Innovation und Umwelt

Klimaschutz in Unternehmen: Das Voglhaus

Wer kennt nicht “Das Voglhaus” in Konstanz. Das Café und Restaurant in der Wessenbergstraße bietet ausschließlich vegane Speisen und Getränke an und ist damit sehr erfolgreich. IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius Marx hat die Inhaberin Martina Vogl getroffen. Und mit ihr über Nachhaltigkeit, Stadtentwicklung und Veränderungswillen gesprochen.

Es gibt in Konstanz wirklich viele Restaurants, Kneipen und Cafés, aber es gibt genau ein Voglhaus, ein recht besonderes Lokal mit ausschließlich veganer Speisekarte. War das ein Konzept, das Sie schon bei der Gründung fertig im Kopf hatten oder haben Sie es erst über die Zeit entwickelt?
Martina Vogl: Nein, mein Anfangskonzept war ganz anders. Ich habe Wohnaccessoires, Kerzen und Raumdüfte verkauft und dazu ein bisschen Kaffee und Sekt angeboten. Es war aber schon ein neues Handelskonzept und es ist eingeschlagen wie eine Bombe, weil es nicht mehr nur um den Verkauf von Waren ging, sondern um ein schönes Erlebnis. Mit dem Handel machten wir damals 80 Prozent und mit der Gastronomie 20 Prozent des Umsatzes. Doch Gastronomie machte mir mehr Freude. Nach einem Umbau, der mich fast an den Rand einer Pleite brachte, habe ich 2004 das heutige Voglhaus eröffnet. Heute erwirtschaften wir 90 Prozent unseres Umsatzes mit der Gastronomie.

Und wann kam Ihnen die Idee, auf vegane Küche umzusteigen? 
Martina Vogl: Wir waren schon von Beginn an ziemlich vegetarisch. Als eine Mitarbeiterin mir dann erzählte, sie lebe jetzt vegan, habe ich mich etwas genauer mit der Milch- und Eierindustrie befasst und war erschüttert. Ich dachte mir, wie konnte ich so alt werden und diese ganze Problematik nicht wahrnehmen. Das war mein Erweckungsmoment. Wir sind heute komplett vegan und unsere Produkte sind von demeter und Bioland. Wir möchten die Menschen hier für eine rein pflanzlichen Ernährung in Bio-Qualität begeistern, nicht mit Verbots- und Verzichtparolen bedrängen, sondern mir Genuss überzeugen. Das ist unser Motto: „Mit Genuss die Welt verändern.“ Mit diesem Konzept liefern wir gleichzeitig eine Blaupause für die Gastronomie der Zukunft.

Sie sagen, vegan zu leben bedeutet nicht zu verzichten, es ist eine Alternative, die genauso viel Freude macht wie Schnitzel oder Schweizer Käse? 
Martina Vogl: Genau. Wir haben unsere Kuchen-Rezepte so lange verfeinert, bis unsere Gäste in Sachen Genuss keinen Unterschied mehr feststellen konnten. Oft schmecken unsere veganen Kuchen sogar besser. Mit dem Label „vegan“ gehen wir trotzdem sparsam um, einfach, weil es immer noch viele Menschen abschreckt. Wir wollen alle erreichen und kein Veganer-Hotspot sein.

Sie haben mit Ihrem Konzept einen Nerv getroffen. Ihr Restaurant ist immer voll. An Wochenenden ist es schon fast unmöglich, einen Platz zu bekommen.
Martina Vogl: Ja, wir platzen aus allen Nähten. An Wochenenden könnten wir doppelt so viele Gäste bewirten, aber leider fehlt uns der Platz und auch das Personal. Ich verstehe deswegen nicht, warum andere Gastronomen unser Konzept nicht aufgreifen.

 Das ist interessant. Normalerweise würde sich ein Unternehmer, der ein Konzept entwickelt hat und damit erfolgreich ist, wünschen, dass es möglichst nicht kopiert wird. Bei Ihnen höre ich das Gegenteil. 
Martina Vogl: Absolut. Wir freuen uns über jeden, der unser Konzept kopiert. Aber obwohl es erfolgreich ist, muss immer noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Das wird etwa am Mehrwegsystem im Gastro-Bereich deutlich. Viele machen nicht mit, obwohl es nachhaltiger und sogar rentabler als Einwegverpackungen wäre. Es scheint halt immer noch nur wenig Veränderungsbereitschaft zu geben.

 Für große Veränderungen braucht es einen langen Atem. Dabei müsste es gerade in Sachen Klimaschutz etwas schneller gehen. Was bedeutet das für die Gastronomie?
Martina Vogl: Ernährung und Klimaschutz hängen unmittelbar zusammen. Ein Drittel der Gesamtemissionen weltweit entfallen auf unsere Ernährung und Agrarindustrie. Auch die Gastronomie muss einen Beitrag leisten. Wir lassen uns anhand unserer verkauften Speisen und Getränke von einem Unternehmen unseren CO2-Abdruck berechnen. Durch unser Angebot verursachen wir bis zu 70 Prozent weniger CO2 als die herkömmliche Gastronomie. Für uns ein weiteres Zeichen, dass wir mit unserem Konzept richtig liegen.


Das wäre jetzt der Punkt, das Voglhaus zu verlassen und die ganze Innenstadt in den Blick zu nehmen. Konstanz hat eine lebendige Innenstadt mit attraktivem Handel, Gastronomie und Kultur. Und dennoch sage ich, das ist kein Selbstläufer. Wir brauchen neue Konzepte, wenn wir die aktuelle Vielfalt erhalten wollen, wenn die Innenstadt ein Magnet, kulturelles, wirtschaftliches und soziales Herz einer Region bleiben soll. Was wäre Ihr Vorschlag? 
Martina Vogl: Konstanz hat das Glück des unvermeidbaren Umsatzes. Die Stadt hat viel Tourismus, liegt an der Grenze zur Schweiz und es gibt viel Kaufkraft in der Region. Das führt zu einer gewissen Trägheit, wenn es darum geht, die Stadt zukunftsfähig und klimaneutral zu gestalten. Ich bin überzeugt, dass die Konstanzer Innenstadt komplett Auto-frei werden müsste. Das könnte sogar zu einem Umsatzplus führen, weil dann die Aufenthaltsqualität zunimmt. Beispiele in Europa gibt es genug.

Wenn es gute Parkmöglichkeiten an den Toren der Stadt und einen smarten Shuttle-Services in die Innenstadt gäbe, glaube ich das auch. Wir dürfen nur nicht beide vergraulen, das Auto und den Fahrer. Ähnlich war es doch bei der Einführung der Fußgängerzonen in den 50er Jahren. Erst waren alle dagegen, auch die IHK hatte viele Bedenken. Heute möchte sie keiner mehr missen und nirgendwo werden höhere Mieten bezahlt. 
Martina Vogl: Oder das Rauchverbot. Wie groß waren die Bedenken, auch bei mir, und heute möchten selbst Raucher nicht mehr in einem verqualmten Lokal sitzen. Sage doch keiner, der Mensch sei nicht veränderungsbereit - und -fähig.

Und doch konnten Sie noch nicht viele Kollegen überzeugen?  
Martina Vogl: Wir müssen die Unternehmen überzeugen, dass sich nachhaltige Konzepte lohnen. Ich habe es doch auch geschafft und mich von Produkten, die nicht nachhaltig sind, über die Jahre getrennt. Dadurch gab es keinen Bruch und ich habe mein Unternehmen ohne viel Risiko umgestellt. Und das Beste: Es war gar nicht schwer.