseite einrichten.
Stand: Januar 2022
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