Recht

BGH-Urteile zu Verträgen in der Corona-Pandemie

Neu: BGH-Urteile zu Hotelbuchungen. Inzwischen wurden viele Rechtsfragen rund um Verträge in der Corona-Pandemie durch den BGH geklärt.

Urteile des BGH

Der BGH hat Urteile zu verschiedenen Themenbereichen gefällt:

Neu: BGH-Urteile zu Hotelbuchungen

Der BGH hat sich Anfang 2024 in zwei Urteilen (Urteil vom 24.01.2024, XII ZR 123/22 und Urteil vom 26.03.2024, VIII ZR 363/21) mit dem Thema Hotelbuchungen während der Corona-Pandemie befasst. In beiden Fällen waren Aufenthalte in einem Hotel gebucht worden. Im gebuchten Zeitraum war dann jedoch die Nutzung der Hotelzimmer durch die Corona-Maßnahmen untersagt.
Der BGH kommt jeweils zu dem Ergebnis, dass es dem Hotel aufgrund des Verbots durch die Corona-Verordnung rechtlich unmöglich war, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Das Hotel konnte bzw. durfte die Zimmer nicht wie gebucht überlassen. Daher hatte das Hotel keinen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung bzw. musste die Anzahlung zurück zahlen.
Der BGH betonte, es habe sich nicht nur um eine vorübergehende Unmöglichkeit gehandelt. Ein zeitweiliges Erfüllungshindernis sei einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht mehr zugemutet werden könne, die Leistung noch zu fordern oder zu erbringen. Das sei bei der Buchung der Hotelzimmer für konkrete Zeiträume der Fall gewesen. Eine Verschiebung der Reise sei nicht zumutbar gewesen, zumal auch noch nicht absehbar gewesen sei, wie lange die Corona-Maßnahmen andauern würden.
Der BGH betont des Weiteren, dass die Regelung über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) nicht anwendbar sei: Wenn Unmöglichkeit vorliege, sei daneben kein Platz für eine Anwendung von § 313 BGB.

BGH-Urteil zur Vergütung einer Hochzeits-Fotografin

Mit Urteil vom 27.04.2023 (VII ZR 144/22) hat der BGH über den Vergütungsanspruch einer Hochzeits-Fotografin entschieden: Die kirchliche Hochzeit war aufgrund der Corona-Beschränkungen nicht wie geplant mit über 100 Gästen zulässig. Die Eheleute entschieden sich daher für eine Verlegung des Termins und beauftragten für den neuen Termin einen anderen Fotografen und verlangten ihre Anzahlung zurück. Der BGH hat den Anspruch auf Erstattung der Anzahlung jedoch verneint: Die von der Fotografin geschuldete Leistung sei nicht unmöglich (§ 275 BGB) gewesen. Zu dem fraglichen Termin seien kirchliche Hochzeiten und auch Feiern erlaubt gewesen, wenn auch mit weniger Gästen. Auch das Fotografieren sei erlaubt gewesen. 
Eine Störung der Geschäftsgrundlage habe nicht vorgelegen, weil bereits eine ergänzende Vertragsauslegung ergebe, dass die pandemiebedingte Verlegung auf einen anderen Termin keinen Umstand darstelle, der die Eheleute zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen würde. Dass die Eheleute aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich der Fotografin lagen, für den neuen Termin einen anderen Fotografen bevorzugten, sei nach Treu und Glauben unter redlichen Vertragspartnern unerheblich. 
Die Eheleute hätten (nur) das freie Kündigungsrecht aus § 648 BGB nutzen können. Danach kann der Auftraggeber eines Werkvertrags den Vertrag jederzeit kündigen. Der Unternehmer kann dann jedoch die vereinbarte Vergütung verlangen. Er muss sich nur dasjenige anrechnen lassen, was er infolge Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Dementsprechend hatten die Eheleute keinen Anspruch auf Erstattung der Anzahlung, sondern die Fotografin einen Anspruch auf volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen.

BGH-Urteile zu Fitnessstudios

Der BGH hat am 04.05.2022 entschieden ( XII ZR 64/21), dass ein Kunde eines Fitnessstudios einen Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge hat. Denn während der Schließung aufgrund hoheitlicher Maßnahmen sei es dem Fitnessstudio rechtlich unmöglich gewesen, seine vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Dabei habe es sich nicht nur um eine vorübergehende Unmöglichkeit gehandelt: Während der Schließung habe die Nutzungsmöglichkeit des Fitnessstudios nicht bestanden. Dieser abgelaufene Zeitraum sei nicht nachholbar.
Eine Anpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) dahingehend, dass die Dauer der Schließzeit an die vereinbarte Vertragslaufzeit hinten angehängt werde, sei nicht möglich. Begründet wird das zum einen damit, dass § 313 BGB schon gar nicht anwendbar sei, wenn ein Fall der Unmöglichkeit vorliege. Außerdem habe der Gesetzgeber mit der sogenannten „Gutscheinlösung“ (Art. 240 § 5 EGBGB) eine Spezialregelung geschaffen, wonach der Fitnessstudio-Betreiber einen Gutschein über den Wert des nicht nutzbaren Teils des Vertrages hätte ausstellen können.
Diese Grundsätze legt der BGH auch seinem Urteil vom 19.04.2023 (XII ZR 24/22)  zu Grunde: Dort ging es darum, ob der Kunde einen Fitnessstudio-Vertrag während des Lockdowns fristlos / außerordentlich kündigen konnte. Der BGH verneint dies. Eine außerordentliche Kündigung setze voraus, dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür müssten die Gründe, auf die die Kündigung gestützt werde, im Allgemeinen im Bereich des Kündigungsgegners liegen. Das sei bei den Coronamaßnahmen nicht der Fall, weil diese weder der Sphäre des Kunden, noch der des Fitnessstudios zuzuordnen seien. Daher komme eine außerordentliche Kündigung des Kunden wegen pandemiebedingter Einschränkungen oder Betriebsschließungen nur im Ausnahmefall in Betracht.
Im konkreten Fall verneinte der BGH eine solche Ausnahmesituation: Der Kunde habe im Zeitpunkt der Kündigungserklärung keine wirtschaftliche Belastung fürchten müssen. Der BGH verweist zur Begründung auf das oben genannte Urteil vom 04.05.2022, wonach der Kunde keine Beiträge zahlen musste. Im vorliegenden Fall habe das Fitnessstudio auch keine Beträge eingezogen, so dass nicht die Gefahr bestanden haben, zu Unrecht geleistete Beitrage nicht zurück zu erhalten. Der BGH hält es auch für unerheblich, dass das Fitnessstudio von seinen Kunden verlangt habe, den Vertrag um die Dauer des Lockdowns zu verlängern. Diese Rechtsauffassung sei zum Zeitpunkt des zweiten Lockdowns in der Rechtsprechung verbreitet gewesen. Daher liege keine schwerwiegende Vertragsverletzung des Fitnessstudios vor, die den Kunden zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt hätte – auch wenn der BGH mit Urteil vom 04.05.2022 dieser Rechtsauffassung eine Absage erteilt hat.
Der BGH macht dann noch Ausführungen dazu, dass Einschränkungen des Betriebs, wie Abstands- und Hygieneregeln, oder auch Schließungen der Duschen, ebenfalls nicht zu einem Recht auf außerordentliche Kündigung führen. Denn in solchen Fällen sei ein angemessener Interessensausgleich durch eine Anpassung nach § 313 BGB erreichbar, zum Beispiel durch Herabsetzen der monatlichen Beiträge.
Auch eine etwaige Entscheidung des Kunden, nach Ende des Lockdowns das Fitnessstudio aus Sorge vor Ansteckung nicht wieder zu besuchen, sei kein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Denn diese Entscheidung betreffe alleine das Verwendungsrisiko des Kunden. Allerdings deutet der BGH hier an, dass die Bewertung eventuell anders ausfallen könnte, wenn bei dem Kunden ein erhöhtes Infektionsrisiko bestanden hätte und die Nutzung des Fitnessstudios daher unzumutbar gewesen wäre.

BGH-Urteil zu der Rückerstattung von Ticketpreisen

Das Urteil des BGH vom 13.07.2022 (VIII ZR 329/21) befasst sich mit dem Verkauf von Veranstaltungstickets durch eine Vorverkaufsstelle. Der BGH entschied in dem konkreten Fall, dass die Käuferin keinen Anspruch auf die Rückerstattung des Ticketpreises durch die Vorverkaufsstelle hatte. Die Veranstaltung war aufgrund der COVID-19 Pandemie abgesagt worden. Die Vorverkaufsstelle war nicht als Stellvertreterin des Veranstalters, sondern als Kommissionärin aufgetreten. Sie schuldete somit nicht die Durchführung der Veranstaltung, sondern die Verschaffung des Zutrittsrechts zur Veranstaltung, verbrieft durch die Eintrittskarte. Für die Durchführung der Veranstaltung war der Veranstalter zuständig. Der Rückerstattungsantrag hätte damit an den Veranstalter gerichtet werden müssen.

Grundsätzliches zu Vertragsstörungen aufgrund der Corona-Pandemie

Bei Störungen im Vertragsverhältnis muss zunächst immer vom jeweiligen Vertrag ausgegangen werden: Enthält er zum Beispiel eine Höhere-Gewalt-Klausel (auch Force-majeure-Klausel genannt)? Es kommt jedoch auf ihre Formulierung und die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an: Nennt die Klausel eine Pandemie als Beispiel? 
„Höhere Gewalt” muss unvorhersehbar sein. Ob das je nach Zeitpunkt des Vertragsschlusses und Inhalt des Vertrages der Fall ist, kann man nicht pauschal sagen. Jedenfalls für ab dem 8. März 2020 geschlossene Verträge war nach Ansicht des Bundestages keine Unvorhersehbarkeit mehr gegeben. Gerade bei internationalen Verträgen mag das Datum aber auch wesentlich früher liegen.
Wurden keine vertraglichen Regelungen getroffen, muss man auf das Gesetz zurückgreifen; insbesondere auf die Regelungen zur Unmöglichkeit (§ 275 BGB). Allein die Pandemie an sich oder eine behördliche Betriebsschließung führen bei Kaufverträgen noch nicht zur Unmöglichkeit: Unmöglich ist eine Leistung, wenn zum Beispiel alternative Lieferwege oder Ersatzware auch mit Mehraufwendungen nicht zur Verfügung stehen. Eine Erschwerung der Leistung reicht nicht aus.
Bei Vorliegen von Höherer Gewalt oder Unmöglichkeit wird die Vertragspartei ganz oder teilweise von ihren vertraglichen Pflichten, deren Erfüllung ihr unmöglich geworden ist, befreit. Allerdings entfällt auch der Anspruch auf die Gegenleistung (§ 326 BGB). Oft wird es sich jedoch nur um eine sogenannte vorübergehende Unmöglichkeit handeln, dann entfällt die Leistungspflicht auch nur für den vorübergehenden Zeitraum.
Ausnahmsweise kann eine Vertragsanpassung oder ein Rücktritt vom Vertrag auch aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) möglich sein. Hierfür müssen sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend geändert haben und die Parteien hätten den Vertrag bei Kenntnis dieser geänderten Umstände nicht oder nicht so geschlossen. Hier kommt es sehr auf den Einzelfall an.
Bei Dienst- und Werkleistungsverträgen kann auch eine vertragliche oder gesetzliche Kündigungs- oder Rücktrittsmöglichkeit bestehen.

Tipps für die Vertragsgestaltung

Vor dem Abschluss neuer Verträge sollte über individuelle Klauseln zur Vertragsanpassung (Informationspflichten und Fristen, Selbstbelieferungsvorbehalt (bei kongruentem Deckungsgeschäft), Lieferzeitverlängerungen, Preisanpassungen, Recht zu Teilleistung, Entfallen der Abnahmeverpflichtung und die Rechtsfolgen davon…) nachgedacht werden. 
Gerade bei langfristigen Verträgen sollte geregelt werden, unter welchen Umständen und wie eine Vertragsanpassung erfolgen kann und wann es möglich ist, sich vom Vertrag zu lösen.
Die Wirksamkeit der Klauseln und der genannten inhaltlichen Beispiele hängt von den Umständen des Einzelfalls und der konkreten Formulierung ab. Bitte lassen Sie sich individuell anwaltlich beraten.
Fragen zum Vertragsrecht beantwortet Ihnen gerne Frau Inga Buntenbroich.
Fragen zu internationalen Verträgen beantwortet Ihnen gerne Frau Gudrun Grosse
Was Kunden und Reiseveranstalter beachten müssen, erfahren Sie auf unserer Seite Aktuelle Urteile des EuGH zum Rücktritt von Pauschalreisen aufgrund der Corona-Pandemie.
Die Rechtsprechung zu den Auswirkungen von Corona auf gewerbliche Mietverhältnisse stellen wir Ihnen in unserem Artikel Miete und Corona: Urteile zu Geschäftsraummiete und Miete von Veranstaltungsräumen.
Dieser Artikel soll − als Service der IHK Köln − nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Stand: März 2024
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